Die InsO sorgt stellenweise für massives Risiko, insbesondere die Insolvenzanfechtung kann Gläubiger noch nach Jahren treffen. Alexandra Schluck-Amend hält die kommende Reform für förderlich, meint aber, dass mehr möglich gewesen wäre.
Mitte Februar verabschiedete der Bundestag einen Gesetzesentwurf zur Reform des Insolvenzanfechtungsrechts. Anlass dazu gaben die (Hilfe-)Rufe aus der Praxis, auf die in der Begründung des Gesetzesentwurfs verwiesen wird. So wird unter anderem kritisiert, "dass das geltende Insolvenzanfechtungsrecht – jedenfalls in seiner praktischen Handhabung durch die Insolvenzverwalter und die Instanzgerichte – den Wirtschaftsverkehr mit unverhältnismäßigen und unkalkulierbaren Risiken belaste". Im Folgenden Blick auf die wichtigsten Neuerungen.
Vorsatzanfechtung soll eingeschränkt werden
Kernthema der Reform ist die rechtssichere Ausgestaltung der sogenannten Vorsatzanfechtung nach § 133 Insolvenzordnung (InsO). Diese ermöglicht derzeit noch die Anfechtung und Rückabwicklung von Rechtshandlungen in einem Zeitraum von zehn Jahren vor Stellung des Insolvenzantrags, wenn diese Rechtshandlung – etwa eine Zahlung des Schuldners an einen Gläubiger – die anderen Gläubiger benachteiligt hat und Schuldner sowie Gläubiger wussten oder wissen mussten, dass eine Insolvenz des Schuldners drohte.
Diese Kenntnis wird unter bestimmten Umständen bereits vermutet. Dazu hat die Rechtsprechung sogenannte Beweisanzeichen entwickelt, die über die Zeit zu einer immer weiteren Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Vorsatzanfechtung geführt haben. Künftig soll dieser Anfechtungszeitraum deshalb von zehn auf vier Jahre verkürzt werden.
Weiterhin soll die Vermutung für die Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes künftig an die eingetretene Zahlungsunfähigkeit anknüpfen – und nicht mehr wie bisher bereits an die drohende Insolvenz. Das hierzu durch die Rechtsprechung geschaffene Beweisanzeichen der Zahlungsvereinbarung wird entschärft, indem künftig wiederum hieran die Vermutung geknüpft wird, dass der Gläubiger um die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bei Vornahme der Handlung gerade nicht wusste.
Das ist begrüßenswert, da durch die sich ständig ändernde Rechtsprechung zu Zahlungsvereinbarungen als Beweisanzeichen große Unsicherheit im Geschäftsverkehr herrscht. Nun muss hingegen der Insolvenzverwalter beweisen, dass der Gläubiger positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatte, was eine Erleichterung für viele Gläubiger mit sich bringt.
Insolvenzantragstellung für Gläubiger erleichtert
Gläubiger mit offenen Forderungen können künftig leichter einen Insolvenzantrag stellen, da das Erfordernis eines Erst- oder Vorantrags entfallen wird. Davon verspricht sich der Gesetzgeber eine frühere Antragstellung vor allem von Seiten der Steuerbehörden und Sozialversicherungsträger. Durch eine möglichst frühe Prüfung des Insolvenzstatus eines Unternehmens soll die Gefahr von Gläubigerbenachteiligungen – und damit wiederum Anfechtungsrisiken –reduziert werden. Diese Regelung wird wahrscheinlich zu einer Zunahme von Insolvenzanträgen seitens der Gläubiger führen.
Keine Ausnahme für Leistungen in der Zwangsvollstreckung
Zahlungen, die ein Schuldner nur zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen leistet, gelten derzeit noch als "inkongruent" und sind deshalb leichter anfechtbar. Der Gesetzesentwurf sah bisher vor, dass im Rahmen des § 131 InsO eine Rechtshandlung nicht deshalb inkongruent ist, weil sie zur Befriedigung durch Zwangsvollstreckung oder zu deren Abwendung gewährt wurde. Dies ist während der Beratungen im Rechtsausschuss gestrichen worden.
Hierin sah man eine ungerechtfertigte Privilegierung hoheitlicher Gläubiger, zum Beispiel Steuerverwaltung oder Sozialversicherungsträger, da diese sich selbst Vollstreckungstitel schaffen können. Das hätte man allerdings geschickter lösen können, indem man lediglich gerichtliche Titel hätte privilegieren können.
2/2: Neuerungen auch bei Bargeschäften
Auch im Rahmen des Bargeschäftsprivilegs nach § 142 InsO werden Neuerungen eingeführt. Ein solches schließt eine Insolvenzanfechtung bislang weitgehend aus, wenn Leistung und Gegenleistung von Schuldner und Gläubiger gleichwertig sind und "in einem engen zeitlichen Zusammenhang" gewährt werden, in der Regel 30 Tage. Ob dies auch für die Vorsatzanfechtung gilt, ist umstritten. Künftig muss der Gläubiger jedenfalls erkannt haben, dass der Schuldner unlauter handelt. Dies ist auf den ersten Blick begrüßenswert, birgt jedoch auch eine gewisse Unsicherheit.
Denn das "unlautere Handeln" ist ein neuer unbestimmter Rechtsbegriff, der erst noch durch die Gerichte näher ausgestaltet werden muss. Zudem wurde (nur) für den Bereich der Anfechtung von Arbeitsentgelten der "enge zeitliche Zusammenhang" auf drei Monate festgelegt und somit die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kodifiziert. Zusätzlich wird gelten, dass eine Zahlung durch Dritte anfechtungsfest ist, wenn der Arbeitnehmer nicht erkannt hat, dass die Leistung von einem Dritten erbracht worden ist.
Der Fall, dass der Arbeitslohn von einer anderen Gesellschaft im gleichen Konzern gezahlt wird, soll dadurch künftig nicht mehr anfechtbar sein. Leider hat der Gesetzgeber die "Unmittelbarkeit" nicht auch für alle übrigen Rechtshandlungen definiert. Dies bleibt weiterhin der Auslegung durch die Gerichte überlassen und beseitigt damit nicht alle Unsicherheiten von Anfang an.
Zinsen künftig erst ab Zahlungsverzug
Bislang musste eine Rückzahlungsforderung aus Insolvenzanfechtung ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung verzinst werden. Wenn eine Forderung erst nach teils jahrelanger Prüfung durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht wird, können so beträchtliche Summen allein für Zinsen anfallen. Nach der Reform tritt eine Verzinsung erst dann ein, wenn der Anfechtungsgegner sich tatsächlich in Zahlungsverzug befindet also so wie bei jedem anderen Zahlungsanspruch auch.
Richtiger Schritt, aber nicht weit genug
Die beschlossene Reform ist notwendig und wichtig. Sie hätte allerdings weiter gehen können. Durch die Entkräftung des Beweisanzeichens der Zahlungsvereinbarungen ist nur eines von vielen Problemen gelöst. Die von der Rechtsprechung entwickelten Beweisanzeichen lösen in Verbindung mit den gesetzlichen Vermutungen eine regelrechte Vermutungskaskade aus, die für Betroffene kaum noch überblickbar ist.
Auch ist es schade, dass der Gesetzgeber den Schritt nicht gewagt hat, die Anfechtung von Leistungen aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch Stärkung der gerichtlichen Titel zu erschweren.
Das Reformgesetz tritt voraussichtlich im ersten Halbjahr 2017 in Kraft. Eine rückwirkende Anwendung auf Altverfahren wird jedoch (leider) nicht stattfinden. Unterm Strich wird es künftig für viele Gläubiger und Anfechtungsgegner Erleichterungen geben, das Thema Insolvenzanfechtung bleibt aber komplex.
Dr. Alexandra Schluck-Amend ist Diplom-Betriebswirtin und Rechtsanwältin, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Partnerin bei CMS in Deutschland.
Dr. Alexandra Schluck-Amend, Reform des Insolvenzrechts: Weniger Vermutungen, mehr Sicherheit . In: Legal Tribune Online, 28.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22221/ (abgerufen am: 06.07.2024 )
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