2/2: Die politische Dimension des Verfahrens
So kann es gut sein, dass bei den Angeklagten am Ende des Verfahrens "nur" eine Bestrafung wegen Mitgliedschaft bzw. Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung übrigbleibt. Über die Problematik dieser Vorschrift ist schon viel diskutiert worden, und sie wird anschaulich, wenn der Angeklagte vorträgt, die FDLR sei eine Partei und keine Terrorgruppe – und er sei kein Terrorist, sondern ein ruandischer Oppositionspolitiker.
Wäre die FDLR heute an der Macht, säße jetzt der ruandische Präsident Kagame auf der Anklagebank, führt die Verteidigung aus. Und weist darauf hin, dass Kagame 2008 Deutschland besuchte, wenig später die Kommunikation der Angeklagten observiert und 2009 die Haftbefehle erlassen wurden. Um Licht in die politische Dimension des Verfahrens zu bringen, hat die Verteidigung bereits 2011 die damalige Generalbundesanwältin Monika Harms im Selbstladeverfahren geladen. Über die Hintergründe erfuhr man nichts, wohl aber, dass es sich bei dem Verfahren um eine "Grüne-Kreuz-Sache" handele, der Generalbundesanwalt also verpflichtet ist, direkt dem Bundesjustizministerium Bericht zu erstatten.
Das Ende ist greifbar
Das Zwischenfazit der meisten Prozessbeobachter lautet, es laufe gut für die Angeklagten. Mittlerweile wurden von den 16 Anklagepunkten elf eingestellt und die vollendete Vorgesetztenverantwortlichkeit vom Gericht in Frage gestellt. Im Dezember 2011 hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag die Anklage gegen den ehemaligen FDLR-Exekutivsekretär unter ähnlichen Erwägungen gar nicht erst zugelassen. Und die vielen Widersprüchlichkeiten bei den Zeugenaussagen, die Ungenauigkeiten bei der Übersetzung und die intransparente Zeugenauswahl verstärken den Verdacht, dass ein deutscher Gerichtssaal vielleicht der falsche Ort ist, um die Geschehnisse in Kipopo, Busurungi und Butolonga aufzuklären.
Solange die Angeklagten aber weiterhin in U-Haft sitzen, werden sie dem bisherigen Prozessverlauf wenig Positives entnehmen können. Ein Freispruch erscheint unwahrscheinlich, aber völlig offen ist, ob es tatsächlich zum ersten Mal zu einer Verurteilung wegen einer Norm aus dem VStGB kommt. Zurzeit bescheidet der Senat die offenen Beweisanträge der Verteidigung aus den Jahren 2011 bis 2015.
Erwartet wird, dass das Verfahren noch in diesem Jahr zum Abschluss gelangt, inklusive der womöglich mehrere Tage währenden Schlussplädoyers. Das Urteil des OLG Stuttgart wird aber ohnehin nur die erste Etappe sein - darüber sind sich alle Prozessbeteiligten im Klaren. Denn dieser Fall wird nicht nur in den deutschen Rechtsgeschichtsbüchern, sondern auch – sofern nicht der Bundesgerichtshof oder das Bundesverfassungsgericht Abhilfe verschafft – vor dem EGMR in Straßburg landen.
Der Autor Rolf Merk war früher Strafverteidiger und ist jetzt Referatsleiter im Hessischen Ministerium der Justiz. Er verfolgt das Strafverfahren vor dem OLG Stuttgart seit dem Beginn im Mai 2011.
Erster Prozess nach dem Völkerstrafgesetzbuch: . In: Legal Tribune Online, 04.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15429 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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