Unzulässige Telefonwerbung: Bald wird’s teuer für rechts­brüchige Call-Center

Heinrich Nemeczek

08.12.2011

Das Bundesjustizministerium will neue Regeln: Verträge über entgeltliche Gewinnspieldienste sollen nur noch in Textform wirksam sein, die Bußgeldregelungen werden weiter verschärft. Das Ministerium stellt sich damit gegen den Entwurf des Bundesrates. Für Heinrich Nemeczek der richtige Weg, unerlaubte Telefonwerbung effektiv zu bekämpfen.

Die Eindämmung unerlaubter Werbeanrufe stellt einen der zentralen Bereiche des Verbraucherschutzes dar, mit der sich die aktuelle Gesetzgebung in Deutschland beschäftigt. Auch das im Jahr 2009 in Kraft getretene Telefonwerbung-Bekämpfungsgesetz konnte sein Ziel, unerlaubte Telefonwerbung effektiv zu bekämpfen, nicht erreichen. Der Bundesrat hat sich deshalb am 27. Mai 2011 mit dem "Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Verbraucherschutzes bei unerlaubter Telefonwerbung" um die so genannte Bestätigungslösung bemüht.

Die vielfach vehement geäußerten Einwände gegen dieses Regelungsmodell haben jedoch anscheinend gewirkt: Denn die jüngst vom Bundesjustizministerium (BMJ) vorgelegten "Eckpunkte zur weiteren Eindämmung unzulässiger Werbeanrufe" verabschieden sich ausdrücklich von dem Vorschlag, telefonisch geschlossene Verträge erst nach schriftlicher Bestätigung wirksam werden zu lassen. Stattdessen sieht der Vorschlag des BMJ neben der Einführung eines Textformerfordernisses für Verträge über entgeltliche Gewinnspieldienste auch die Verschärfung der Bußgeldregelung des § 20 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vor.

Erhebungen der Verbraucherzentralen und einem Evaluationsbericht des BMJ zufolge sind gerade im Bereich der Gewinnspieldienste sind untergeschobene Verträge problematischer geworden. Der Unternehmer verpflichtet sich dabei dazu, die persönlichen Daten der Verbraucher bei Drittunternehmen einzuspeisen, um – zumeist kostenfreie –  Gewinnspiele durchzuführen. Die Aussicht, durch die Teilnahme an mehreren Gewinnspielen die Gewinnchancen zu erhöhen, lässt sich der Vermittler mitunter teuer bezahlen.

Gewinnspieldienste sind kein Problem von Telefonwerbung

Die "Eckpunkte" knüpfen insoweit "passgenau" an die eigentlichen Probleme an, anstatt mit der Bestätigungslösung einen verfehlten Rundumschlag einzuführen, der nicht nur über das Ziel hinausschießt und die eigentlichen Kernprobleme außer Acht lässt, sondern die Belästigung der Verbraucher durch unerlaubte Telefonwerbung noch weiter verschärft.

Die Telefonwerbung als solche sagt erst einmal nichts über die Schwierigkeiten aus, die sich aus dem geschlossenen Vertrag ergeben. Es stellt deshalb einen Widerspruch dar, wenn unerlaubte Telefonwerbung vertragsrechtliche Sanktionen nach sich zieht, obwohl § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG unmittelbar gerade nicht an die private Freiheit zum Vertragsschluss anknüpft. Sollte diese Freiheit durch Irreführung beeinträchtigt worden sein (vgl. §§ 5, 5a UWG), bleibt allenfalls die Möglichkeitn, den herbeigeführten Vertrag nach § 123 Abs. 1 BGB anzufechten. Der mit Telefonwerbung verbundenen Überrumpelungssituation des Verbrauchers wird bereits ausreichend durch das Widerrufsrecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch begegnet. Dass Verbraucher davon tatsächlich Gebrauch machen, hat bereits der Evaluationsbericht des BMJ ausdrücklich bestätigt.

Die spezifischen Risiken von Gewinnspieldiensten ergeben sich demnach nicht aus der Tatsache, dass entsprechende Verträge am Telefon geschlossen werden. Die Gefahr ergibt sich vielmehr allgemein aus dem Inhalt dieser Verträge. Es ist deshalb der richtige Weg, wenn der Reformvorschlag zukünftig die Textform für solche Gewinnspielverträge vorsieht, unabhängig davon, ob sie im Rahmen von Telefonwerbung geschlossen werden oder auf anderem Weg.  Mit den "Eckpunkten" hat das BMJ gezeigt, dass es die statistischen Erhebungen nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern die rechtlichen Lösungen genau daran anpasst.

Die redlichen Unternehmen werden geschützt, unseriöse zur Kasse gebeten

Für redliche Unternehmer des Telefonmarketings wäre dies mit dem Vorteil verbunden, dass sie nicht unzumutbar beschwert werden. Denn die nach dem UWG erforderliche Einwilligung zur Kontaktaufnahme kann nach wie vor mündlich erklärt werden.

Der Reformvorschlag sieht darüber hinaus vor, dass die Bußgeldregelung des § 20 UWG auch die Verwendung automatischer Anrufmaschinen im Sinne des UWG erfasst. Weiter soll die Obergrenze für die Bemessung von Geldbußen auf 300.000 Euro erhöht werden. Die Tatbestandsseite von unerlaubter Telefonwerbung und von Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine bleibt somit unberührt.

Da die materielle Rechtslage nach geltendem Recht ohnehin unmissverständlich ist, wäre eine Änderung des Tatbestands insoweit nicht nur unnötig, sie würde auch die klare Rechtslage verkomplizieren. Und dies, ohne dass damit zugleich Vorteile verbunden wären. Die eigentlichen Probleme bestehen vielmehr auf der Rechtsfolgenseite, also der Frage, was im Falle von unerlaubten Werbeanrufen mit dem Unternehmen passiert. Insbesondere die Rechtsdurchsetzung für die belästigten Angerufenen hat sich als äußerst schwierig erwiesen.

Mit der Verschärfung der Bußgeldregelung knüpfen die "Eckpunkte" ebenso an der richtigen Stelle an und bestrafen diejenigen, die unerlaubte Telefonwerbung systematisch für ihre Geschäfte einsetzen.

Heinrich Nemeczek ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für das Recht des geistigen Eigentums an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und veröffentlicht Fachaufsätze zur aktuellen Diskussion.

 

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Zitiervorschlag

Unzulässige Telefonwerbung: . In: Legal Tribune Online, 08.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5015 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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