Bei der Frage, ob Inhaber von Internet-Anschlüssen für illegale Dateiuploads durch Familienmitglieder geradestehen müssen, drängt das BVerfG auf ein Grundsatzurteil. Insbesondere der Siegeszug von Smartphones macht das Problem virulent – ohne die Hilfe des Gesetzgebers wird die Rechtsprechung allerdings keine befriedigende Lösung liefern können, meint Rolf Schwartmann.
Es kann in den besten Familien vorkommen, und passierte ausgerechnet einem auf Internetpiraterie spezialisierten Polizisten: Über seinen Internetanschluss hatte der volljährige Sohn der Lebensgefährtin 3.749 Musikdateien in einer Tauschbörse angeboten, worauf der Beamte von den Rechteinhabern abgemahnt worden und wegen der dafür entstandenen Kosten verklagt worden war.
Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Köln hatte den Klägern diese Kosten zugesprochen und die Revision gegen seine Entscheidung zum Bundesgerichtshof (BGH) nicht zugelassen. In seinem Beschluss vom 13. April 2012 beanstandet das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das inhaltliche Ergebnis zwar nicht. Allerdings halten die Karlsruher Richter eine grundsätzliche Klärung der uneinheitlich beantworteten Rechtsfrage für erforderlich, ob "einen Internetanschlussinhaber Prüf- und Instruktionspflichten gegenüber sonstigen Nutzern des Anschlusses treffen". Dementsprechend hat das BVerfG die Sache an das Oberlandesgericht mit der Maßgabe zurückverwiesen, seine Rechtsauffassung zu den Pflichten des Anschlussinhabers zu prüfen und die Revision zuzulassen, falls es bei seiner Rechtsauffassung bleibt (Az. 1 BvR 2365/11).
Grenzen des Machtbereichs für Anschlussinhaber sind immer schwerer zu ziehen
Karlsruhe verlangt also eine Auseinandersetzung mit der bislang offenen Grundsatzfrage nach der Aufklärungs- und Überwachungspflicht von Personen, die bestimmungsgemäß den Internetanschluss eines Dritten nutzen. Dabei verweisen die Verfassungsrichter darauf, dass die bislang in diesem Zusammenhang ergangene Grundsatzentscheidung des BGH vom 12. Mai 2010 (Az. I ZR 121/08) den aktuellen Fall nicht berührt. Damals sei es um die Frage der Absicherung von nicht offenen WLAN-Anschlüssen durch Verschlüsselung gegen Dritte gegangen, die sich des Anschlusses in illegaler Weise bedienen.
Auch wenn die aktuelle Entscheidung des BVerfG inhaltlich unspektakulär ist: Karlsruhe hat zu Recht eine Auseinandersetzung mit der in der urheberrechtlichen Praxis zentralen Frage nach der Haftung für dem Anschlussinhaber nahestehende Personen angemahnt.
Längst ist die Nutzung von WLAN-Anschlüssen durch Familienangehörige und deren Freunde an der Tagesordnung, und sie wird es mit dem weiteren Siegeszug der mobilen Endgeräte noch zunehmen. Die Grenzen des Machtbereichs der tatsächlichen Anschlussinhaber können also immer schwerer gezogen werden. Es dient deshalb der Rechtssicherheit und möglicherweise auch dem häuslichen Frieden, wenn klar ist, ob man als Anschlussinhaber nur auf sich, oder auch auf das Onlineverhalten, seiner Frau, seiner Kinder und all jener achten muss, denen man den WPA-Schlüssel gibt, damit sie einmal kurz ins Internet können.
Mit sanktionslosen Hinweisen ein Bewusstsein beim Nutzer schaffen
Am Ende geht es um die Frage, bis zu welchem Grad der Inhaber eines WLAN-Anschlusses wissen kann und sich zurechnen lassen muss, was auf Endgeräten von Personen geschieht, denen er seinen WPA-Schlüssel genannt hat. Die Auswirkungen sind weitreichend und gesellschaftlich wie rechtlich so folgenreich, dass die Rechtsprechung sie gut austarieren sollte. Dabei ist schwer vorauszusagen, wie sie der BGH einordnen wird. Auf der sicheren Seite bleibt wohl, wer sparsam mit sensiblen Daten wie Netzzugangsberechtigungen umgeht. Zurückhaltung bedeutet hier, wenn schon nicht Familienangehörige, so doch jedenfalls Freunde oder Gäste von dem Anschluss auszuschließen - und den Kindern beizubringen, Papas WPA-Schlüssel nicht für Facebook-Freunde zu posten.
Sicher scheint: Allein wird die Rechtsprechung das Problem über eine Verantwortungsregelung nicht allein lösen können. Hier ist auch der Gesetzgeber gefragt, der Wege finden muss, den Bürger über die Gefahren des Internets aufzuklären und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie leicht Rechtsverstöße über das Internet möglich sind und wie wichtig es ist, seinen virtuellen Bereich so abzuschotten wie Haus und Hof.
Ob die Lösung in der Reduzierung des Streitwerts für private Urheberrechtsverletzungen auf ein Trinkgeld liegt, wie aktuell im Entwurf für ein Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken vorgesehen, wird man bezweifeln müssen: Durch die geplante Änderung von § 97a des Urheberrechtsgesetzes und § 49 des Gerichtskostengesetzes wird man zwar verhindern, dass Anwälte Urheberrechtsverletzungen abmahnen. In der Logik dessen erhöht sich aber zugleich der Anreiz, Urheberrechtsverletzungen zu begehen. Als besserer Weg erscheint da eine andere derzeit diskutierte Möglichkeit zur Bewusstseinsschaffung beim Nutzer, nämlich sanktionslose Hinweise, mit denen der Zugangsanbieter den Anschlussinhaber über eine illegale Verwendung seines Anschlusses informiert, ohne dass es zu einer Abmahnung kommt.
Der Autor ist Professor an der Fachhochschule Köln und Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht.
Rolf Schwartmann, Verantwortlichkeit von WLAN-Besitzern : . In: Legal Tribune Online, 16.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6008 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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