Gaskunden müssen binnen drei Jahren beanstanden, dass die Preisanpassungsklausel in ihrem Bezugsvertrag mit dem Gasversorger unwirksam ist, wenn sie Geld zurück wollen, entschied der BGH am Mittwoch. Andreas Klemm über zwei höchstrichterliche Urteile, deren Begründung noch etwas im Dunkeln bleibt.
Gaspreisverfahren gelten als besonders komplex. Der für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in den vergangenen Jahren bereits mehrfach zur Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln in Gasbezugsverträgen Stellung genommen und hier inzwischen eine besondere Expertise erlangt.
Die Nuss, die die Karlsruher Richter dieses Mal zu knacken hatten, hatte es aber in sich: Welchen Preis hat der Kunde zu entrichten, wenn sich die im Gasbezugsvertrag enthaltene Preisanpassungsklausel als unwirksam erweist, er aber den auf ihrer Grundlage vorgenommenen Preiserhöhungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat?
Die Problematik wird besonders anschaulich anhand des Sachverhalts im Verfahren VIII ZR 113/11. Der klagende Kunde hatte im Jahr 1981 einen Gasbezugsvertrag mit seinem örtlichen Gasversorger abgeschlossen. Die auf der Grundlage dieses Vertrages vom Gasversorger vorgenommenen Preiserhöhungen zahlte er über Jahre hinweg anstandslos. Erst im Februar 2009 wandte er sich gegen die während der Vertragslaufzeit erfolgten Preiserhöhungen. Er begehrte die Rückzahlung der von Januar 2006 bis September 2008 gezahlten Erhöhungsbeträge, und zwar auf der Basis des im Jahr 1981 geltenden Arbeitspreises.
Der Gaskunde bestand also darauf, dass sein Rückforderungsanspruch auf der Grundlage des Arbeitspreises berechnet wird, der vor rund drei Jahrzehnten galt, als er seinen Bezugsvertrag abgeschlossen hatte.
BGH legt Gasbezugsvertrag ergänzend aus
Dass der Kunde mit einem derart unverforenen Begehren nicht durchkommen würde, liegt auf der Hand. Der BGH gilt zwar als verbraucherfreundlich und hat in den vergangenen Jahren die Rechte der Gaskunden massiv gestärkt. Einem überzogenen Anspruchsdenken der Verbraucher haben die Karlsruher Richter aber auch stets Grenzen gesetzt und dabei Augenmaß bewahrt.
In beiden vor dem höchsten deutschen Zivilgericht am Mittwoch entschiedenen Verfahren führte der Senat aus, dass den Rückzahlungsansprüchen der Kunden nicht die Arbeitspreise zugrunde gelegt werden können, die beim jeweils viele Jahre zurückliegenden Vertragsschluss vereinbart worden waren (Urt. v. 14.03.2012, Az. VIII ZR 113/11 und VIII ZR 93/11).
Die interessante, über den Einzelfall weit hinausreichende Frage ist die rechtliche Herleitung dieses Ergebnisses. Immerhin gilt bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, zu denen auch Erdgassonderverträge zu zählen sind, grundsätzlich das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Vertragliche Klauseln, die der AGB-Kontrolle nicht standhalten, können nicht auf ein Maß zurückgestutzt werden, das gerade noch zulässig ist.
BGH: Geld zurück nur nach Beanstandung binnen drei Jahren
Zur Lösung des Problems greifen die Karlsruher Richter auf das Instrument der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch) zurück. Die durch die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklauseln entstandene Regelungslücke sei dadurch zu schließen, dass der Kunde die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Ausgangspreis übersteigenden Preis führen, nur begrenzt geltend machen kann. Er ist mit diesem Einwand ausgeschlossen, wenn er die Unwirksamkeit nicht innerhalb von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung beanstandet hat, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist.
Eine derartige Regelung hätten die Parteien, so die obersten Zivilrichter, bei einer Abwägung ihrer Interessen redlicherweise vereinbart, wenn sie einkalkuliert hätten, dass die Klausel unwirksam hätte sein können.
Der BGH betritt mit seinem Rückgriff auf die ergänzende Vertragsauslegung kein Neuland. Er entwickelt mit den aktuellen Urteilen vielmehr seine "Tagespreisklauseln"-Entscheidung aus dem Jahr 1984 (Urt. v. 01.02.1984, Az. VIII ZR 54/83,) konsequent fort, in der er erstmals diesen Weg gegangen ist.
Keine Geld-zurück-Garantie für Gaskunden
So salomonisch die Entscheidung des BGH im Ergebnis auch ist, wirft die Argumentation doch zahlreiche Fragen auf, die wohl erst nach Veröffentlichung der schriftlichen Urteilsgründe abschließend erfasst und beurteilt werden können.
Unklar bleibt vor allem, woraus der BGH die in den Urteilen genannte Frist von drei Jahren herleitet. Eine solche lässt sich zumindest dem Gesetz nicht entnehmen. Offen bleibt bis auf Weiteres auch, ob eine ergänzende Vertragsauslegung auch in den Fällen in Betracht kommt, in denen der Versorger die Möglichkeit hat, sich durch Kündigung aus dem Vertragsverhältnis zu lösen.
Für Gaskunden bleibt die Gewissheit: Grundsätzlich ist die Rechtsprechung in den Gaspreisverfahren verbraucherfreundlich. Eine "Geld-zurück-Garantie" in Fällen, in denen die Preisanpassungsklausel im Gasbezugsvertrag unwirksam ist, gibt es aber auch in Karlsruhe nicht.
Dr. Andreas Klemm ist Rechtsanwalt in Düsseldorf mit Schwerpunkt Energierecht. Er ist zudem Vorsitzender des Forums Contracting e.V.
Unwirksame Preisanpassungsklauseln vor dem BGH: . In: Legal Tribune Online, 14.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5779 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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