Nach dem Familiennachzug haben sich Union und SPD nun auch beim Thema Pflege geeinigt. Casus knacksus bei den Verhandlungen bleibt die sachgrundlose Befristung. Naemi Groh mit Fakten, der Rechtslage und einer klaren Meinung.
Beim Thema sachgrundlose Befristungen scheinen die Fronten zwischen den Koalitionspartnern verhärtet zu sein. Zwar hatten sich Union und SPD vor der Bundestagswahl beide dem Ziel der Vollbeschäftigung verschrieben. Beim Thema Befristung aber zeigten sich schon damals deutliche Differenzen.
Während die SPD die sachgrundlose Befristung abschaffen, die Sachgründe für Befristungen einschränken und Kettenbefristungen begrenzen will, spricht sich die Union ausdrücklich für Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt aus und will nur offenkundige Missbräuche abstellen.
Das Sondierungspapier vom 12. Januar enthält zu dem Thema keine inhaltlichen Aussagen. Der SPD-Parteitag sah danach erheblichen Nachholbedarf. Er hält an den im Regierungsprogramm aufgeführten Maßnahmen zur Reduzierung der Anzahl befristeter Arbeitsverhältnisse fest; und damit auch an der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung.
Besonders häufig befristet: junge Arbeitnehmer und Wissenschaftler
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag Deutschland im Jahr 2016 mit einer Befristungsquote von 8,5 Prozent unter allen abhängig Beschäftigten ab 25 Jahren deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 11,3 Prozent. Seit 1991 ist die damalige Befristungsquote von 5,9 Prozent somit um knapp drei Prozentpunkte gestiegen.
Nachdem sie phasenweise mehrfach geringfügig gesunken war, steigt die Quote seit 2015 wieder leicht an. Laut Auskunft der Bundesregierung erhielten im Jahr 2016 rund 45 Prozent der neu eingestellten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Knapp die Hälfte aller Befristungen ist sachgrundlos.
Überproportional häufig sind Befristungen bei jungen Arbeitnehmern zwischen 25 und 34 Jahren. In dieser Bevölkerungsgruppe ist der Befristungsanteil in den vergangenen 20 Jahren von 9,6 auf 18,1 Prozent im Jahr 2016 angestiegen, nach Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung sind über 60 Prozent der befristet Beschäftigten unter 35 Jahre alt.
Besonders häufig wird auch im öffentlichen Dienst befristet. Laut Analysen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung lag der Befristungsanteil im gesamten öffentlichen Dienst, d.h. inklusive des Wissenschaftsbetriebs, im Jahr 2014 bei 10,4 Prozent, allein im Wissenschaftsbetrieb sogar bei über 40 Prozent.
Was Befristung bedeutet
Dass Arbeitsverträge befristet werden können, folgt aus § 620 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Einzelheiten regelt das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), für besondere Arbeitsverhältnisse gibt es darüber hinaus Spezialnormen, so beispielsweise für den Bereich der Wissenschaft in § 2 des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (WissZeitVG).
Befristete Arbeitsverhältnisse enden automatisch, also ohne dass es einer Kündigung bedarf. Eine vorzeitige ordentliche Kündigung ist ausgeschlossen, es sei denn, Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben deren Zulässigkeit vertraglich vereinbart oder diese Möglichkeit ist tarifvertraglich vorgesehen.
In der Regel kann einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer daher lediglich außerordentlich gekündigt werden. Er genießt zwar keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), weil das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Befristungszeitraums bzw. Erreichen des Befristungszwecks automatisch endet. Dafür droht ihm ein vorzeitiges Ende des Arbeitsverhältnisses aber auch nur dann, wenn die hohen Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung vorliegen.
Das Problem: die Befristung ohne Grund
Das TzBfG unterscheidet zwischen Befristungen mit und ohne Sachgrund. Gesetzlich anerkannte Sachgründe sind beispielsweise die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder die Vergütung aus befristeten Haushaltsmitteln. Gibt es einen solchen sachlichen Grund i.S.d. § 14 TzBfG, kann das befristete Arbeitsverhältnis grundsätzlich wiederholt verlängert werden. Solche sog. Kettenbefristungen hält das Bundesarbeitsgericht nur in extremen, rechtsmissbräuchlich gestalteten Konstellationen wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben für unwirksam.
Ohne einen sachlichen Grund erlaubt § 14 TzBfG drei verschiedene Arten sachgrundloser Befristung: Stets zulässig ist eine Befristung bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren. Auf bis zu vier Jahre kann man einen Vertrag befristen, der innerhalb der ersten vier Jahre nach der Gründung eines neuen Unternehmens erfolgt. Und schließlich ist eine Befristung bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren möglich, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des Arbeitsverhältnisses mindestens 52 Jahre alt ist und zuvor mindestens vier Monate arbeitslos war.
Je nach Art der sachgrundlosen Befristung darf das Arbeitsverhältnis innerhalb der zulässigen Gesamtdauer unterschiedlich oft verlängert werden. Während bei der bis zu zweijährigen Befristung höchstens dreimal verlängert werden kann, existiert in den anderen Fällen keine solche Obergrenze.
Unterschiede gibt es auch im Hinblick auf eine etwaige Vorbeschäftigung des Arbeitnehmers. So ist eine Befristung bis zu zwei Jahren ohne Grund oder bis zu vier Jahren nach Neugründung eines Unternehmens nur zulässig, wenn ein früheres unbefristetes oder befristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber – so das BAG – mehr als drei Jahre zurückliegt. Durch dieses sog. Anschlussverbot sollen Kettenbefristungen vermieden werden. Bei älteren, zuvor arbeitslosen Arbeitnehmern ist eine eventuelle Vorbeschäftigung hingegen unschädlich.
Hält ein Arbeitnehmer seine Befristung für unwirksam, muss er innerhalb von drei Wochen nach Ende des befristeten Arbeitsvertrages Entfristungsklage beim Arbeitsgericht erheben. Tut er dies nicht, gilt die Befristung als wirksam und das Arbeitsverhältnis als beendet.
Die nächste Wirtschaftskrise kommt bestimmt
Wenngleich sich auch in der CDU kritische Stimmen melden, die eine Einschränkung der Befristungsmöglichkeiten fordern, wird die Union ein Verbot sachgrundloser Befristungen kaum mittragen, sondern am Hauptziel Vollbeschäftigung festhalten. Für Unternehmen sind sachgrundlose Befristungen – neben Zeit- und Leiharbeit – schließlich eines der wichtigsten Flexibilisierungsinstrumente.
Der Befristungsanteil von rund 8 Prozent ist in den vergangenen zehn Jahren weitgehend stabil geblieben, die Zahl der Übernahmen von befristeter in unbefristete Beschäftigung sogar merklich angestiegen. Wurden 2009 noch 30 Prozent der befristet Beschäftigten übernommen, lag ihr Anteil 2014 schon bei 37,5.
Eine komplette Abschaffung der sachgrundlosen Befristung wäre vor diesem Hintergrund voreilig. Die nächste Wirtschaftskrise kommt bestimmt. Hierauf könnten Unternehmen dann deutlich schlechter reagieren. Es droht ein Rückgang von Neueinstellungen und auch Ausweicheffekte sind denkbar, z.B. ein vermehrter Rückgriff auf Leiharbeit. Deutlich sinnvoller wären gezielte Maßnahmen mit Augenmaß: um junge Arbeitnehmer vor Kettenbefristungen zu schützen und die privilegierten Befristungsmöglichkeiten des WissZeitVG zu beschränken.
Die Autorin Dr. Naemi Groh ist Rechtsanwältin bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Hamburg. Sie berät sowohl deutsche als auch international tätige Mandanten in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.
Koalitionsverhandlungen zur sachgrundlosen Befristung: . In: Legal Tribune Online, 01.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26833 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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