Jeder kennt das: Nach der Weihnachtszeit spannt die Hose, nach mehr als einer Flasche Rotwein schmerzt der Kopf. Katerstimmung herrscht zurzeit auch bei den rund 75.000 Inhabern von Prokon-Genussrechten. Denn das Unternehmen ist in erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten; eine Insolvenz ist nicht ausgeschlossen. Was ist schiefgelaufen, fragt Tim Drygala.
Das Genussrecht taucht im Gesetz nur einmal kurz auf, nämlich in § 221 Aktiengesetz (AktG). Dort wird es im Hinblick auf eine mögliche Konkurrenz zu Rechten der Aktionäre angesprochen. Gar nicht geregelt ist die Rechtsstellung der Genussrechtsinhaber.
Es haben sich aber typische Vertragsmuster herausgebildet. Kennzeichnend für Genussrechte sind die Nachrangigkeit im Insolvenzfall und die Gewinnabhängigkeit des Leistungsversprechens. Das unterscheidet sie von Darlehen und Nachranganleihen. Wie die Rechtsstellung genau aussieht, kann man nur aufgrund der Genussrechtsbedingungen beurteilen, die etwa Ausschüttungsbemessung, Umfang der Gewinnabhängigkeit, Minderung des Rückzahlungsanspruchs, Nachzahlbarkeit ausgefallener Ausschüttungen, Informations- und Mitentscheidungsrechte sowie die wichtige Frage der Kündigungsmöglichkeit regeln.
Diese Vertragsbedingungen sind nicht standardisiert und unterscheiden sich von Genussrecht zu Genussrecht zum Teil erheblich. Wirtschaftlich heißt das: Der Anleger muss die individuellen Bedingungen des Genussrechts prüfen. Bei schlechter Geschäftslage des Emittenten muss er mit einer Kürzung oder einem Ausfall der Ausschüttung rechnen. Bei manchen Genussrechten, auch bei Prokon, mindert sich dann auch der Rückzahlungsbetrag. In der Insolvenz steht der Genussrechtsgläubiger in der Schlange ganz hinten, nämlich noch hinter den sonstigen ungesicherten Gläubigern. All das zeigt: Um risikolosen Genuss geht es hier nicht.
Regulierungsdefizit am grauen Kapitalmarkt
Um Missverständnissen vorzubeugen: Jeder Emittent hat die Möglichkeit, sein Genussrecht als Wertpapier zu verbriefen und am regulierten Kapitalmarkt zuzulassen. Dann wird das Genussrecht zum Genussschein und der Emittent zum kapitalmarktorientierten Unternehmen (§ 264d Handelsgesetzbuch). Es gelten das Börsengesetz, das Wertpapierhandelsgesetz und besondere Rechnungslegungsvorschriften. Um den Anlegerschutz muss man sich dann nicht sorgen; im Gegenteil: Manche behaupten schon, der offizielle Kapitalmarkt sei überreguliert.
Viele Anbieter wollen die Börsennotiz aber bewusst nicht. Sie vertreiben ihre Anlagen am außerbörslichen, dem sogenannten grauen Kapitalmarkt. Das hat zum einen mit den nicht unerheblichen Kosten und Folgepflichten zu tun, die die Inanspruchnahme der regulierten Märkte verursacht, zum anderen aber auch mit der Kapitalmarktaversion vieler deutscher Anleger. So hat gerade Prokon häufig damit geworben, dass die Anlage mit Bank und Börse nichts zu tun habe, und auch in der gegenwärtigen Krise betont das Unternehmen die Gefahr, Banken in die Hände zu fallen. Solche alternativen Anlagen finden durchaus ihr Publikum.
Dass mit außerbörslichen Kapitalanlagen ein erheblich geringerer Anlegerschutz verbunden ist, dürfte vielen Anlegern nicht bewusst sein. Denn abgesehen von einem einmaligen Zulassungsprospekt, der nur auf Vollständigkeit, aber nicht auf Richtigkeit überprüft wird, hat der Anbieter kaum Pflichten und unterliegt keiner wirksamen Überwachung. Mittelverwendung, Kosten und Ergebnisse bleiben vielfach intransparent oder werden geschönt dargestellt. Eine wirksame Interessenvertretung der Anleger existiert nicht. Es fehlt an wirksamer Corporate Governance. Praktisch kann der Anbieter mit dem eingeworbenen Geld machen, was er will. Dem Anleger bleiben im Missbrauchsfall Schadensersatzansprüche, deren Durchsetzung aber langwierig und teuer ist.
Prokon: . In: Legal Tribune Online, 17.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10698 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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