2/2: Neue Lösung, neue Probleme
All das hat nicht gereicht. Darum soll nunmehr ein neuer § 8d KStG Abhilfe schaffen, der den bestehenden § 8c KStG ergänzt. Die bisherigen Verlustverrechnungsbeschränkungen werden also mitnichten abgeschafft. Stattdessen erhalten Unternehmen durch den neuen § 8d KStG ein Wahlrecht. Sie dürfen beantragen, bestehende Verluste nach einem Anteilseignerwechsel bzw. –hinzutritt fortzuführen, müssen dann aber auch den bisherigen Geschäftsbetrieb unverändert fortführen. Weitere Bedingung: Der Geschäftsbetrieb muss vor dem Anteilseignerwechsel bereits mindestens drei Jahre existiert haben. Die Bundesregierung hofft, hierdurch einerseits den Handel mit "Verlustmänteln" zu verhindern, andererseits aber keine Expansionshemmnisse zu schaffen.
Das klingt gut – wird aber durch neue Probleme erkauft.
Bereits die Bedingung, den bisherigen Geschäftsbetrieb unverändert fortführen zu müssen, wirkt aus der Zeit gefallen. Wirtschaft ist schnelllebig. Jedes Unternehmen muss permanent den Markt beachten und sich hierauf einstellen. Fälle wie Nokia oder Motorola sind eindrucksvolle Beispiele, welches Schicksal bei Verschlafen von Markttrends oder Festhalten an überkommenen Geschäftsmodellen droht. Durch das Festschreiben des bisherigen Geschäftsbetriebs droht eine Strukturkonservierung und damit nur ein neues steuerliches Hemmnis.
Unsicherheiten dürften Investoren abschrecken
Streit wird sich auch daran entzünden, was denn konkret ein "Geschäftsbetrieb" bedeutet oder wann ein solcher steuerlich als eingestellt gilt. Im Gesetzeswortlaut des Entwurfs sind diese Tatbestandsmerkmale nämlich nicht näher definiert. Lediglich die Gesetzesbegründung nennt Beispiele und Kriterien, wie etwa die angebotenen Produkte, Dienstleistungen oder den Kundenkreis. Die Gesetzesbegründung ist aber nur eine von mehreren Auslegungshilfen. Verbindlich ist sie nicht, sodass schon jetzt Prozesse um die richtige Auslegung absehbar sind. Bis zur höchstrichterlichen Klärung würden Jahre der Unsicherheit vergehen – Gift für ein investitionsfreundlicheres Klima.
Hinzu kommt, dass in anderem steuerlichen Zusammenhang abweichende Regelungen zum Begriff Gewerbebetrieb und zur Betriebsaufgabe bestehen. Vor diesem Hintergrund ein solch zentrales Tatbestandsmerkmal offenzulassen, erscheint zweifelhaft bis verwegen.
§ 8d: Die beste schlechte Lösung
Wie man es auch dreht und wendet, eine Patentlösung ist nicht ersichtlich. Systematisch konsequent wäre es, § 8c KStG mit dessen Verlustverrechnungsbeschränkungen komplett abzuschaffen. Der jetzt vorgeschlagene neue § 8d KStG wäre dann überflüssig. § 8c KStG ist systematisch nämlich ein Fremdkörper im geltenden Besteuerungskonzept. Für die Körperschaftsteuer ist streng zwischen der Kapitalgesellschaft einerseits und deren Anteilseignern andererseits zu trennen. Als juristische Personen sind die Kapitalgesellschaften eigenständige Steuersubjekte. Die Anteilseigner werden gesondert besteuert. Erst die Vermischung dieser Aspekte schafft die Probleme, die jetzt ein neuer § 8d KStG lösen soll.
Aus steuersystematischer Sicht ist der Handel mit Verlustmänteln hinzunehmen. Politisch dürfte dieser radikale Ansatz wegen des Steuerausfallrisikos aber nicht umsetzbar sein. Insofern ist der jetzige Entwurf eines § 8d KStG zumindest eine Verbesserung des Status quo.
Der Verfasser ist Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht sowie Rechnungslegung an der Leibniz-Fachhochschule in Hannover und zugleich Steuerberater, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Toppenstedt bei Hamburg.
Reform steuerlicher Verlustverrechnung: . In: Legal Tribune Online, 20.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20928 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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