Als Pro-Bono-Anwältin in der Großkanzlei

"Wenn Per­sonen in einer Not­lage sind, muss es sch­nell gehen"

Interview von Dr. Franziska KringLesedauer: 5 Minuten

Marion Fischer war Counsel im IP-Bereich in einer Großkanzlei. Jetzt ist sie für die Pro-Bono-Arbeit der Kanzlei zuständig. Im Interview erzählt sie, wie sie den Weg dahin fand und wie ihr Umfeld reagierte.

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LTO: Frau Dr. Fischer, Sie waren zehn Jahre lang Anwältin im IP/IT-Bereich bei Hogan Lovells, zuletzt als Counsel. Wie kam es dazu, dass Sie in den Pro-Bono-Bereich gewechselt sind? 

Dr. Marion Fischer: Im Jahr 2012 habe ich als Associate im IP-Bereich bei Hogan Lovells angefangen und mich auf das Markenrecht spezialisiert. Ich bin dann Senior Associate geworden und 2020 Counsel. Der Job war sehr spannend und hat mir viel Spaß gemacht. Insbesondere während der Corona-Pandemie habe ich mich aber gefragt, ob ich der Gesellschaft nicht mehr zurückgeben kann und wollte etwas ändern. Ich hatte das Glück, dass mein alter und neuer Chef, der IP-Partner Steffen Steininger, zugleich den Responsible-Business-Bereich EMEA bei Hogan Lovells leitet. Wir haben uns unterhalten und ein Modell entwickelt, in dem ich seit Sommer 2021 60 Prozent meiner Zeit weiterhin Counsel im IP-Bereich war und 40 Prozent Senior Advisor im Responsible Business. Schnell habe ich gemerkt, dass mir dieser Job einfach mehr Spaß macht. Seit April dieses Jahres bin ich jetzt "Counsel Responsible Business" in Vollzeit, d.h. ich bin als Anwältin in diesem Bereich tätig. 

Was macht man denn als Counsel im Responsible Business? 

Hauptsächlich verantworte ich die Pro-Bono-Arbeit der Kanzlei in Kontinentaleuropa. Ich vermittle die Projekte innerhalb der Kanzlei und beantworte auch viele Fragen unserer Anwält:innen zu Pro-Bono-Themen. In Deutschland gibt es ja strikte Regeln, welche Pro-Bono-Mandate eine Kanzlei übernehmen darf. Zudem bearbeite ich auch selbst Fälle pro bono, gerne im Markenrecht, aber auch in anderen Rechtsgebieten. 

Außerdem arbeite ich an unseren Programmen für Junganwält:innen mit. Im September steht das jährliche Business and Sustainable Enterprise (BaSE-)Training an, bei dem Associates u.a. die Grundlagen des verantwortungsvollen Handelns von Unternehmen lernen. Sie dürfen dann, mit der Unterstützung von erfahreneren Anwält:innen, im Team gemeinnützige Organisationen und Sozialunternehmen beraten. 

In den Bereich Responsible Business fällt auch die Freiwilligenarbeit unserer Anwält:innen, wenn sie beispielsweise bei der Arche oder der Tafel helfen. Zusätzlich sitze ich im deutschen Nachhaltigkeitskomitee von Hogan Lovells.

"Ein großer Teil meiner Arbeit ist Projektmanagement" 

Welche Pro-Bono-Projekte betreuen Sie? 

Eines unserer größeren Projekte ist das Deutsche Bündnis für afghanische Flüchtlinge (DBAF). Das ist eine Zusammenarbeit von acht Großkanzleien in Deutschland, die ich für Hogan Lovells steuere. Wir beraten afghanische Geflüchtete, zunächst vor allem zur Familienzusammenführung. Vor kurzem haben wir zum Beispiel einen 14-jährigen Jungen mit seiner Familie in Deutschland zusammengeführt. Er war mit weiteren Schüler:innen einer Musikschule in Afghanistan evakuiert und nach Portugal gebracht worden, die Familie konnte aber erst ein Jahr später nach Deutschland fliehen. Mit unserer Unterstützung konnte der Junge dann nach Deutschland gebracht werden. Zudem beraten wir Geflüchtete bei vielen anderen rechtlichen und praktischen Fragen, zum Beispiel bei Fragen zum Mietverhältnis. 

Alle drei Jahre arbeiten wir global mit einer anderen gemeinnützigen Organisation zusammen, die wir dann auch pro bono beraten. Seit kurzem ist das eine NGO, die sich weltweit für die Versorgung mit sauberem Trinkwasser einsetzt. Derzeit betreuen wir beispielsweise auch ein Projekt zum Menschenrecht auf Wasser und untersuchen, in welchen Verfassungen sich das schon wiederfindet. Daneben vermitteln wir viele kleinere Pro-Bono-Projekte aus ganz unterschiedlichen Bereichen. 

Mit welchen rechtlichen Fragestellungen beschäftigen Sie sich jetzt? 

Ein großer Teil meiner Arbeit ist Projektmanagement, gerade bei den globalen Projekten, die ich koordiniere. Bei den Pro-Bono-Projekten geht es um verschiedene rechtliche Fragestellungen. Im Markenrecht kenne ich mich natürlich gut aus, diese Fälle übernehme ich dann häufig. Man beschäftigt sich aber auch mit Themen, die nicht unbedingt zu den eigenen Spezialgebieten gehören, zum Beispiel menschenrechtliche Themen oder Asylrecht. Da arbeiten wir dann aber zusätzlich noch mit Expert:innen zusammen. 

"Ich arbeite etwas weniger als vorher, aber auch anders" 

Vermissen Sie manchmal die Arbeit an großen Transaktionen? 

Ich würde es nicht unbedingt Vermissen nennen. Aber natürlich sind große Transaktionen schon aufregend und es macht Spaß, an so einem großen Projekt beteiligt zu sein. Ich hatte eine gute Zeit, aber jetzt mache ich eben etwas anderes, das mir viel Freude bereitet.  

Arbeiten Sie nun weniger? 

Ja, ich arbeite etwas weniger als vorher, aber auch anders. Häufig ist der Zeitdruck nicht ganz so groß. Wenn Personen allerdings in einer Notlage sind, muss man besonders schnell reagieren, insbesondere in den Fällen, in denen das Wohlergehen und die Sicherheit von Menschen gefährdet sind.  

Hinzu kommt die Reisetätigkeit, die nach der Corona-Pandemie jetzt wieder mehr wird. Oft werde ich für Veranstaltungen angefragt. Diese Art der Öffentlichkeitsarbeit und der Austausch mit Kolleg:innen aus anderen Kanzleien gehört auch einfach zu meinem Berufsalltag. Aber wie in jedem anderen Job auch gibt es stressigere und weniger stressige Wochen. 

Wie ist die Resonanz innerhalb der Kanzlei auf Ihre Arbeit? 

Gerade die jüngeren Mitarbeitenden finden meine Arbeit gut, sind interessiert und manche möchten gerne auch Teil des Responsible Business Teams werden. Hogan Lovells legt viel Wert auf das Thema. Das zeigt sich auch daran, dass meine Rolle in der deutschen Großkanzleiwelt nach meiner Kenntnis einzigartig ist. Es gibt zwar in anderen Kanzleien Anwält:innen, die einen Teil ihrer Zeit auf die Pro-Bono-Arbeit verwenden, und auch Pro-Bono-Koordinator:innen, aber Anwält:innen, die in Vollzeit im Pro-Bono-Bereich tätig sind, sind mir sonst keine bekannt.  

Natürlich gibt es auch Menschen, die hinterfragen, dass ich eine Gehaltseinbuße akzeptiert habe, um Pro-Bono-Arbeit zu machen. Das sind Menschen, die andere Prioritäten setzen – das ist aber auch in Ordnung, denn jede:r ist anders. 

"Von innen heraus eine Veränderung bewirken" 

Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß? 

Ich finde es schön, dass ich einen Job habe, der der Gesellschaft etwas zurückgibt – aber noch schöner finde ich es, dass ich das in der Großkanzlei machen kann und mir Hogan Lovells dies durch meine neue Rolle ermöglicht. 

Als ich gemerkt habe, dass ich mit meinem Job als Anwältin im IP-Bereich nicht mehr zufrieden bin, hätte es auch passieren können, dass ich etwas ganz anderes mache und den Arbeitgeber wechsle. Wenn aber jede:r in einem solchen Fall geht, kann man von innen heraus keine Veränderung bewirken und diese Themen nicht weiter vorantreiben. Und genau das möchte ich – und ich habe das Gefühl, dass ich das in meiner jetzigen Position auch machen kann. Dabei hilft natürlich auch, dass ich schon so lange in der Kanzlei bin und mein internes Netzwerk habe. 

Welches Projekt ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben? 

Mein Herzensprojekt ist das DBAF-Projekt, weil ich das von Beginn an betreut habe. Als ich im Sommer 2021 begonnen habe, in Teilzeit als Senior Advisor im Responsible Business Team zu arbeiten, lief das Projekt gerade an. Zwei Schwestern des bereits erwähnten Jungen, den wir aus Portugal geholt und mit seiner Familie wiedervereint haben, sind künstlerisch begabt und machen eine Fotoausstellung über Frauen in Afghanistan, die nächsten Montag im Berliner Hogan-Lovells-Büro stattfinden wird. Es ist einfach schön, über die Pro-Bono-Arbeit eine längerfristige Beziehung zu jemandem aufzubauen, und dann zu sehen, wie sich die Person entwickelt.  

Vielen Dank für das Gespräch! 

Dr. Marion Fischer arbeitet seit 2012 bei Hogan Lovells, zunächst als Anwältin im IP-Bereich. Seit April 2023 ist sie Counsel Responsible Business. 

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