2/2: Europarechtliche Bedenken
Die zweite Verbraucherkreditrichtlinie sieht keine Möglichkeit zur zeitlichen Begrenzung des Widerrufsrechts vor. Dies gilt auch bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen, da es nach Fernabsatzfinanzdienstleistungsrichtlinie nicht möglich ist, ein Erlöschen des Widerrufsrechts nach einer bestimmten Frist vorzusehen. Dies vorausgesetzt und richtig schlussfolgernd hat der Gesetzgeber bei der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie daher in § 356 Abs. 3 S. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorgesehen, dass das in § 356 Abs, 3 Satz 2 BGB genannte Erlöschen des Widerrufsrechts nach spätestens zwölf Monaten und 14 Tagen für Verträge über Finanzdienstleistungen gerade nicht gilt.
Mit der nunmehr beschlossenen Begrenzung der Widerrufsfrist entsteht die seltsame Situation, dass Immobiliarkreditverträge, die im Fernabsatz zustande kommen, bei fehlender oder fehlerhafter Belehrung über die genannte Höchstfrist hinaus widerruflich wären, andere Immobiliarkreditverträge aber nicht.
Das Erlöschen des Widerrufsrechts bei sog. "Altfällen" aus den Jahren 2002 - 2010
Die Änderung soll nicht nur für die Zukunft gelten, sondern nach einer Übergangsfrist von drei Monaten auch Altverträge betreffen.
Dies ist jedoch sowohl für Verträge, die unter der Haustürwiderrufsrichtlinie geschlossen wurden (EuGH, Urt. v. 13.12.2002, Az. C-481/99), als auch für Verträge, welche nach Fernabsatzregeln geschlossen wurden, nicht möglich. Danach muss das Widerrufsrecht möglich sein, solange der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über dieses Recht belehrt worden ist.
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Vorschlag des Bundesrates in Nr. 1 b) seiner Stellungnahme (BR-Drs. 359/15 (B), S.2) eine echte oder eine unechte Rückwirkung darstellt. Für erstere müsste das Vertrauen des Kreditnehmers nicht schutzwürdig sein, zwingende Gründe des Gemeinwohls die Rückwirkung erfordern, oder aber die bisherige Gesetzeslage unklar und verworren sein.
Nichts davon ist erkennbar. Insbesondere ist den Kreditgebern bereits durch die Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 12.04.2007, Az. VII ZR 122/06) eine "goldene Brücke" gebaut worden, da diese sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV und der damit einhergehenden Wirksamkeitsfiktion auch dann berufen konnten, wenn sie die zwischenzeitlich vom BMJV entworfene, aber fehlerhafte Musterwiderrufsbelehrung, wie vorgegeben verwendet haben.
Banken können Belehrung jederzeit nachholen
Lediglich in den Fällen, in denen die Banken eine eigens gestaltete Widerrufsbelehrung verwendet haben, müssen diese auch heute noch mit Widerrufen rechnen, können sich aber von einer Widerrufsmöglichkeit des Verbrauchers durch eine korrekte Nachbelehrung befreien. Es war und ist daher für die Banken möglich, den Verbraucher den gesetzlichen Anforderungen entsprechend zu belehren und den Beginn der 14-tägigen Widerruffrist auszulösen. Mögliche Rechtsunsicherheiten bei den betroffenen Instituten können diese damit selbst beseitigen.
Eine Rückwirkung der Beschneidung des ewigen Widerrufsrechts für Altverträge ist nicht nur unnötig, sondern führt, entgegen der Ansicht des Gesetzgebers, zu erheblichen Rechtsunsicherheiten für den Verbraucher und auch für den Gesetzgeber selbst.
Die Richtlinie 2014/17/EU, die mit dem Entwurf umgesetzt werden soll, legt in Art. 43 Abs. 1 fest, dass sie nicht für vor dem 21. März 2016 bestehende Kreditverträge anwendbar ist. Dies bestätigt den klaren Willen des Richtliniengebers, dass für Altverträge Vertrauensschutz bestehen soll. Demnach können die Abweichungen, die der deutsche Gesetzgeber infolge dieser Richtlinie von der Verbraucherkreditrichtlinie für Immobilienverträge einführen will, nicht auf diese Verträge angewandt werden.
Ungeachtet dieser Wirksamkeitsfragen ist die für Verbraucher eindeutig sinnvollste Option, ihre Darlehensverträge, insbesondere jene aus den Jahren 2002- 2010, schnellstmöglich überprüfen zu lassen, damit abgeklärt werden kann, ob noch ein Widerrufsrecht besteht und ob die Erklärung des Widerrufs sinnvoll ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Verträge noch laufen oder bereits abgewickelt sind.
Der Autor Johannes Flötotto ist selbstständiger Rechtsanwalt in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt im Anlegerrecht. In diesem Zusammenhang berät und vertritt er Verbraucher hinsichtlich der Rückabwicklung von Darlehensverträgen.
Reform bei Verbraucherdarlehen: . In: Legal Tribune Online, 09.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18401 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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