Mit dem Ortungsgerät AirTag von Apple sollen Menschen eigentlich nur Sachen wiederfinden. Heimlich untergeschoben eignet es sich aber auch zum Stalking. Lena Leffer und Michelle Weber analysieren, ob das Tracking von Personen strafbar ist.
Seit rund einem Jahr sind die sogenannten AirTags von Apple auf dem Markt. Ein AirTag ist ein münzgroßes Gerät, das an andere Gegenstände angebracht wird, um diese mittels aktivierten Bluetooth wiederfinden zu können – etwa Schlüsselbunde, Portemonnaies oder ganze Handtaschen. Sie laden allerdings auch zur missbräuchlichen Nutzung ein.
Die wohl häufigste Zweckentfremdung geschieht als Tracking von Privatpersonen durch das unbemerkte Zustecken eines AirTags – etwa in die Handtasche – oder das unbemerkte Einbringen des Gerätes in die Karosserie eines Autos, um einen günstigen Moment für dessen Diebstahl abzupassen. Exotischere Anwendungsmöglichkeiten – sind etwa die Nutzung der AirTags zur Aufdeckung geheimer Tarnbehörden des Bundesinnenministeriums durch die Hackerin Lilith Wittmann oder das Tracking russischer Truppenbewegungen mithilfe geplünderter Apple-Produkte durch die ukrainische Bevölkerung.
Warnmeldungen nur für Apple-Nutzer
Ursprünglich entwickelt wurde der knopfgroße Tracker, um ihn an einem beliebigen Gegenstand wie etwa Koffer, Schlüssel, Handtasche oder Fahrrad zu befestigen und deren Standort mithilfe der "Wo ist?"-App des iPhones zu überwachen. Ein AirTag wird über Bluetooth mit dem Apple-Gerät (iPhone, iPad, MacBook) des jeweiligen Nutzers verbunden und in das Apple-Netzwerk eingepflegt. Über ein verschlüsseltes Bluetooth-Signal wird anschließend anderen Apple-Geräten in der Umgebung die Anwesenheit des AirTags mitgeteilt, die den Standort dann an den Nutzer des AirTags senden. Das AirTag selbst verfügt über keinen GPS-Tracker.
In der "Wo ist?"-App kann nur der Nutzer des AirTags auf einer Karte erkennen, wo sich dieses befindet. Zumindest iPhone-Nutzer sollen zum Schutz vor ungewolltem Tracking eine Warnmeldung erhalten, dass sich ein fremdes AirTag mit ihnen fortbewegt. Außerdem soll das AirTag nach einiger Zeit einen Warnton abspielen. Im Selbsttest der Autorinnen erfolgte eine solche Warnmeldung auf das iPhone allerdings erst nach 24 Stunden. Der Lautsprecher in den AirTags ist zudem mit einfachen Mitteln zu zerstören – Anleitungen dazu finden sich bereits im Internet. Für Besitzer von Android-Geräten existiert eine solche automatische Hintergrunderkennung bisher nicht.
Täter ist auch Berechtigter der Standortdaten
Im Strafgesetzbuch (StGB) findet sich keine Vorschrift, die ein entsprechendes Verhalten pönalisiert. Neben Hausfriedensbruch nach § 123 Abs. 1 StGB, dessen intendierter Schutz durch ein eingebrachtes AirTag nicht beeinträchtigt wird, liegt auch kein gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten nach § 126a StGB vor. Letzterer verbietet lediglich die eine Person gefährdende Verbreitung derer Standortdaten – nicht aber die vorherige unrechtmäßige Erlangung.
Auf den ersten Blick naheliegend scheint eine Strafbarkeit wegen des Ausspähens von Daten nach § 202a StGB. Das Sonderdelikt setzt voraus, dass die ausgespähten Daten nicht für den Täter bestimmt sind. In der Konstellation des unerlaubten Trackings mit einem AirTag erhält der Täter aber keine Daten mit fremder Zweckbestimmung, da er selbst Verfügungsberechtigter der AirTag-Daten ist. Dass sich diese mit dem Standort des durch das Gerät verfolgten Opfers decken, ändert nichts an der Verfügungsberechtigung des Täters über die Standortdaten seines Gerätes.
Untergeschobenes Gerät bei Reform nicht bedacht
Auch mit der Erweiterung der Strafbarkeit nach § 238 StGB um sog. "Cyberstalking und Cybermobbing"-Konstellationen durch eine Gesetzesänderung vom 10. August 2021 wurde der Problematik nicht entgegengetreten. Die Voraussetzungen der Strafbarkeit des Stalkings wurden von einem "beharrlichen" zu einem "wiederholten" Nachstellungsverhalten und von einer "schwerwiegenden" zu einer "nicht unerheblichen" Beeinträchtigung der Lebensgestaltung herabgesetzt und drei weitere den Bereich des Cyberstalkings betreffende Tatmodalitäten in den Katalog von § 238 Abs. 1 StGB aufgenommen.
Da aber zur Platzierung des AirTags weder wiederholt die räumliche Nähe des Opfers aufgesucht wird noch Kontakt im Sinne einer kommunikativen Verbindung zu der verfolgten Person hergestellt werden muss, scheiden § 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB bereits aus. Die neu eingefügte Nr. 5 erfasst die Nachstellung durch eine Tat nach §§ 202 bis 202c StGB und setzt mithin das Vorliegen einer solchen (zumindest rechtswidrigen) Tat voraus, die in der Konstellation des unerlaubten Trackings einer Privatperson regelmäßig nicht gegeben ist.
Bereits der Gesetzgeber sieht lediglich Sachverhaltskonstellationen erfasst, bei welchen der Täter Passwörter errät, sich durch Hacking-Methoden bzw. Stalking-Ware Zugang zu dem Gerät oder Nutzerkonto des Opfers verschafft oder virtuell in E-Mail- oder Social-Media-Konten des Opfers eindringt. Dabei hat der Gesetzgeber zwar das Infiltrieren eines opfereigenen Nutzerkontos oder Gerätes von außen bedacht, nicht aber die Datenerlangung durch ein externes, dem Opfer untergeschobenes Gerät.
Es bleibt nicht mal der Auffangtatbestand
Einzig eine Strafbarkeit entsprechend des Auffangtatbestands in § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB, der eine mit den Nr. 1-7 vergleichbare Handlung des Täters verlangt, scheint in der vorliegenden Situation denkbar. Die pauschale Formulierung des Nachstellens durch "andere vergleichbare Handlungen" ist im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot in Art. 103 Abs. 2 GG aber verfassungsrechtlich mindestens problematisch. Versuche des Gesetzgebers, sich durch eine "verfassungsrechtlich zulässige, gesetzlich angeordnete innertatbestandliche Analogie" dieser Problematik zu entziehen, können indes nicht überzeugen und helfen nicht über das Fehlen der übrigen Voraussetzungen der Vorschrift hinweg.
Eine wiederholte Begehung, die geeignet ist, die Lebensgestaltung der anderen Person nicht unerheblich zu beeinträchtigen, wird regelmäßig nicht vorliegen. Die Platzierung des AirTags erfolgt einmalig – selbst wenn in der mehrfachen Aktualisierung der "Wo ist?"-App ein wiederholtes Handeln gesehen würde, ist die Bewertung bereits fraglich, wenn etwa die App geöffnet bleibt und der Täter abwartet, bis der Standort des AirTags aktualisiert wird und die Bewegung des Opfers live (oder mit unwesentlichem zeitlichen Versatz) verfolgt wird.
Auch eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers ist insoweit unwahrscheinlich, als dass das AirTag dazu erst einmal bemerkt werden müsste. Selbst wenn dies durch eine Warnmeldung geschieht, genügt ein einziger Klick zur Deaktivierung des AirTags – die Annahme einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Lebensführung wäre abwegig.
Verwerflich ja, strafbar nein
Außerhalb des Kernstrafrechts ist hier auch ein Blick in die Strafvorschrift des § 42 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) notwendig. Umstritten ist allerdings bereits, ob bei einem Handeln von Privatpersonen das BDSG überhaupt Anwendung findet. Dessen Anwendungsbereich bestimmt sich nach § 1 Abs. 1 S. 1, 2 BDSG. Entsprechend der Bereichsausnahme in § 1 Abs. 1 S. 2 BDSG scheidet die Anwendbarkeit bei nichtöffentlichen Stellen allerdings dann aus, wenn die Verarbeitung ausschließlich zu familiären oder privaten Zwecken erfolgt.
Hier ist davon auszugehen, dass der Täter aus einem persönlichen Interesse an dem Standort des Opfers das AirTag in dessen Sachen verstaut. So verwerflich das unbemerkte Tracken einer anderen Person auch sein mag, erfolgt dieses nicht zur Ausübung einer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit. Auch § 27 Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) zählt zum sog. Datenschutzstrafrecht. Sofern man den verschiedenen Verweisungen der Norm folgt, wird allerdings auch hier deutlich, dass eine Strafbarkeit ausscheidet. Denn der Täter ist selbst Empfänger der Nachricht des AirTags im Sinne des § 5 Abs. 1 TTDSG; darüber hinaus stellt das AirTag keine Telekommunikationsanlage dar.
Umso kreativer sich die (missbräuchlichen) Einsatzmöglichkeiten der AirTags darstellen, desto wachsamer muss der Gesetzgeber die Entwicklungen verfolgen und darauf reagieren. Insofern scheint die Legislative zwar für die grundsätzliche Problematik des Cyberstalkings – ausweislich der Anpassung des § 238 StGB – sensibilisiert, die Umsetzung kann aber als unzureichend bezeichnet werden und wird die Gerichte in naher Zukunft vor eine unvorhergesehene – aber vorhersehbare – Strafbarkeitslücke stellen.
Die Autorin Ass. iur. Lena Leffer ist Geschäftsführerin des Deutschen EDV-Gerichtstages e.V.
Die Autorin Ref. iur. Michelle Weber ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden und Doktorandin an der Universität des Saarlandes.
Strafbarkeit der Ortung von Personen durch Apple AirTag: . In: Legal Tribune Online, 20.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48185 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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