Wie Juristen die Frankfurter Oper rockten
Wer vor kurzem die Verleihung des Hessischen Filmpreises in der Alten Oper in Frankfurt verfolgt hat, konnte an der Auffahrt des prunkvollen Renaissance-Gebäudes einen Fuhrpark blank polierter schwarzer VW-Phaetons erspähen. Ein netter Anblick, aber nicht vergleichbar mit der eleganten Aston Martin-Flotte Typ DBS Coupé, die für die Juve Awards als Shuttle bereitstanden. Flüsternde Motoren, eine Optik zum Dahinschmelzen, 195.000-Euro-Träume auf vier Rädern. Für manchen Branchenriesen hätte die Nacht auch schon dort enden können – oder wie einer sagte: "Heute Abend würde ich mich glatt als Fahrer anstellen lassen."
Zum Glück musste niemand sein Metier wechseln sondern wurde im Laufe des Abends entweder in dem bestätigt, was er kann oder tauschte jedenfalls die trockene Luft der Sozietäten gegen die flirrende Stimmung des Gala-Events. Ein cooler Anblick: die mit rund 30 Prozent nominal unterlegenen, aber modisch deutlich überlegenen Juristinnen in langen, eleganten Roben, die Herren im Bond'esken Smoking.
Rund tausend Besucher waren es, die dem Juve-Ruf folgten – scheinbar mehr als je zuvor in der siebenjährigen Tradition dieser Auszeichnungen. Ein Zeichen dafür, dass Dekorationen dieser Art unter Juristen längst das "Geschmäckle" verloren haben – auch, wenn sich die Zunft an für sich lieber mit Zurückhaltung hervortut.
Sich auszeichnen zu lassen, es aber eigentlich nicht zu wollen, klingt ein wenig nach falscher Bescheidenheit oder wie ein M&A-Mann einer internationalen Großkanzlei, dessen Sozietät unter den Gewinnern des Abends war, zu erklären versuchte: "Eigentlich widerspricht es dem Beruf des Anwalts, sich derart feiern zu lassen. Wir erbringen Dienstleistungen im Auftrag eines Kunden und erfüllen selbstverständlich die in uns gesetzten hohen Erwartungen". Zusätzlicher Jubel sei "eigentlich" unangebracht, so der Jurist. Aber ein Zuviel an falscher Bescheidenheit sei nun "wohl auch nicht gerade zeitgemäß".
Sehen und gesehen werden
Dass die Awards diesen Nerv diesmal vielleicht noch mehr trafen als in den Jahren zuvor und der Bedarf am kollegialem Austausch gestiegen ist, war im Restaurant-/Foyer-Level der Alten Oper weder zu überhören noch zu übersehen. "Das erinnert ein wenig an den Weltwirtschaftsgipfel in Davos", kommentierte eine Gesellschaftsrechtlerin im schwarzen Abendkleid bei Ziegenkäse-Pralinés im Blätterteig und Mini-Pellkartoffeln. "Es ist so voll, dass man gar nicht umhin kommt, miteinander ins Gespräch zu geraten - und dann rennt man ständig in Leute, die im 'Who is Who' gelistet sind". Dass man sein jeweiliges Gegenüber zur Not auch lässig im Vorbeigehen identifizieren konnte, war den magnetischen Namensschildern zu verdanken, die die richtige Größe hatten und damit perfekt Smalltalk-geignet waren.
Festlich wurde es beim Höhepunkt des Abends, der Preisverleihung. 17 Bereiche wurden von den Juroren des Kölner Verlagshauses mit der gläsernen Trophäe ausgezeichnet.
Angefangen beim Titel des Inhouse-Teams des Jahres für Regulierte Industrien, der an den Berliner Entsorgungsdiensstleister Alba ging. Kanzlei des Jahres für Medien wurde Olswang, deren "gelungene Expansion in die regulatorische Beratung, insbesondere im TV-Sektor" hervorgehoben wurde. Den begehrten Gründerzeit-Award nahm in diesem Jahr Anchor entgegen - "ein Rettungsanker sowohl in Insolvenzverfahren als auch in Sanierungsmandaten", wie die Moderatorin des Abends Annabelle Mandeng hervorhob.
Zeit ist Geld
Die 39-jährige Berliner Schauspielerin stemmte ihren Job mit Charme, spulte aber sämtliche Laudationes derart schnell herunter, als gelte es, den nächsten Zug zu erreichen. Bei diesem Speed-Talking im Fast Forward-Modus bekam mancher Zuschauer Knoten in den Gehörgängen. Man verstand nicht alles und hätte doch so gerne.
Da aber Zeit Geld ist – in diesem Falle unter anderem knapp 150.000 Euro Spendengelder, mit denen Literaturprojekte für unterprivilegierte Jugendliche unterstützt wurden – wurde wie schon in den Vorjahren gänzlich auf Danksagungen verzichtet. "Es ist ein bisschen wie in der Schule", mahnte Mandeng im Halbscherz, "reden darf man nur, wenn man gefragt wird!".
Dem Sitzfleisch tat das sicher gut und war – wenn überhaupt – das einzige Lowlight einer ansonsten perfekten Veranstaltung. Glücklicherweise lagen sämtliche Nominierungs-Begründungen, mit denen sich die Juve-Juroren größte Mühe gemacht hatten, im Anschluss an die Verleihung als schwarz gebundene Broschüren bereit.
And the Winner is...
Als Sieger in der Kategorie Kanzlei des Jahres, einer der Hauptkategorien des Awards, wurde die Großkanzlei Gleiss Lutz vom Sponsor AnNoText ausgezeichnet, einer Tochter des Kölner Informationsdienstleisters Wolters Kluwer, bei dem auch die LTO beheimatet ist. Gleiss Lutz konnte sich gegen so starke Mitbewerber wie Allen & Overy, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Millbank Tweed Hadley & McCloy und SZA Schilling Zutt & Anschütz durchsetzen. In der Begründung der Juroren wurde die "gewohnte fachliche Exzellenz" hervorgehoben, "gepaart mit einer entschlossenen Strategie."
Im weiteren Lauf des Abends hieß die Strategie folgerichtig: "The evening has ended, but the night has just begun", wie Annabelle Mandeng es ausdrückte. In Ahnlehung an den Julia-Roberts-Blockbuster "Eat Pray Love" luden die Juve-Geschäftsführer Aled Wyn Griffiths und Astrid Gerber zu "Eat Smoke Dance" ein.
Bei perfekter Tanzmusik mit einheizenden Disco-Beats, gut gerührten Drinks, einem großen Büffet und seriöser Partystimmung kamen viele Gäste der Aufforderung der Gastgeber nach "Sie dürfen auch gerne bis fünf Uhr hier bleiben!". Die Letzten, so munkelt man, sollen zusammen mit der Band um halb sechs Uhr die Pforten zugezogen haben. Da standen die Luxuskarossen von Aston Martin zwar nicht mehr bereit. Aber Awards passen zur Not ja auch in Taxen.
Gil Eilin Jung ist freie Journalistin in Bremen.
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2010 M11 4
Kanzlei
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