In Schweinfurt hat der gesamte Jahrgang einer privaten Fachoberschule die schriftliche Abiturprüfung nicht bestanden. So recht erklären kann sich Schulrechtler Thomas Böhm das nicht. Im Interview erläutert er, welche Ansprüche die Jugendlichen gegen ihre ehemalige Schule haben und ob ihre Eltern die Schule schließen lassen könnten.
LTO: Von 27 Schülern der Ersten Privaten Fachoberschule Schweinfurt hat keiner die schriftliche Abiprüfung bestanden. Haben Sie von einem solchen Fall schon einmal gehört?
Böhm: Nein. Das ist eine sehr ungewöhnliche und merkwürdige Geschichte. Sicherlich gab es schon Fälle, in denen einer privaten Schule die Genehmigung entzogen worden ist, weil die Qualität des Unterrichts zu schlecht war. Aber dass ein gesamter Jahrgang durchs Abi fällt, das ist schon sehr skurril.
LTO: Haben die Abiturienten irgendwelche Ansprüche gegen ihre Schule?
Böhm: Ausgeschlossen ist das nicht, wenn die Gründe für das Nicht-Bestehen eindeutig bei der Schule liegen. Es müssen schwerwiegende Verstöße gegen den Schulvertrag nachweisbar sein. Die Schule garantiert zwar selbstverständlich nicht, dass jeder das Abi bestehen wird; sie verpflichtet sich aber doch dazu, einen sachgereichten Unterricht anzubieten, der auf die Abschlussprüfung vorbereitet.
Das muss kein besonders guter Unterricht sein, er darf ein bestimmtes Mindestniveau aber nicht unterschreiten. Wenn nun Lehrer falsche Inhalte vermittelt haben, etwa weil sie sich darüber geirrt haben, welcher Stoff in der Prüfung abgefragt werden soll, oder wenn Stunden ständig ausfallen, dann kann das eine Verletzung der schulvertraglichen Pflichten sein.
"Schulgeld kann zurückgefordert werden"
LTO: Worauf wären solche Ansprüche gerichtet? Auf Schadensersatz?
Böhm: Das Schuldgeld kann zurückgefordert werden. Das waren ja wohl 140 Euro pro Monat, die in der Erwartung gezahlt worden sind, dass der Unterricht den Schülern jedenfalls die Chance vermittelt, das Abi zu bestehen.
Weitere Schäden zu berechnen, ist schwierig. Ob ein Schüler einen Ausbildungsplatz bekommen und entsprechend früher etwas verdient hätte – das sind ja nur Vermutungen. Anders ist die Situation, wenn jemand schon eine klare Aussicht auf einen Ausbildungsplatz hatte unter der Voraussetzung, dass er das Abi besteht.
LTO: Wann erhält eine private Schule denn überhaupt eine Genehmigung?
Böhm: Private Schulen sind Ersatzschulen, sie ersetzen eine öffentliche Schule. Sie müssen den gleichen Bildungsweg anbieten. Für Prüfungen gelten dieselben Regeln wie an einer öffentlichen Schule, das läuft in der Regel auch unter staatlicher Aufsicht. Es gibt zudem staatliche Vorgaben für die Lehrpläne. Privatschulen haben dann aber die Möglichkeit, eigene Schwerpunkte zu setzen.
Auch für die Einstellung von Lehrern gibt es Vorgaben, was deren Qualifikation betrifft. Das ergibt sich aus Art. 7 Abs. 4 Grundgesetz. Danach dürfen die Lehrer in ihrer wissenschaftlichen Ausbildung nicht hinter denen einer öffentlichen Schule zurückstehen.
"Merkwürdig, dass sich die Schüler nicht früher beschwert haben"
LTO: Hat in Schweinfurt also die Aufsicht versagt?
Böhm: Der Fall ist ausgesprochen mysteriös. Als Außenstehender kann man nur spekulieren, wie es dazu kommen konnte, dass die gesamte Gruppe durchfällt. Es ist ja normal, dass einzelne Schüler durchfallen – aber alle? Das muss schon gravierende Ursachen haben, die der Schulaufsicht hätten auffallen müssen. Gerade bei Abschlussklassen muss etwas genauer geguckt werden. Die Aufsichtsbehörden haben ja auch genügend Zeit, über die Jahre zu beobachten, wie sich das entwickelt.
Es ist auch merkwürdig, dass sich nicht die Schüler selbst oder ihre Eltern beschwert haben. Wenn etwa ständig Unterricht in zentralen Fächern wie Mathe oder Deutsch ausgefallen wäre, dann nimmt man das doch nicht einfach hin - gerade wenn man ein Schulgeld zahlt. Dann wendet man sich doch an die Schulaufsicht.
LTO: Die Eltern haben gegenüber der Presse geäußert, dass sie verhindern wollen, dass die Schule weitergeführt wird. Könnten sie tatsächlich durchsetzen, dass die Schule geschlossen wird?
Böhm: Die Schulaufsicht wird jetzt so oder so prüfen, ob sie der Schule die Genehmigung entzieht. Aber selbst wenn das am Ende nicht geschieht – der Ruf der Schule hat schweren Schaden genommen. Und von einem guten Ruf lebt eine Privatschule.
Dr. Thomas Böhm studierte Rechtswissenschaft, Anglistik und Pädagogik auf Lehramt in Bonn und Bochum. Er ist als Dozent für Schulrecht und Rechtskunde am Institut für Lehrerfortbildung in Mülheim an der Ruhr tätig.
Das Interview führte Claudia Kornmeier.
Ein ganzer Jahrgang fällt durchs Abi: . In: Legal Tribune Online, 02.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9059 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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