2/2: Man kriegt, was man bezahlt: Der Webdesignvertrag
Kritischer fällt da die Einschätzung von Prof. Klaus Gennen zum Webdesignvertrag aus. Der im Handelsblatt in der Sparte Best Lawyers 2013 ausgezeichnete Fachanwalt für IT- und für Arbeitsrecht stört sich bereits am Drumherum der Vertragsgenerierung. Die Ausgabe als PDF-Datei sei unhandlich, weil sie keine Modifikationen zulasse. Die Notwendigkeit, vorab zu bestätigen, dass SmartLaw "nicht uneingeschränkt für die Richtigkeit der Inhalte haftet", trage nicht gerade zum Vertrauen in das Angebot bei. Es handele sich auch nicht um ein nach Kundenspezifikationen angefertigtes, "maßgeschneidertes" Produkt, denn tatsächlich bestehe der Vertrag aus fertigen Bausteinen, die lediglich anhand der wenigen getätigten Angaben zusammengesetzt und mit einer Handvoll individueller Daten – darunter dem Vertragsrubrum – versehen würden.
Was die Abfragen und Angaben angeht, so sieht Gennen Nachbesserungsbedarf, insbesondere im Hinblick auf die fachliche Tiefe der begleitenden Erklärungen. Dem rechtsunkundigen Benutzer werde zum Beispiel nicht hinreichend deutlich und ausführlich erklärt, was die Vor- und Nachteile etwa von Teillieferungen und -abnahmen sind, so dass er nur schwerlich zu einer interessengerechten Entscheidung gelangen könne. Zudem gebe es sinnvolle individuelle Gestaltungsmöglichkeiten, etwa im Hinblick auf Sach- und Rechtsmängelhaftung, die man in einen über SmartLaw angefertigten Vertrag aber nicht aufnehmen könne: Das dort erstellte Dokument hält Gennen eindeutig für Allgemeine Geschäftsbedingungen, die einer strengeren Inhaltskontrolle unterliegen als individuell ausgehandelte Konditionen. Und das sei, entgegen dem Versprechen auf der Webseite, nicht "maßgeschneidert", sondern vielmehr ein Standardwerk, erzeugt anhand einiger weniger Standardabfragen. "Vielleicht reicht das aber für das eine oder andere Standardprojekt, und dafür ist es wohl auch gedacht", so Gennen.
Ohnehin sei die Ergründung der Frage, was genau der Mandant eigentlich braucht, zentraler Bestandteil bei der Vertragsgestaltung, der durchaus 50 Prozent der insgesamt benötigten Zeit des Anwalts in Anspruch nehmen könne. Gerade komplexeren Web-Projekten mit dementsprechend komplexen Kundenwünschen und individuellen Lösungen könne das SmartLaw-Formular nicht entsprechen - erst recht nicht, wenn sich im Laufe des Projekts Änderungswünsche ergäben. Ein solcher nachträglicher Änderungsbedarf entsteht aber gerade im IT-Bereich sehr häufig.
Neben dieser generellen Kritik bemängelt Gennen auch einige konkrete Punkte: So bleibe etwa unklar, ob der Samstag einen Werktag im Sinne des Vertrages darstelle, für den Fall der Verletzung der Geheimhaltungsabrede durch den anderen Vertragspartner fehle es an einer (wirksamen) Vertragsstrafe und die salvatorische Klausel sei womöglich unwirksam. Schließlich sei die Aufteilung maßgeblicher Angaben über den Vertragstext einer- und die Leistungsbeschreibung andererseits missglückt, weil unübersichtlich und zum Teil uneinheitlich.
Trotz alledem räumt aber auch Gennen ein, dass der Vertrag für Standardwebprojekte "in Teilen durchaus nützlich" sei. Und lässt sich zu etwas hinreißen, was man mit viel Wohlwollen als Lob verstehen kann: "Der Vertrag kostet nur 29 Euro. Ich würde sagen, die ist er auch wert."
Nicht zu empfehlen: Der Geschäftsführervertrag
Der teuerste unter den SmartLaw-Verträgen ist mit 69 Euro der Geschäftsführervertrag. Die Hamburger Rechtsanwälte Dr. Peter Christian Schmidt und Dr. Johan-Michel Menke, Spezialisten im Arbeits- und Gesellschaftsrecht bei Heuking Kühn Lüer Wojtek, einer der führenden Wirtschaftskanzleien, spüren gleichwohl arge Mängel auf.
Schmidts Kritik setzt gleich ganz am Anfang, nämlich beim Abschluss des Vertrages an: "Das Formular sowie die beigefügten Hinweise sind bestenfalls ungenau, was die Vertretung der GmbH beim Abschluss des Anstellungsvertrages angeht; insoweit wird die GmbH nämlich nicht wie sonst durch einen oder mehrere Geschäftsführer/Prokuristen, sondern durch die Gesellschafterversammlung, das heißt also grundsätzlich sämtliche Gesellschafter vertreten. Das Vorliegen eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses reicht im Gegensatz zu den Hinweisen zum Formular zur wirksamen Vertretung nicht aus."
Menke hingegen fasst die Bestimmungen für die Zeit nach Vertragsbeendigung in den Blick: "Hier vermissen wir die Option eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots oder zumindest einen Hinweis darauf. Dies überrascht, weil die Gesellschafter praktisch immer verhindern möchten, dass ein Geschäftsführer ihrem Unternehmen nach Ausscheiden Konkurrenz macht oder Mitarbeiter abwirbt."
Und auch zwischen diesen beiden zeitlichen Fixpunkten haben die Anwälte einiges zu bemängeln. So sei die vorgesehene Verschwiegenheitsklausel zu pauschal und damit wirkungslos, wenn nicht gar unwirksam. Angesichts der umfassenden gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht hätte SmartLaw besser - dem eigenen Wahlspruch schlanker Vertragsmuster folgend - auf die überflüssige Klausel verzichtet, so die Experten. Sinnvolle Regelungen, die den beiden Anwälten im Vertrag wiederum fehlen, betreffen zum Beispiel Altersversorgung, Dienstwagen oder Manager-Haftpflichtversicherung (D&O-Versicherung). Ihr Fazit daher: "Für die Praxis ungeeignet."
Eine gemischte Bilanz
Kritikpunkte fanden sich also bei allen Vertragsmustern, wenn auch in unterschiedlich hoher Zahl. Stets bemängelten die Experten zu geringe Individualisierungsmöglichkeiten und Beratung, was bei einem computergenerierten Vertrag wenig erstaunt. Darüber hinaus haben sie zum Teil kleinere Ungenauigkeiten, zum Teil aber auch gravierende Lücken ausgemacht. Kurzum: Die SmartLaw-Verträge sind durchaus nicht perfekt, und gerade für jemanden mit sehr individuellen Gestaltungswünschen eher nicht zu empfehlen.
Allerdings ist es nicht so, als ob ein nach Kundenwunsch vom Anwalt entworfener Vertrag stets lücken- und makellos gelingen würde. Auch dort können sich selbstverständlich Fehler einschleichen, bei einem nachlässig arbeitenden Anwalt sogar ganz beträchtliche. Zumindest der Grad an persönlicher Absprache und Abstimmung sollte jedoch ein höherer sein. Aufgabe eines Anwalts ist es schließlich nicht nur, einen rechtssicheren Vertragstext zu entwerfen. Viel wichtiger ist es, herauszufinden, wie die sachlichen Voraussetzungen sind, welche Bedürfnisse der Mandant hat und eventuell zukünftig haben wird und welche rechtliche Konstruktion gerade diese Bedürfnisse befriedigen kann.
Im Ergebnis wird somit jeder selbst entscheiden müssen, was ihm lieber ist: Die Geschwindigkeit und deutliche Kostenersparnis bei SmartLaw oder die bessere Beratung und der feiner geschliffene Entwurf eines Experten aus Fleisch und Blut. Gerade bei stark individuellen Gestaltungswünschen oder Verträgen mit hoher wirtschaftlicher Bedeutung dürfte die Tendenz zu letzterem gehen.
Constantin Baron van Lijnden, SmartLaw im Test: . In: Legal Tribune Online, 29.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10206 (abgerufen am: 20.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag