Die Meldung vom Rücktritt des Bundespräsidenten Horst Köhler "mit sofortiger Wirkung" kam völlig überraschend und ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik. Dass Deutschland gleichwohl nicht ohne Staatsoberhaupt dasteht und auch bald über die Nachfolge entschieden sein muss, ist nach den Bestimmungen des Grundgesetzes gewährleistet.
Bundespräsident Horst Köhler ist am 31. Mai 2010 wegen der Kritik an seinen Äußerungen zu Bundeswehreinsätzen zurückgetreten. Köhler hatte gut eine Woche vor seinem Rücktritt in einem Interview gesagt, die Einsätze könnten auch wirtschaftlichen Interessen Deutschlands dienen, zum Beispiel wenn es darum gehe, freie Handelswege zu wahren oder ganze regionale Instabilitäten zu verhindern.
Wie Köhler, der erst im Mai 2009 wiedergewählt worden war, in seiner Rücktrittserklärung sagte, ging die Kritik an dieser Äußerung so weit, dass ihm unterstellt wurde, er befürworte Einsätze der Bundeswehr, die vom Grundgesetz nicht gedeckt wären.
Das Amt des Bundespräsidenten ist vor allem gekennzeichnet durch eine rechts- und verfassungswahrende Kontrollfunktion sowie Repräsentationsaufgaben. Repräsentation meint in erster Linie die Vertretung nach außen (vgl. Art. 59 Abs. 1 GG). Im Gesetzgebungsverfahren obliegt es dem Bundespräsidenten, die verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetze auszufertigen und zu verkünden (Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG). Ohne diesen formalen Akt kann ein Gesetz nicht in Kraft treten.
Übernahme der Amtsgeschäfte durch den Präsidenten des Bundesrates
Der verfassungsmäßige Vertreter des Bundespräsidenten ist der Präsident des Bundesrates (Art. 57 GG). Dieser vertritt den Bundespräsidenten nicht nur im Fall seiner Verhinderung, sondern nimmt seine Befugnisse auch bei vorzeitiger Erledigung des Amtes wahr.
Dementsprechend hat der derzeit amtierende Präsident des Bundesrates, der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen, noch am Tag von Köhlers Rücktritt die Amtsgeschäfte des Staatsoberhauptes übernommen.
Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt, einem eigens hierfür geschaffenen obersten Verfassungs- und Bundesorgan. Sie setzt sich aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Landesparlamenten gewählt werden, zusammen. Dies müssen nicht zwingend Abgeordnete sein. Häufig werden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ausgewählt und so waren in der Vergangenheit Sportler wie Rosi Mittermaier, Karl-Heinz Rummenigge oder Jens Weißflog bzw. sonstige Prominente wie Ottfried Fischer oder Gloria von Thurn und Taxis Mitglied der Bundesversammlung.
Neuwahl spätestens nach 30 Tagen
Für die Neuwahl eines Nachfolgers von Horst Köhler muss die Bundesversammlung spätestens 30 Tage nach dem Rücktritt, also spätestens am 30. Juni einberufen werden (Art. 54 Abs. 4 GG).
Bei allen Turbulenzen, für die Köhlers Rücktritt gesorgt hat, hat diese Regelung wenigstens zur Folge, dass uns langwierige Diskussionen um einen Nachfolgekandidaten erspart bleiben.
Der Autor Dr. Alfred Scheidler ist Oberregierungsrat in Neustadt und Autor zahlreicher Publikationen zum öffentlichen Recht.
Alfred Scheidler, Rücktritt des Bundespräsidenten: . In: Legal Tribune Online, 30.05.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/618 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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