Ein "Promotionsvermittler" hatte anderen für ein fünfstelliges Honorar zur akademischen Würde verholfen – und verlor darauf wegen Bestechung seinen eigenen Namensschmuck. Der vom Kölner VG bestätigte Titelentzug durch die Uni Bonn ist mittlerweile rechtskräftig. Hermann Horstkotte über ein richtiges Urteil, dessen Begründung aber teilweise übers Ziel hinausschießt.
In nachweislich 61 Fällen hatte ein Hannoveraner Rechtsprofessor von einem gewerblichen Kontaktmann Schmiergeld genommen, um Juristen mit dürftigen Examensnoten dennoch zum Doktorgrad zu führen. Das ging oft erst mit einer Ausnahmegenehmigung ("Notendispens") durch die gesamte Fakultät und letztlich immer nur mit deren autonomer Prüfungsentscheidung.
Wegen der Bestechung wanderten der Doktorvater und sein promovierter Komplize in den Knast, letzterer 2009 für dreieinhalb Jahre. Die Philosophische Fakultät der Uni Bonn entzog ihm daraufhin seinen persönlichen Doktortitel. Das ist laut Promotionsordnung möglich, wenn jemand "wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt" wurde. Diese vom Verwaltungsgericht (VG) Köln bestätigte Aberkennung ist mittlerweile rechtskräftig.
Doktorwürde bei Berufswahl nur beschränkt relevant
Das Gericht geht in seinem Urteil ausdrücklich von zwei grundsätzlich unterschiedlichen Positionen zur Titelei aus: einerseits der zum Beispiel in Bayern und Baden-Württemberg gesetzlich vorgesehenen Titelaberkennung wegen einer nicht näher bestimmten "Unwürdigkeit" im Lebenswandel und der anderen Rechtsmeinung, "dass jedwede Forderung nach einer Würdigkeit" unzulässig ist. Der deutsche "Meister" beispielsweise bleibt, was er ist, auch wenn er die Steuer betrogen hat. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber dagegen überlässt die akademische Titelfrage ganz den Hochschulen selbst.
Ausdrücklich "zwischen" den extremen Grundauffassungen entschied das Gericht jetzt: Nicht jede Freiheitsstrafe von einem Jahr kann zum Titelverlust führen. Vielmehr "muss die geahndete Tat einen 'Wissenschaftsbezug' aufweisen", wenn sie den akademischen Rang und Namen in Mitleidenschaft ziehen soll. Das sei bei Korruption in der Hochschularena der Fall.
Die Aberkennung berühre im konkreten Falle auch nicht die im Grundgesetz garantierte Berufswahlfreiheit, denn der gelernte Pädagoge brauche keinen Doktortitel, so wenig wie ein Arzt oder Jurist. Umso eher könne die Uni ihrem "wissenschaftlichen Ruf" in der Öffentlichkeit und "ihren akademischen Interesse" den Vorrang geben. Um deren Schutz geht es bei der Titelaberkennung in erster Linie, so die Richter, und nicht etwa um den Entzug von persönlichen Ehrenrechten bei einem Schwerverbrecher. Eine derartige Degradierung als "Nebenstrafe" sei vielmehr seit der Großen Strafrechtsreform 1970 abgeschafft.
Strafrechtliche Beihilfe der Nutznießer nicht erwiesen
Zwar war in der Promotionsordnung von 1980, nach der der spätere Promotionsvermittler seinen Dr. ohne Fehl und Tadel erworben hatte, eine nachträgliche Wegnahme überhaupt noch nicht vorgesehen. Aber auch dieser Einwand zieht nicht: Die Uni könne ihre Regularien in akademische Kernfragen wie der Promotion jederzeit ändern und "uneigentlich rückwirkend" anwenden, stellt das Gericht klar. Fehlverhalten im und gegenüber dem Wissenschaftsbetrieb verdient also keinen Vertrauensschutz.
Gleichwohl scheinen sich die Richter in ihrer Schelte gegen die korrupte Doktorandenvermittlung stellenweise zu vergaloppieren. Aus den Strafakten ergebe sich, dass das Honorar an den Kontaktmann "umso höher ausfiel, als die Examensnote war." So hätten "ungeeignete Kandidaten die Gelegenheit zur Promotion erhalten" und mit ihrem dicken Portemonnaie "Beihilfe" zur Bestechung geleistet.
Tatsächlich hat die promovierende Fakultät in Hannover von der fehlenden Eignung der Doktoranden nichts bemerkt und sie auch nicht als Mitwisser des korrupten Vermittlers überführen können. Niemand der zahlungskräftigen Kunden, kein Richter, Anwalt oder Verwaltungsbeamter muss seinen Doktor vom Namensschild abkratzen. Hauptsache, Bestechung wird bestraft.
Der Autor Hermann Horstkotte arbeitet als selbständiger Journalist mit Schwerpunkt Hochschulthemen in Bonn. Er ist zugleich Privatdozent an der Technischen Hochschule Aachen.
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VG Köln urteilt über Doktorgrad: . In: Legal Tribune Online, 15.11.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4805 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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