LTO-Kammerumfrage zu radikal rechten Anwälten: Tatenlos und ohn­mächtig gegen Sys­tem­feinde in Robe

Gastbeitrag von Joachim Wagner

07.09.2022

Sind Weltbilder und Aktivitäten von radikal rechten Anwälten mit ihrer Rolle als "Organ der Rechtspflege" vereinbar? Eine LTO-Umfrage zeigt: Die meisten Rechtsanwaltskammern zeigen in dieser Frage noch nicht einmal Problembewusstsein. 

In Teil 1 des Beitrages über rechte Anwälte haben wir drei Gruppen von Anwälten vorgestellt: Szene-Anwälte, Reichsbürger und Rechtspopulisten.

Hitler-Zitate im Gerichtsaal empören Otmar Kury, renommierter Strafverteidiger und Vorsitzender des Berufsrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer. Er würde "gegen jeden Anwalt, der sich auf Hitler beruft, sofort ein Berufsrechtsverfahren einleiten mit dem Ziel, ihm seine Zulassung zu entziehen – durch die Kammer selbst oder über eine Anklage der Generalstaatsanwaltschaft".

Doch abgesehen von solchen Einzelstimmen gibt es bislang keine ernsthafte Diskussion über die Frage, ob die Aktivitäten von radikal rechten Szene-Anwälten, Reichsbürger-Rechtsvertretern und AfD-nahen Rechtsbeiständen mit der Rolle eines "Organs der Rechtspflege" in Einklaung zu bringen sind, die die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) den Rechtsanwälten zuschreibt. 

Rechtsanwaltskammern sind zuständig 

Für berufsrechtliche Sanktionen sind in Deutschland die Rechtsanwaltskammern zuständig. Sie haben bei der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft die "Versagung der Zulassung" zu prüfen, etwa wenn ein Jurist "die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft" (§ 7 Abs. 1 Nr. 6 BRAO) oder sich der Anwaltschaft als "unwürdig" erweist (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 BRAO). 

Sie entscheiden über die "Rücknahme und den Widerruf der Zulassung", etwa wenn ein Rechtsanwalt eine "Tätigkeit ausübt, die mit seinem Beruf, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist" (§ 14 Abs. 1 Nr. 8 BRAO). Und sie prüfen die Voraussetzungen eines Ausschlusses aus der Anwaltschaft, etwa wenn Anwälte Straf- oder Ordnungswidrigkeiten begehen, die "Achtung und Vertrauen der Rechtssuchenden in bedeutsamer Weise beeinträchtigen" (§§ 43, 113 Abs. 2, 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO). Auch ein Ausschluss allein aufgrund der Generalklausel des § 43 S. 2 BRAO ist theoretisch möglich. Danach hat sich ein Anwalt "innerhalb und außerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen".

Auf diese Rechtsgrundlagen und Instrumente könnten Rechtsanwaltskammern auch für berufsrechtliche Maßnahmen gegen extremistische Mitglieder zurückgreifen. Doch reagieren die Rechtsanwaltskammern überhaupt auf radikal rechte oder rechtsextremistische Anwälte? 

Das mäßige Echo auf die Kammerumfrage

Um die Praxis der Aufsichtsorgane zu erkunden, hat LTO einen umfassenden Fragebogen an die Bundesrechtsanwaltskammer und die 28 Rechtsanwaltskammern in den Oberlandesgerichtsbezirken verschickt. Im Kammerfragebogen wurden zehn Fragen gestellt, unter anderem nach Beschwerden/Anzeigen gegen radikal rechte Anwälte, nach verweigerten und widerrufenen Zulassungen, berufsrechtlichen Verfahren, nach dem Spannungsverhältnis zwischen den Werten eines "freien und unabhängigen Organs der Rechtspflege" und der "Freiheit der Advokatur" sowie der Praxistauglichkeit von Vorschriften. 

Mit 46 Prozent war der Rücklauf der Antwortbögen von den Kammern nur mäßig – trotz großzügiger Fristverlängerung. Wegen der Schweigepflicht verweigern fast alle Kammern Kommentare zu Einzelfällen. Ins Auge springt, dass die Mehrzahl der Standesvertretungen bei berufs- und rechtspolitischen Fragen Wertungen vermeidet. 

Scheu vor klarer Kante 

Diese Scheu vor dem Politischen wurzelt wahrscheinlich auch in der Tatsache, dass Kammervorstände kein politisches Mandat haben. Sie können in den manchmal aufmüpfigen, politisch bunten Mitgliederversammlungen leicht Ärger bekommen, wenn sie die Grenzen politischer Neutralität überschreiten. Über 80 Prozent der Kammern haben nicht einmal die Frage beantwortet, ob offen neonazistisch agierende Verteidiger am Ruf der Anwaltschaft kratzen. 

Einige wenige Kammervertreter räumen Ansehensverluste ein. "Rechtsextreme Szeneanwälte sind für die Anwaltschaft schädlich", formuliert Otmar Kury, der Berufsrechtsexperte und ehemalige Präsident der Rechtsanwaltskammer Hamburg, vergleichsweise deutlich. Auch die Kammern in Brandenburg und Sachsen erkennen Schrammen im Anwaltsbild. "Das Wirken von Anwälten mit neonazistischer Vita ist schwer zumutbar", sagt der Brandenburger Geschäftsführer Rüdiger Suppé. "Ärgerlich, wir tun uns nicht leicht damit", meint der Vizepräsident der sächsischen Berufsaufsicht, Axel Schweppe. 

Beide Kammern und die Bundesrechtsanwaltskammer haben sich sogar für Gespräche geöffnet. Dieser Wille zu Dialog und Auseinandersetzung zeigt, dass die Verschwiegenheitspflicht von Kammervorständen und das Fehlen eines politischen Mandats keine Hindernisse für einen öffentlichen Dialog sein müssen.

Keine Zulassungsverwehrung gegen Rechtsextreme

Nach der LTO-Umfrage haben die Kammern in den letzten zehn Jahren keinem rechtsextremistischen Bewerber eine Zulassung verwehrt, weil er die "freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft" (§ 7 Abs. 1 Nr. 6 BRAO). 

In der Erinnerung des Strafverteidigers und Vorsitzenden des Berufsrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer Otmar Kury ist diese sogenannte politische Klausel "in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren noch nicht angewandt worden". Für den Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Brandenburg Rüdiger Suppé ist sie deshalb "eigentlich eine tote Bestimmung". Wie ist es dazu gekommen?

Einen Fingerzeig gibt die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 7 BRAO, die die Versagung der Zulassung regelt. Der erste Gesetzentwurf zur Bundesrechtsanwaltsordnung hatte zunächst schärfer formuliert. Er bezweckte den "Rechtsstaat davor zu schützen, dass sich jemand Zugang zu Rechtsanwaltschaft verschafft, um diese Stellung zum Kampf gegen die demokratische Freiheit auszunützen"(Martin Henssler/Hanns Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, Kommentar, 5. Aufl. § 7 BRAO Rn. 61). 

Strengere Vorschrift wurde verworfen

Das heißt: Zur Anwaltschaft nicht zugelassen werden sollten auch alle Juristen, die auf legale, in nicht "strafbarer" Weise gegen die freiheitliche Grundordnung kämpfen. In den sechziger und siebziger Jahren hätte sich eine solche Vorschrift gegen linke Anwälte richten können, insbesondere gegen RAF-Verteidiger. Wenn die Vorschrift heute so in der BRAO zu finden wäre, könnten die Kammern vor allem rechtsextremen Szene-Anwälten den Zugang zur Anwaltschaft sperren.

Gegen diesen Versagungsgrund regte sich in der Anwaltschaft damals jedoch heftiger Widerstand: Eine politische Einstellung müsse nicht zwingend eine Berufsausübung beeinflussen. Deshalb hat der Gesetzgeber die Zulassungsvoraussetzungen durch die Klausel "in strafbarer Weise" erheblich eingeschränkt und den Freiraum für Anwälte damit großzügig erweitert.

Einen weiteren Fingerzeig gibt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 1983. Es hat damals entschieden, dass die Klausel "in strafbarer Weise" abschließend zu verstehen sei und politisches Engagement nicht beim Ausschlussgrund der Unwürdigkeit berücksichtigt werden solle (BVerfG v. 08.03.1983 Az. 1 BvR 1078/80, NJW 83, 1535). 

Bundesverfassungsgericht betont Leitbild der freien Advokatur

Hintergrund der Entscheidung war die Mitgliedschaft eines Assessors in einer kommunistischen Partei. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte zuvor die Auffassung vertreten, dass das Eintreten für eine verfassungsfeindliche Organisation einen Anwalt "unwürdig" nach § 7 Nr. 5 BRAO machen könne, auch wenn keine Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung "in strafbarer Weise" vorliege. 

Das Bundesverfassungsgericht hob die Entscheidung auf. Ausschlaggebend für das Gericht war das "Leitbild der freien Advokatur", das eine "staatliche Kontrolle und Bevormundung prinzipiell ausschließt". An dieser Standortbestimmung soll auch nichts ändern, dass die Bundesrechtsanwaltsordnung den Rechtsanwalt als unabhängiges "Organ der Rechtspflege" versteht. Für die Verfassungsrichter "enthält die Einordnung als Organ der Rechtspflege keinen Eingriffstatbestand für Fälle, in denen der Anwalt dem Leitbild nicht entspricht".

Schattenseiten der liberalen Regelung

Das Bundesverfassungsgericht hat sich damals ausdrücklich gegen die Gleichsetzung von Rechtsanwälten mit Richtern und Staatsanwälten ausgesprochen. Wie bei anderen freiberuflichen Tätigkeiten sei es auch im Anwaltsrecht nicht statthaft, unter Einschränkung der Berufsfreiheit die für staatliche Bedienstete geltenden Treuepflichten in irgendeiner Weise anzuwenden.

Diese liberale Reglung der Zulassungsvoraussetzungen hat jedoch Schattenseiten: Durch den einschränkenden Zusatz "in strafbarer Weise" hat § 7 BRAO in der Praxis bei der Zulassung extremistischer Anwälte jegliche Sperrwirkung auch gegen rechtsextremistische Ideologen verloren. Die Anwaltschaft ist zu einem Auffangbecken für rechtspopulistische und rechtsextreme Juristen geworden, die wegen ihrer Vita kaum berufliche Alternativen im Staatsdienst haben.

Nur ein befristeter Widerruf wegen Holocaust-Leugnung 

Auch Widerrufe von Zulassungen wegen rechtsextremistischer Äußerungen oder Aktivitäten von Rechtsbeiständen hat es nach der Kammerumfrage bisher nicht gegeben. Es gibt eine Ausnahme. 2009 hat die Rechtsanwaltskammer München die Rechtsanwältin Sylvia Stolz wegen Unwürdigkeit für acht Jahreausgeschlossen, was in der Wirkung auf einen befristeten Widerruf hinausläuft. In den Strafverfahren gegen die Holocaust-Leugner Ernst Zündel und Dirk Reinecke hatte sie als deren Verteidigerin behauptet, dass der Holocaust "nicht offenkundig" sei (Bayerischer Anwaltsgerichtshof, BayAGH, v. 21.03.2011 Az. II-27/09, S. 12).

In einer Gegenvorstellung hatte sie nach Ansicht des Gerichts "bewusst den als geschichtliche Tatsache feststehenden staatlich organisierten Massenmord an den Juden im 3. Reich in Abrede gestellt und jüdische Glaubensangehörige als Erfinder der 'Holocaust -Lüge' bezeichnet".

Außerdem hatte Anwältin Stolz die damals verhandelnde Strafkammer des Landgerichts Mannheim im Zündel-Verfahren in übelster Weise beschimpft: Das Verfahren "erinnere" sie an die "Nürnberger Prozesse", "in denen systematisch die Angeklagten und ihre Verteidiger bedroht und ihrer Verteidigerrechte beraubt worden seien". Der Bayerische Anwaltsgerichtshof hat Stolz' Ausschluss für acht Jahre nach den §§ 43, 113 Abs. 1 und 114 BRAO gebilligt, "um den Schutz der Rechtpflege und der Integrität der Anwaltschaft zu wahren und das Vertrauen der Rechtssuchenden in diese zu gewährleisten". 

Das stumpfe Schwert der Generalklausel

Auch die allgemeine Berufspflicht nach § 43 BRAO hat nach der Kammerumfrage gegenüber rechtsextremen Advokaten in der Praxis bisher nur eine geringe Rolle gespielt. Für den Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Brandenburg Suppé ist in diese Generalklausel "so viel hineingelesen worden, dass sie anwendungsuntauglich geworden ist", "eine Leerformel, aus der man keine Rechtpflichten ableiten kann". Für die Rechtsanwaltskammer Thüringen ist die Generalklausel ein "stumpfes Schwert".

Ähnlich hohe Hürden errichten die § 113, 114 BRAO für einen Ausschluss von Anwälten bei außergerichtlichen Pflichtverletzungen. Hier zeigt sich, dass die Freiheit der Advokatur unterhalb der Strafbarkeitsschwelle gut geschützt ist. Rechtsanwälte dürfen rechtsextremen Parteien angehören und entsprechendes Gedankengut verbreiten, ohne um ihre Zulassung fürchten zu müssen. Sie dürfen verfassungsfeindliche Forderungen und Thesen aufstellen, solange sie sich nicht strafbar machen.

Bloße Rügen für Reichsbürger-Anwälte

Berufsrechtliche Sanktionen unterhalb der Schwelle von Rücknahmen und Widerrufen von Zulassungen und Ausschlüsse von der Anwaltschaft haben die Kammern in seltenen Ausnahmefällen verhängt: Die Rechtsanwaltskammer Sachsen hat gegen zwei ihrer Mitglieder "Rügen" erlassen, weil sie der Reichsbürger-Ideologie anhängen und dadurch gegen die allgemeine Berufspflicht nach § 43 BRAO verstoßen haben.

Das sächsische Anwaltsgericht hat beide Rügen für rechtens erklärt: Der Anwalt stellt "die Geltung der Gesetze auf dem Gebiet der ehemaligen DDR grundsätzlich infrage, obwohl es ihm als Organ der Rechtspflege obliegt, die Wahrung und Geltung der Gesetze sowie die richtige Geltung und Anwendung dieser Gesetze durch sachgerechte Arbeit zu fördern" (Beschl. vom 13.04.2015 Az. SAG II 08/14 – C.650/212 und v. 26.02.2007, Az. SAD II 11/06 –14 EV 137/04). 

In einem Fall scheint ein Reichsbürger-Anwalt Wiederholungstäter zu sein, so dass die Rechtsanwaltskammer Sachsen den Fall 2017 der Generalsstaatsanwaltschaft Dresden übergeben hat, weil ihr für schärfere Sanktionen als Rügen die Sanktionsmacht fehlt. Der Grund: Ein Rechtsanwalt hatte die Zuständigkeit des Landgerichts für einen von ihm in eigener Sache geführten Rechtsstreit in Frage gestellt. Er hatte behauptet, dass das Landgericht kein Staatsgericht sei, sondern den Eindruck einer "Firma" erwecke. Da er dieser "Körperschaft" nicht angehöre, sei das Landgericht für ihn auch nicht zuständig. 

Wer den Staat negiert, soll "Organ der Rechtspflege" sein können?

Man fragt sich, warum ihre Zulassungen nicht schon vor Jahren widerrufen worden sind, weil Reichsbürger-Anwälte eine Gefahr für den Rechtsstaat und die Rechtsgemeinschaft darstellen. Geraten Rechtssuchende an solche Anwälte, können sie nicht mit einer ordnungsgemäßen Vertretung rechnen. 

Spricht ein Rechtsanwalt unserer Rechtsordnung jegliche Geltungskraft ab, ist diese Haltung mit seiner Stellung als "unabhängigem Organ der Rechtspflege" offensichtlich nicht "vereinbar" (§ 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO). Hinzu kommt, dass solche Anwälte nach dem Verfassungsschutzbericht 2021 Teil einer "staats- und verfassungsfeindlichen" Szene sind, deren Potenzial im Vergleich zum Jahr 2020 – im Kielwasser der Proteste gegen die staatlichen COVID-19-Maßnahmen – gestiegen ist (Verfassungsschutzbericht 2021, S. 102 f.).

Kammern lehnen Verschärfung der Rechtslage überwiegend ab

Auf die Frage, ob die Bundesrechtsanwaltsordnung verschärft werden müsse, um auf die Herausforderung durch rechtsextreme Anwälte zu reagieren, gab es drei Kategorien von Antworten. Die Kammern in Karlsruhe und Hamburg vermögen mangels "Erfahrung" und "entsprechender Fälle" nicht zu beurteilen, ob die "politische Klausel" auch "praxistauglich" ist. 

Die Bundesrechtsanwaltskammer und die Kammern in Dresden, München und Berlin verteidigen die geltende Rechtslage. Für die Präsidentin der sächsischen Kammer, Sabine Fuhrmann, dürfen nur "eklatante und unerträgliche Meinungen und Handlungen zu einer Verweigerung der Zulassung führen". Sie möchte keine "Gesinnungsjustiz", weshalb das "Abstellen auf die Strafbarkeit wichtig und richtig ist". Nach Ansicht ihres Vizes Schweppe stellen die rechten Kolleginnen und Kollegen kein "erhöhtes Risiko für die Anwaltschaft" dar: "Die sind wegen der geringen Zahl nicht staatsgefährdend." Im Übrigen ergänzt die Geschäftsführerin der Kammer, Jacqueline Lange, sei die "Anwaltschaft nichts anderes als ein Spiegelbild der Gesellschaft". Das gilt sicher für Sachsen, wo mindestens ein halbes Dutzend namentlich bekannter radikal rechter Szene-Anwälte ihre Dienste anbieten. 

Eine dritte Gruppe reagiert auf den Fragebogen nachdenklich. Der Geschäftsführer der Brandenburger Kammer Suppé bedauert, dass die "Kammer nicht mehr tun können, weil es keine Instrumente gibt". Zugleich verweist er auf die nicht zu leugnende Schwierigkeit, "unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit eine Abgrenzungslinie zwischen der freien Advokatur und dem Schutz der wehrhaften Demokratie" zu ziehen. Zu der Frage, ob die Bundesrechtsanwaltsordnung für den Umgang mit rechtsextremen Anwälten verschärft werden muss, hat sich die Stuttgarter Kammer "bisher keine abschließende Meinung gebildet".

Fazit: Systemfeinde in Robe müssen keine Konsequenzen fürchten

Nach der LTO-Umfrage unter den Rechtsanwaltskammern hat die Bundesrechtsanwaltsordnung bei der Zulassung von rechtsextremen Anwälten bisher keine Sperrwirkung entfaltet. Nach der Zulassung von Rechtsvertretern reichen die Vorschriften bisher nur aus, um gegen Holocaust-Leugner mit einem Ausschluss und gegen Reichsbürger mit Auflagen und Rügen vorzugehen. Im Übrigen können selbst neonazistische Rechtsvertreter weiter als "Organe der Rechtspflege" ungehindert ihre Privilegien und rechtsstaatlichen Instrumente nutzen, um den Rechtsstaat abzuschaffen.

Gesetzgeber, Kammern und Gesellschaft sollten deshalb folgende vier Fragen diskutieren.

  • Ist die jetzige Rechtslage bei Versagung, Rücknahme und Widerruf von Zulassungen und dem Ausschluss aus der Anwaltschaft wegen Unwürdigkeit angesichts der Herausforderung durch rechtsextreme Anwälte noch zeitgemäß? 
  • Wären Zulassungsvoraussetzungen zur Anwaltschaft zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unterhalb der Strafbarkeitsschwelle verfassungsrechtlich zulässig? 
  • Wären sie praktikabel, ohne die Freiheit der Advokatur zu gefährden? 
  • Und in der Summe: Brauchen wir beim Umgang mit rechtsextremen Rechtsvertretern eine Neujustierung zwischen den Rechtsfiguren der "wehrhaften Demokratie", des "Organs der Rechtspflege" und der "Freiheit der Advokatur"?
Zitiervorschlag

LTO-Kammerumfrage zu radikal rechten Anwälten: . In: Legal Tribune Online, 07.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49539 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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