2/2: Am besten verbieten?
Im gegenwärtigen regulierungsfreudigen Meinungsklima verwundert es nicht, dass manche angesichts der Prokon-Problematik das Verbot von Genussrechten fordern. Andere befürworten eine Wirtschaftlichkeitsprüfung des Projekts, bevor der Vertrieb beginnen kann. All das ist keine gute Idee.
Ein generelles Verbot träfe auch seriöse Anbieter, und die Prokon- Schieflage ist kein Beleg dafür, dass es solche nicht geben würde. Eine vorgeschaltete Wirtschaftlichkeitsprüfung wäre mit einem hohen Prognoserisiko behaftet. Es besteht sowohl die Gefahr, dass aussichtsreiche Projekte mangels ökonomischen Weitblicks der Prüfer abgelehnt werden, als auch die Gefahr, dass ein positives Urteil als Erfolgsgarantie missverstanden wird. Eine solche Garantie kann und will der Staat ganz sicher nicht geben, schon gar nicht vor dem Hintergrund einer drohenden Amtshaftung. Hinzu kommt der erhebliche Aufwand einer solchen Prüfung.
Mehr Missbrauchskontrolle
Der Fall Prokon zeigt aber deutliche Anzeichen für einen Missbrauch der eingeworbenen Gelder, und hier sollten auch die Reformüberlegungen ansetzen. Man darf nicht seriöse und unseriöse Anbieter über einen Kamm scheren, sondern muss sich auf die schwarzen Schafe konzentrieren.
Vorgeworfen wird dem Unternehmen zum einen, seine Ergebnisse durch konzerninterne Geschäfte geschönt zu haben, zum anderen aber auch verspätete und unvollständige Veröffentlichung von Jahresabschlüssen. So etwas verfolgt bei kapitalmarktorientierten Unternehmen die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung, im Volksmund auch Bilanzpolizei genannt. Sie macht verdachtsunabhängige Stichproben, geht aber auch bekannt gewordenen Hinweisen auf Rechnungslegungsmängel dar. Solche Hinweise bestehen bei Prokon seit Jahren. Überprüfen kann sie bisher niemand, die Prüfstelle ist für den grauen Kapitalmarkt nicht zuständig. Das sollte geändert werden, wobei Ausnahmen für Kleinemittenten erforderlich wären.
Die zweite Baustelle im Fall Prokon ist der Vorwurf des Schneeballsystems: Es wird behauptet, Prokon habe die Ausschüttungen an bisherige Anleger nie operativ erwirtschaftet, sondern aus den Einzahlungen neuer Anleger finanziert. Dann ist der Zusammenbruch unvermeidlich, wenn (wie jetzt) neue Anleger ausbleiben. Auch dieser Vorwurf steht seit Jahren im Raum. Beurteilen kann man ihn nur unter Einblick in die Interna des Unternehmens. Auch dazu fehlt gegenwärtig eine zuständige Behörde, die bei entsprechendem Verdacht eine Sonderprüfung durchführen könnte, ohne gleich die grobe Keule des Strafrechts zu schwingen. Diese Befugnis sollte man der BaFin übertragen. Ähnliches ist bei Finanzdienstleistungsunternehmen bereits vorgesehen und die Prüfung ist viel konkreter als bei einer allgemeinen Wirtschaftlichkeitsprüfung. Daher ist sie leichter und günstiger durchzuführen.
Wie immer bei wirtschaftlichen Krisen und Unternehmenszusammenbrüchen muss man den Verursachern fast dankbar sein, denn diese Vorgänge zeigen Fehler im System und rufen zu Konsequenzen auf. Diese lauten für den Anleger: Höchste Vorsicht bei Kapitalanlagen am grauen Kapitalmarkt! Nur kaufen, was man verstanden hat, und nur Beträge einsetzen, deren Verlust man gegebenenfalls ertragen kann. Und eine sympathische ökologische Geschäftsidee darf den Blick auf die Risiken nicht verstellen. Für den Gesetzgeber zeigt sich, dass der Zulassungsprospekt als Regulierungsinstrument des grauen Kapitalmarkts nicht ausreicht. Eine Bilanzkontrolle und die Möglichkeit zur Sonderprüfung bei Missbrauchsverdacht sind erforderlich, aber auch ausreichend.
Der Autor Prof. Dr. Tim Drygala ist Inhaber des Lehrstuhls für Handels- und Gesellschaftsrecht an der Universität Leipzig.
Prokon: . In: Legal Tribune Online, 17.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10698 (abgerufen am: 23.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag