2/2: Wortwahl – sexualisierte Sprache
Dass sich ein Richter bei öffentlichen Auftritten auch in der Wortwahl zurückhalten sollte, ist dem Mäßigungsgebot immanent. Es gilt nicht nur für Inhalte, sondern auch für die Art und Weise, wie diese geäußert werden. Hier ein paar Beispiele:
- Spott über einen Zeitungsbeitrag, in dem das Wort "pimmeln" vorkommt: "Seit dem... wird in der Zeitung für Deutschland zurückgepimmelt!... Und so kommt es, dass die Stimmen übermächtig werden: 'Bimmeln, Himmeln, Schimmeln, Wimmeln, Pimmeln!'" – Will man so etwas wirklich in der "Rechtskolumne" eines Vorsitzenden Bundesrichters lesen?
- Wer den Bundestagsabgeordneten Edathy wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften verfolgt wissen wolle, möge doch "...vorerst einmal die eigenen Wichsvorlagen zur Begutachtung an die Presse übersenden."
- Über die Beschuldigte in einem laufenden Strafverfahren: "Das... Nettoeinkommen dieser Beschuldigten müsste demnach bei etwa 400 Euro pro Tag ... liegen, was plausibel ist, denn als Mensch mit dem Beruf 'Vorzeigen-von-dicken-Silikonbrüsten' sollte man schon deutlich mehr verdienen als der Präsident eines obersten Bundesgerichts."
Herabwürdigung von Kritikern und Vertretern abweichender Auffassungen
Von einem Richter erwartet man unvoreingenommene Entscheidungen, die möglichst wenig von Emotionen beeinflusst sind. Deshalb sollte sich ein Richter bei öffentlichen Äußerungen gerade auch dann zurückhaltend äußern, wenn er das Verhalten anderer kritisch kommentiert (besonders bei Kritik an staatlichen Institutionen oder Repräsentanten). Agiert ein Richter unmäßig beleidigt auf Kritik seiner Person oder Ansichten, dürfte bei Verfahrensbeteiligten leicht die Besorgnis aufkommen, dass auch sie bei abweichenden Auffassungen nicht mit einer ausgewogenen Behandlung rechnen dürfen. Hierzu folgende Beispiele:
- Über den kritischen Artikel einer Journalistin: "...erweist sich schon im Ansatz als wirre Desinformation. Die Autorin scheint das selbst zu ahnen... Die Autorin hat vom Thema ihres Beitrags ersichtlich so gut wie nichts verstanden... Ist das noch Unvermögen oder schon 'Lüge'?... Was für ein Unsinn!"
- Über die Äußerung einer Bundestagsabgeordneten in einer Bundestagsdebatte zur Reform des Sexualstrafrechts: "Das ist, liebe Leser: Hegel, Marx, Mead, Honecker, Oktoberfest und Nach-vorne-Ficken in einem..."
- Über den Beitrag einer Autorin im Zusammenhang mit der Diskussion um die Reform des Sexualstrafrechts: "Das ist die Karikatur von seriösem Journalismus. Es ist das Betätigen einer polemisch-suggestiven Verdrehungsmaschine... und der glatte Missbrauch von journalistischer Macht... Woraus sich das der Journalistin mit solcher Evidenz erschließt, dass die primitivsten Regeln ihres Berufs und die simpelsten Einsichten des Verstands bei ihr nicht mehr wirken, ist unbekannt. Ich fürchte: irgendwie aus den Hormonen... Man mag das kaum 'Journalismus' nennen. Es sollte heißen, was es ist: Hetze."
- Über den Beitrag einer Autorin im Zusammenhang mit der Reform des Sexualstrafrechts, in dem es um den Vergleich des Schutzes von Sachen mit dem Schutz des eigenen Körpers geht: "Wir wollen jetzt hier nicht darüber streiten, ob das dummes Zeug ist und ob eine Person, die ihre Vagina mit ihrem Geldbeutel gleichsetzt, vielleicht nicht mehr alle Tassen im Schrank hat..."
- Über Äußerungen des Bundesministers für Justiz: "An diesem Satz ist alles falsch und unverständlich... Anmerkung: irreführend... All das ist unverständlich."
Halte Maß!
Mäßigung ist nicht modern. Deftige Zuspitzung, Ironie, Sarkasmus, die Herabwürdigung von Kritikern und die Verwendung von sexualisierter Sprache sind ja auch viel unterhaltsamer, insbesondere wenn sie unter Hinweis auf ein hohes Richteramt in den öffentlichen Raum gelangen. Gerade Richter sollten hingegen Vorbild beim Einhalten gesetzlicher Regeln (§ 39 DRiG) sein, auch wenn diese ihre persönliche Entfaltung im Interesse gemeinschaftlicher Belange eingrenzen.
Die Privilegien des Richteramts wie die damit verbundene äußere Unabhängigkeit und das hohe Ansehen dieses Amtes in Anspruch zu nehmen, ohne die damit einhergehenden Pflichten des Mäßigungsgebots zu beachten, kann auf Dauer nicht gutgehen. In modernen Zeiten hilft manchmal der Blick zurück. Im alten Griechenland standen am Eingang des berühmten Orakels in Delphi zwei Mahnungen, deren Beherzigung man gerade heute manchem Kollegen empfehlen möchte: "Erkenne Dich selbst!" und "Halte Maß!"
Der Autor Prof. Dr. Andreas Mosbacher ist Richter am Bundesgerichtshof, wo er dem u.a. für Steuerstrafsachen zuständigen 1. Strafsenat angehört, und Honorarprofessor für Strafrecht und Strafprozessrecht, insbesondere Wirtschaftsstrafrecht und Revisionsrecht, an der Universität Leipzig.
Richterliches Mäßigungsgebot und moderne Medien: . In: Legal Tribune Online, 25.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20094 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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