Law Clinics in Deutschland sind erlaubt, nur auf dem Gebiet des Steuerrechts nicht. Ein Problem, das Gerichte präventiv nicht lösen können, so der BFH. Deutschlands erste Tax Law Clinic geht deshalb an den Start - nicht ohne Risiko.
Im Laufe des nächsten Jahres soll in Hannover die erste Tax Law Clinic Deutschlands ihren Betrieb aufnehmen. Das verkündete der Verein zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der Leibnitz Universität Hannover (VFS Hannover). Das Projekt ist schon länger geplant, es gibt aber Streit: Law Clinics im Bereich des Steuerrechts sind nach aktueller Rechtslage verboten - auch wenn der VFS sich ziemlich sicher ist, dass die entsprechende Verbotsnorm verfassungswidrig ist.
Ob er mit der Tax Law Clinic risikofrei an den Start gehen kann, wollte der Verein deshalb zunächst von den Finanzbehörden und ggf. Gerichten klären lassen. Der entsprechende Gerichtsweg führte schließlich bis zum Bundesfinanzhof (BFH). Der jedoch war nun kürzlich der Meinung: Ohne konkret in Aussicht stehende Klage gegen den Betrieb der Tax Law Clinic fehle ein entsprechendes Feststellungsinteresse. Das Risiko, eine Ordnungswidrigkeit zu begehen, geht der Verein mit dem Start des Projekts nun ein.
Hintergrund des Rechtsstreits ist § 5 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG). Danach darf die Hilfeleistung in Steuersachen geschäftsmäßig nicht von Personen und Vereinigungen ausgeübt werden, die hierzu nicht befugt sind. Die unentgeltliche Rechtsberatung von Studierenden im Steuerrecht ist danach untersagt. Das gilt auch, wenn Studierende von Rechtsanwälten oder Steuerberatern angeleitet werden.
Allerdings hält der VFS die Norm für verfassungswidrig: § 5 StBerG entspreche im Wesentlichen einem früher geltenden Verbot für Beratungen auch in allen anderen Rechtsgebieten außer dem Steuerrecht. Dieses Verbot wurde vom Bundesverfassungsgericht gekippt. So wurden studentische Law Clinics in allen übrigen Rechtsgebieten erst möglich, mittlerweile gibt es an vielen deutschen Universitäten welche. Nachdem er zunächst vor das Niedersächsiche Finanzgericht (FG) gezogen war, landete die vorbeugende Feststellungsklage des VFS letztlich beim BFH.
BFH: Repressive Maßnahmen abwarten
Der BFH (Beschl. v. 30.9.2020, Az. VII B 96/19) ist jedoch wie die Vorinstanz der Auffassung, dass bereits kein Feststellungsinteresse besteht. Laut BFH ist es zumutbar, erst einmal mit der Tax Law Clinic zu beginnen und erst dann den Klageweg zu beschreiten, wenn es zu repressivenn Maßnahmen seitens der Finanzverwaltung kommt. Bisher aber liege nur ein Verweis des zuständigen Finanzamts auf mögliche rechtliche Konsequenzen vor, wenn die Tax Law Clinic starten sollte. "Unzumutbare oder schwerlich wiedergutzumachende Rechtsverletzungen" würden dem klagenden Verein als Betreiber der Tax Law Clinic damit nicht drohen.
Dr. Thomas Keß, selbst Finanzrichter und Vorstandsvorsitzender des VFS Hannover, äußerte gegenüber der LTO, dass seine Vereinskollegen und er sehr überrascht davon gewesen seien, dass der BFH es wie die Vorinstanz für zumutbar hält, erst eine potenziell rechtswidrige Handlung zu begehen, bevor ein Gericht über einen absehbaren Streit entscheidet. Nach intensiven Diskussionen innerhalb des Vorstands sei man letztlich insbesondere aus zeitlichen Gründen von der Idee abgekommen, mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung vorzugehen. Die Tax Law Clinic wird 2021 also starten. Allerdings nicht ohne Bauchschmerzen bei den Verantwortlichen: "Wenn sogar der BFH es für zumutbar hält, rechtswidrig zu handeln, sind wir wohl letztlich gezwungen, das dann auch zu machen, wenn wir die Verfassungswidrigkeit des Verbots der unentgeltlichen Steuerrechtsberatung auf dem Rechtsweg geklärt haben möchten."
BFH zum Streit um studentische Rechtsberatung: . In: Legal Tribune Online, 09.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43693 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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