Ob EM oder WM, alle zwei Jahre ergibt sich das selbe Dilemma: Fußballfieber und Arbeitspflichten müssen unter einen Hut gebracht werden. Was arbeitsrechtlich geht und was unter Umständen die rote Karte zur Folge hätte, erläutert Rolf Kowanz:
Am Donnerstag beginnt die Fußball WM und Deutschland fiebert mit. Für all diejenigen, die nicht mehr die Schul- oder Studienbank drücken dürfen aber noch zu jung sind, um mit der Rentner-Clique nach Russland aufzubrechen, stellt sich zumindest bei den frühen Anstoßzeiten die Frage: Wie lassen sich Job und Fußballgucken vereinbaren? Und auch für den Arbeitgeber ist es in Zeiten der WM nicht immer leicht, Urlaubs- und Schichtpläne so zu gestalten, dass Fußballfans auf ihre Kosten kommen ohne den Betrieb vorübergehend stillzulegen.
Wer in weiser Voraussicht rechtzeitig seinen Urlaub mit dem Spielplan der deutschen Mannschaft in Deckung gebracht hat, kann sich nun entspannt dem Fußballfieber hingeben. Aber Vorsicht für alle Pessimisten: Wer mit einem Aus in der Gruppenphase gerechnet hat, kann bei überraschendem Einzug der deutschen Mannschaft ins Viertel- oder Halbfinale oder gar ins Endspiel seinen bis dahin nicht genehmigten Urlaub weder eigenmächtig antreten noch selbständig verlängern.
Ebenso riskant: Die Krankmeldung als "Trotzreaktion" auf nicht genehmigten Urlaub an den doch so wichtigen Spieltagen. Der ebenfalls fußballbegeisterte Arbeitgeber wird hier möglicherweise nur mit der gelben Karte im Arbeitsrecht – der Abmahnung – reagieren. Wer jedoch Pech hat, erhält für solche "Fouls" im Arbeitsleben die rote Karte und wird mittels verhaltensbedingter Kündigung vom (Arbeits-)Platz gestellt.
Hilfreich: Klare Absprachen mit dem Arbeitgeber
Für all die Zurückgelassenen, die während der WM arbeiten müssen, gilt folgendes Regelwerk: Fußballbegeisterung ist ein reines Privatvergnügen. Kein Arbeitnehmer darf ohne berechtigten Grund den Arbeitsplatz verlassen, etwa um ein Fußballspiel anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn spannende Spiele während der Arbeitszeit anstehen. In der Pause den Spielstand mit dem eigenen WM-Tipp abgleichen, ist natürlich immer möglich.
Auch der Arbeitsplatz selbst ist häufig allein aus Gründen der Arbeitssicherheit ein schlechter Ort, um ein Fußballspiel im Fernsehen oder Radio live mit zu verfolgen. Hier helfen aber klare Absprachen mit dem Arbeitgeber vor Anpfiff: Ob und in welchem Umfang das Radio mitlaufen oder gar die Arbeit unterbrochen werden darf, um ein wichtiges Spiel im Fernsehen gemeinsam mit den Kollegen anzusehen, sollte rechtzeitig vor Spielbeginn mit dem Arbeitgeber besprochen werden. Und auch der Betriebsrat kann hier "faire Regeln" für die Fußballfans mit gestalten – sei es bei der Frage der Anordnung "unpassender Überstunden", der Ausgestaltung der Urlaubs- und Dienstpläne oder auch der Anpassung oder gar Unterbrechung der Arbeitszeit für "Entscheidungsspiele".
Erlaubt der Arbeitgeber grundsätzlich die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz, bedeutet dies nicht automatisch, dass ganze Spiele im Live-Ticker am Computer mitverfolgt werden dürfen. Denn auch während der Weltmeisterschaft muss der Arbeitnehmer in seiner Arbeitszeit seine gesamte Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung stellen – und zwar ohne dauerhafte Ablenkung durch Tore, Fouls und ungerechtfertigte Schiedsrichterentscheidungen. Wenig einzuwenden ist aber gegen einen kurzen Blick ins Internet, um das Ergebnis eines Spiels online abzurufen – jedenfalls solange das Ergebnis nicht so niederschmetternde oder berauschende Wirkung zeitigt, dass damit die Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters ernsthaft einschränkt wird.
Arbeitsplatz ist keine Fan-Meile
Selbst bei "wohlwollenden" Arbeitgebern sollte der Arbeitsplatz nicht mit einer Fan-Meile verwechselt werden: Das Fußballtrikot, der Fußballschal und bunte Kriegsbemalung sind – jedenfalls in Büros mit Publikumsverkehr – keine angemessene Arbeitskleidung. Dies gilt erst recht, wenn – etwa in Produktionsbetrieben - mit besonderen Bekleidungsvorschriften auch die Sicherheit der Mitarbeiter gewährleistet werden muss.
Auch der Sieg der eigenen Mannschaft sollte nicht über Gebühr gefeiert werden, wenn am nächsten Morgen wieder gearbeitet werden muss. Wer nach einer langen Fußball-Nacht am nächsten Tag mit in desolatem Zustand, möglicherweise auch noch mit Restalkohol im Blut, im Büro erscheint, darf sich nicht wundern, wenn er vom Vorgesetzten auf die Zuschauertribüne – d.h. in diesem Fall nach Hause – geschickt wird. Denn auch während der WM gilt der Grundsatz, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, in einem arbeitstauglichen Zustand seine Arbeit anzutreten. Verletzungen dieser Pflicht berechtigten den Arbeitgeber, den Fußballfan unbezahlt freizustellen, abzumahnen und in Ausnahmefällen auch zu kündigen.
Wie immer im Arbeitsleben gilt für Arbeitnehmer und Arbeitgeber also auch während der WM, "Maß und Mitte" zu wahren. Ein Königsweg sind klare Absprachen, die im Vorfeld zwischen Arbeitgeber, Mitarbeiter und ggf. auch Betriebsrat getroffen werden und helfen, dass aus der Fußballbegeisterung kein arbeitsrechtliches Eigentor wird: Eigenmächtigkeiten von Fußballfans am Arbeitsplatz muss der Arbeitgeber auch während der Weltmeisterschaft nicht dulden. Es gibt keine besonderen "Arbeitnehmerschutzrechte" während der WM.
Umgekehrt kann ein gemeinsam verfolgtes Fußballspiel im Büro oder Pausenraum vom Arbeitgeber organisiert und auch als "teambildende Maßnahme" ausgestaltet werden. Die verlorene Arbeitszeit wird dann – wenn es die betrieblichen Verhältnisse erlauben und eindeutige Regeln vereinbart wurden – oft konzentrierter und konfliktfreier vor oder nach dem Spiel nachgeholt.
Der Autor Dr. Rolf Kowanz ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Eversheds Sutherland.
Arbeitsrecht und WM: . In: Legal Tribune Online, 13.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29109 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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