Als ein Beitrag in der NZA von "wülstigen Lippen" und "Schlitzaugen" schwadronierte, sorgte das für Empörung, nicht nur in der Juristenszene. Jetzt hat der verantwortliche Verleger Hans Dieter Beck Worte an seine Redaktion gerichtet.
Dass Fachzeitschriftenfundstellen in der breiten Öffentlichkeit auftauchen, ist zwar manches Juristen frommer Wunsch, aber er bleibt in der Regel unerfüllt. Der Autor Rüdiger Zuck schaffte es in der Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA 2021, 166) mit seiner kritischen Würdigung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unter dem Titel "Ist Ugah, Ugah eine rassistische Beleidigung?" Dennoch: Sein rassistisch konnotierter Beitrag sorgte für breite Empörung - und für Entsetzen beim Deutschen Anwaltverein. Der Verlag veröffentlichte schließlich eine Entschuldigung, die allerdings so manchem Beobachter reichlich dürr vorkam.
Ein Autor des Verlags beendete daraufhin öffentlichkeitswirksam die Zusammenarbeit, viele Stimmen - teils auch aus dem Verlag selbst - äußerten sich nach dem Vorfall diskret und anonym, aus Furcht vor Repressalien. Der Verfassungsblog veröffentlichte unter dem Rubrum "Rassismus ist nicht Meinungsvielfalt" einen mittlerweile hundertfach unterzeichneten Brief.
Nun meldet sich also Dr. Hans Dieter Beck selbst zu Wort, er leitet die juristischen Veröffentlichungen im Verlag. Mit einem Rundbrief vom 24. Februar, der LTO vorliegt, wandte er sich an die Redaktionen. Das ist ungewöhnlich - der Verlagschef hält sich mit solchen Memoranden an seine Redaktionen für gewöhnlich zurück. Nun schreibt er über die NZA und Rassismus. Also jedenfalls über die NZA, denn das Wort Rassismus fällt in dem Brief kein einziges Mal.
Beck: "wobei der Beitrag von Zuck leider negativ heraussticht"
Der Patriarch beginnt immerhin mit Zuck: Zuletzt habe "es aus verschiedenen Gründen Diskussionen unterschiedlicher Intensität über Veröffentlichungen in den Zeitschriften des Verlags gegeben", schreibt Beck, "wobei der Beitrag von Zuck in NZA 2021, 166 leider negativ heraussticht". Es habe weitere Kritik an Formulierungen, Standards und Autorenwahl gegeben.
Es folgen vier Punkte. Es geht um die Prüfung von Beiträgen und das Vier-Augen-Prinzip in den Redaktionen, um das Sachlichkeitsgebot, Zurückhaltung bei befangenen Autoren und den Umfang der Artikel. Um den Gebrauch unrassistischer Bezeichnungen geht es nicht. Selbstkritik findet sich in dem Schreiben ebenfalls nicht, Mahnungen mit Bezug auf den Zuck-Beitrag muss man erst einmal suchen.
Beck klingt recht liberal: Polemik, persönliche Angriffe und Ähnliches "sollten" "vermieden werden". "Gleiches gilt für Formulierungen, die von Einzelnen oder von Gruppen als diskriminierend oder aus anderen Gründen als unangemessen empfunden werden können." Und: Beiträge bei C.H. Beck "sollten" sich innerhalb des von unserer Verfassungsordnung vorgegebenen Rahmens bewegen. Gibt es denn noch eine andere Möglichkeit?
Der in dem Schreiben gebrauchte Konjunktiv II ist bemerkenswert: Man kann "sollten" so lesen, dass der Verzicht auf Polemik und Diskriminierung nicht mehr als eine begrüßenswerte Möglichkeit für die Redaktionen ist. Warum steht denn da nicht "müssen"? "Wir vertrauen insoweit auf die Sensibilität in den Redaktionen", heißt es schließlich. Binnenpluralismus ist ein hohes Gut und in der Tat: Bei der taz würde man mit geduldigen Bitten rechnen. Aber die Rede ist von C.H. Beck. Der Verlag ist nicht für seine dezentrale Regierungsform bekannt.
Alles andere wäre eine Überraschung gewesen
Weitere Kritik gab es Beck zufolge "an Aufsätzen, die übertrieben polemische oder aus Lesersicht unangemessene Formulierungen enthielten, an Beiträgen, die wissenschaftlichen Standards nicht genügten, oder an solchen, in denen eine mögliche Befangenheit von Autorinnen und Autoren nicht ausreichend transparent gemacht wurde." Da ist offenbar das eine oder andere zusammengekommen. Beck endet dann mit der Bitte, die Beiträge sollten bitte kürzer werden und sich auf das Wesentliche konzentrieren.
Das Rundschreiben dreht sich also ganz überwiegend nicht etwa um rassistische Begriffe wie das N-Wort und das in der NZA insinuierte Störgefühl gegenüber Körpermerkmalen wie "wulstige Lippen" und "Schlitzaugen" sondern um allfällige Unzulänglichkeiten in Jurazeitschriften. Es mag juristische Nüchternheit sein, aber es erinnert an einen Feuerwehrmann, der bei einem brennenden Auto das mangelhafte Reifenprofil moniert.
Sicher: Wer Verlag und Person kennt, hat nicht damit gerechnet, nun Zeuge einer verlegerischen Selbstzerfleischung zu werden. Ein zorniger Brief, ein Dialogformat mit Menschen anderer Hautfarbe oder gar ein reflektierter Essay über Diskriminierung, all das wäre eine große Überraschung gewesen. Es geht immerhin um jenen Verlag, der trotz jahrelanger Kritik aus Prinzip daran festhält, seinen wichtigsten Zivilrechts-Kommentar, den Palandt, nach einem NS-Juristen zu benennen.
Aber das tradierte Verlagshaus wirkt inzwischen immer weniger putzig-fachlich, sondern schlicht aus der Zeit gefallen. Es ist ein seltsamer Befund: Wer auf Nachdenklichkeit beim Thema Rassismus und Diskriminierung hofft, wird derzeit schneller bei Thomas Gottschalk fündig als bei C.H. Beck.
Nach Rassismusvorwürfen wegen NZA-Beitrag: . In: Legal Tribune Online, 25.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44367 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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