Insbesondere beim Verkauf vom Bauträger im Strukturvertrieb hat sich die Aufspaltung des Vertrages in getrennt beurkundetes Angebot des Käufers und spätere Annahme durch den Verkäufer durchgesetzt. Der BGH hat nun den oft vorgesehenen mehrmonatigen Annahmefristen des Verkäufers eine Absage erteilt – eine gute Nachricht für Käufer ungeliebter Immobilien.
Seit Jahren haben sich die Gerichte und nicht zuletzt der Bundesgerichtshof (BGH) mit den Folgen fehlerhafter Kaufentscheidungen von Immobilien, vor allem von Wohnungseigentum zu beschäftigen. Die Rechtsprechung des BGH zu den so genannten Schrottimmobilien füllt bereits Bände.
Sah der BGH anfänglich keine Möglichkeit, den Käufer vor den Folgen des aggressiven Strukturvertriebs zu schützen, kam er nach einiger Zeit zu der für alle völlig überraschenden Erkenntnis, die in den neunziger Jahren übliche Verkaufsstrategie, nämlich die Erteilung von umfassenden notariellen Vollmachten an den Verkäufer oder einen Vertriebspartner, verstoße gegen das Rechtsberatungsgesetz und sei damit nichtig.
Diese umfassenden Vollmachten zum Erwerb und zur Vereinbarung einer Finanzierung kamen daher rasch aus der Mode.
Der Gang zum Mitternachtsnotar
Das Problem war dadurch nicht gelöst, hatten doch die Vertriebsspezialisten eine neue Methode entwickelt. Konnte der Kunde bei den Vollmachten erst gar nicht durchschauen, was passierte, sollte er jetzt so schnell zum Vertragsschluss gebracht werden, dass er erst gar nicht zum Nachdenken käme.
Schnell gab es die so genannten "Mitternachtsnotare", die zu jeder Tages- und Nachtzeit für Beurkundungen bereit waren. Damit war es möglich, den Kunden unmittelbar nach dem überzeugenden Verkaufsgespräch zum Notar zu bringen und ihn zur Unterschrift zu bewegen.
Dass der Kunde die Immobilie überhaupt benötigte, ob er das Objekt und seine Vorzüge, vor allem aber seine Nachteile kannte, war dabei nebensächlich. Hatte er erst einmal gemerkt, dass er möglicherweise doch etwas unüberlegt gekauft hatte, war es bereits zu spät.
Auf dieses Verfahren reagierte dieses Mal der Gesetzgeber und schuf 2002 mit § 17 Abs. 2 a BeurkG eine Vorschrift, die dem Kunden Luft verschaffen sollte. Er sollte "in der Regel" eine 14-tägige Überlegungsfrist mit dem Vertragsentwurf in der Hand dazu nutzen, das Für und Wider einer Kaufentscheidung abzuwägen.
Dies ist natürlich nicht immer Sinne einer erfolgreichen Verkaufsstrategie. Denn die Erfahrung zeigt, dass, wer sich mit Verwandten, Freunden oder auch einmal mit einem Berater bespricht, nicht selten von dem beabsichtigen Geschäft Abstand nimmt.
Aufspaltung des Vertrags in Angebot und Annahme
Der Strukturvertrieb lässt gleichwohl nichts unversucht, den Kunden rasch an den Vertrag zu binden, immerhin ist die Zwei-Wochen-Frist nur "in der Regel" einzuhalten und bekanntlich gibt es keine Regel ohne Ausnahme.
Seit einiger Zeit ist daher ein neues Verfahren zu beobachten, um Wohnungen im Strukturvertrieb an den Mann oder die Frau zu bringen. Nun wird der Vertrag in Angebot und Annahme gespalten. Ein für den Entwurf des Vertrages zuständiger Notar fertigt den Entwurf eines Angebots, der dann bei einem anderen Notar am Wohnort des Kunden beurkundet wird. Erst viel später wird der Vertrag dann durch den Verkäufer angenommen oder nicht.
Dies hat eine Reihe von Vorteilen für den Verkäufer. Zunächst ist der Kunde durch sein Angebot sofort gebunden, der Verkäufer, der den Kunden ja nie gesehen hat, kann jetzt die Zeit bis zur Annahme des Angebots nutzen, um zu überprüfen, ob der Kunde überhaupt den Kaufpreis aufbringen oder finanzieren kann, fehlte doch zuvor die Zeit zur Bonitätsprüfung.
Nicht selten wird sich auch der Verkauf der Gesamtimmobilie erst lohnen, wenn eine ausreichende Zahl von Käufern gefunden wird, insbesondere bei neu zu errichtenden oder zu sanierenden Objekten. Mitunter fehlt es noch an Baugenehmigungen und dergleichen. Auch hier kann der Verkäufer die Zeit nutzen, um sich zu entscheiden. Ist der Käufer ungeeignet oder finden sich nicht genug Käufer, nimmt er den Vertrag eben nicht an.
Überlange Annahmefristen und ihre Folgen
Nun hat der BGH derartigen Praktiken einen Strich durch die Rechnung gemacht (Urt. v. 11.06.2010, Az. V ZR 85/09). Die Aufspaltung in Angebot und Annahme mit überlanger Annahmefrist für den Verkäufer verstößt nach Ansicht des BGH gegen § 308 Nr. 1 BGB. Mehrmonatige Annahmefristen sind damit unzulässig.
Die Auffassung des BGH, die zuvor bereits im Jahre 2005 das OLG Dresden vertreten hat, hat weit reichende Konsequenzen wohl auch für bereits längst abgeschlossene Verträge. Liegen zwischen Angebot des Käufers und Annahme des Verkäufers mehr als nach vier Wochen, geht die Annahme des Käufers ins Leere, ein Vertrag kommt nicht zustande. Dieser fehlende Vertragsschluss lässt sich auch nicht durch spätere Zahlung des Kaufpreises und Eigentumsschreibung heilen.
Die Folgen dieser Entscheidung sind damit unabsehbar. Jeder Erwerber einer Immobilie, der nicht oder nicht ganz zufrieden ist, sollte nunmehr der längst weggehefteten Kaufvertragsurkunde besondere Aufmerksamkeit widmen. War auch sein Vertrag in Angebot und Annahme aufgespalten? Welche Frist hat sich der Verkäufer zur Annahme vorbehalten? Wann hat der Verkäufer angenommen? Die nächste Klagewelle kann also kommen.
Der Autor Dr. Maximilian Zimmer ist Notar in Wernigerode und Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen.
Maximilian Zimmer, Wohneigentum im Strukturvertrieb: . In: Legal Tribune Online, 07.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/910 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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