Der neue Gesundheitsminister Hermann Gröhe hat die Legislaturperiode mit dem Vorschlag begonnen, die Sterbehilfe umfassend zu verbieten. Dabei wäre das Gegenteil notwendig, meint Julia Bargenda. Im Kreise seiner Familie den Weg in den Freitod zu gehen, ist in Deutschland nämlich nicht möglich, will man seine Nächsten nicht der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen.
"Nun sag, wie hast du's mit der Sterbehilfe?" Wie oft die Gretchenfrage nach der Legalisierung der Sterbehilfe persönlich und emotional beantwortet wird, zeigt der Debattenbeitrag von Franz Müntefering beispielhaft. Der ehemalige SPD-Vorsitzende hatte seine im Jahre 2007 an Krebs erkrankte Ehefrau bis zu ihrem Tod 2008 begleitet und sich aus diesem Grund damals aus der Politik zurückgezogen.
Heute spricht er sich ausdrücklich gegen die Sterbehilfe aus. Nach seiner Ansicht ist oftmals Einsamkeit das eigentliche Motiv des Sterbewunschs, weshalb eine umfassende Betreuung für schwer kranke und verzweifelte Menschen von besonderer Bedeutung sei. Für Müntefering ist dies der richtige Weg, der gegangen werden muss, und gerade "nicht der leichte Weg des Ausstiegs" in Form der Sterbehilfe.
Nicht jeder kann und will die Angst und Schmerzen weiter ertragen
Der Todkranke, der nur aus Gründen der Einsamkeit und seiner Angst vor dem Sterben in die Hände von organisierten Sterbehilfeorganisationen getrieben wird, ist ein beliebtes Motiv in der Debatte. Dem schließt sich oft der Hinweis auf die Möglichkeiten der modernen Palliativmedizin an. Niemand müsse heute mehr leiden. Liebe und Pflege seien die Lösung für alle sich ergebenden Probleme.
Das mag für Herrn Müntefering zutreffend gewesen sein. Man sollte aber respektieren, wenn jemand für sich zu dem Schluss kommt, nicht lebens-, sondern leidensmüde zu sein. Nicht jeder kann und will die Angst und Schmerzen weiter ertragen, die ihm eine Krankheit zufügt. Die Bewertung dessen, was der Einzelne an Leid ertragen kann, sollte nicht bei denen liegen, die letztlich nur Zuschauer sind.
Sterbehilfe als "leichten Ausstieg" zu bezeichnen, ist respektlos gegenüber denen, die für sich, trotz Liebe und Pflege, keinen anderen Ausweg mehr sehen. Der Entschluss, sterben zu wollen, ist wohl mit die schwerste Entscheidung, die ein Mensch in seinem Leben fällen kann. Wer miterlebt hat, welche Anstrengungen ein todkranker Angehöriger auf sich nehmen muss, um sich diesen letzten Wunsch zu erfüllen, empfindet die gegenwärtige Diskussion schlicht als empörend.
Rechtslage zwingt zur Einsamkeit
Was also machen diejenigen, die – provokativ gefragt – trotzdem aussteigen wollen?
In Deutschland werden sie mit einer rechtlichen Situation konfrontiert, die sie geradezu zur Einsamkeit zwingt. Wer einen Dritten um aktive Sterbehilfe bittet, beispielsweise durch das Spritzen eines tödlichen Medikaments, verlangt von diesem, sich wegen "Tötung auf Verlangen" strafbar zu machen. Darauf steht eine Freiheitstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Legal ist lediglich die passive Sterbehilfe der Palliativmedizin. Hiervon umfasst ist beispielsweise die Verabreichung von hohen Dosen schmerzstillender Mittel und eventuell die Einstellung der Nahrungs-und Flüssigkeitsversorgung.
Straffrei ist ferner die Selbsttötung: Tatopfer der Paragrafen für Mord und Totschlag ist jeweils "ein Mensch". Gemeint ist damit "ein anderer Mensch". Da man selbst aber kein "anderer" sein kann, fehlt es am tauglichen Tatobjekt. Weil es keine Haupttat gibt, ist auch die Beihilfe zum Suizid straffrei.
Daher bringt der Sterbewillige seine Angehörigen oder Freunde nicht in rechtliche Gefahr, wenn er diese über seinen Entschluss, zu sterben, unterrichtet. Ebenso ist es zumindest strafrechtlich unproblematisch, wenn diese ihn bei der Vorbereitung des Suizids begleiten. Allerdings gibt es in Deutschland auch bei einer letalen Diagnose keine legale Möglichkeit, ein Medikament zum Zwecke der Selbsttötung zu erhalten.
Sterbehilfe in Deutschland: . In: Legal Tribune Online, 15.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10667 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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