Strengere Regeln für die Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten fordert ein Antrag aus der FDP-Fraktion. Das "Trennungsgebot" soll im Grundgesetz verankert werden, und das GTAZ ein eigenes Gesetz bekommen.
Die FDP-Bundestagsfraktion plant, strengere Vorgaben für die Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten ins Grundgesetz (GG) aufzunehmen. Das geht aus einem Antragstext hervor, der LTO exklusiv vorliegt. Vor allem das sogenannte Trennungsgebot soll ausdrücklich in der Verfassung verankert werden.
Wenn es in Deutschland um die Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten geht, schwebt über allem das sogenannte "Trennungsgebot". Es bedeutet: Geheimdienste und ihre heimlichen Mittel sind zu trennen von den Zwangsmaßnahmen der Polizei, die festnehmen oder durchsuchen darf. Es ist eine Art juristische Selbstvergewisserung: Aufgrund der Erfahrungen in Diktaturen wie in Nazi-Deutschland soll es nicht die eine Geheimpolizei geben, die verdeckt Informationen sammelt und zugleich per Zwangsbefugnis Bürger verhaften darf. Denn wer heimlichen Maßnahmen des Staates ausgesetzt ist, erfährt auch nicht davon, und kann sich nicht gegen sie wehren.
Dem Trennungsgebot dürfte gleichwohl bislang nur der Status eines Rechtsgrundsatzes zukommen, in der Verfassung findet es sich nicht ausdrücklich. Das soll sich nach Auffassung der FDP-Bundestagsabgeordneten ändern: Das Trennungsgebot soll im GG festgeschrieben werden. Am kommenden Dienstag sollen die Abgeordneten einen Antrag des FDP-Rechtspolitikers und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Stephan Thomae beschließen.
"Das Trennungsgebot ist bisher nicht in den Köpfen der Sicherheitspolitiker der großen Parteien angekommen", sagte Thomae gegenüber LTO. "Eine Kodifikation im Grundgesetz wäre damit mehr als reine Symbolik."
FDP-Antrag: "organisatorische, kompetenzielle und informationelle Trennung"
Laut dem Antragstext soll im GG eine "organisatorische, kompetenzielle und informationelle Trennung" verankert werden. Damit sind drei Ebenen gemeint: Nachrichtendienst und Polizei dürfen nicht in einer Behörde verschmelzen, ihre Befugnisse – heimliche Informationsbeschaffung hier, Zwangsmaßnahmen da - müssen getrennt bleiben, und Daten dürfen zwischen den beiden Behörden nur unter besonders strengen Voraussetzungen ausgetauscht werden.
Das Trennungsgebot ist alles andere als ein akademisches Thema. Die laufenden Reformen der Sicherheitsgesetze von den Polizeigesetzen der Länder bis zur Reform des Verfassungsschutzgesetzes berühren allesamt das Trennungsgebot. Die politische Positionierung zum Trennungsgebot entscheidet also auch darüber, wie in Zukunft Rechtsterrorismus und islamistischer Terrorismus effektiv bekämpft werden können, welche verfassungsrechtlichen Sicherungen aber nicht aufgegeben werden dürfen.
Historisch geht das Trennungsgebot zurück auf den sogenannten Polizeibrief der Alliierten von 1949. Darin hielten diese fest, dass die Bundesregierung eine "Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten" einrichten darf. Sie legten aber auch fest, dass "diese Stelle (...) keine Polizeibefugnisse" haben solle.
Auf Verfassungsebene findet sich das Trennungsgebot bislang nur in den Landesverfassungen der "neuen" Bundesländer Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) leitet ein Trennungsgebot aus dem Rechtsstaatsprinzip, dem Bundesstaatsprinzip und dem Schutz der Grundrechte ab. Das hatten die Karlsruher Richter bereits 1998 in einer Entscheidung zum Bundesgrenzschutz angedeutet (Beschluss v. 28.01.1998, Az. 2 BvF 3/92). Im Jahr 2013 hat das BVerfG bei der Überprüfung des Antiterrordateigesetzes ein informationelles Trennungsprinzip aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitet. "Danach dürfen Daten zwischen den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden grundsätzlich nicht ausgetauscht werden", schrieben die Richter.
Verpolizeilichte Nachrichtendienste und vernachrichtendienstliche Polizei?
Zugleich kann das nicht das letzte Wort gewesen sein. Denn wozu sollte sonst ein Inlandsgeheimdienst überhaupt aufwändig Informationen beschaffen, wenn er sie dann nicht mit anderen Stellen teilen darf? Eine strikte Abschottung bei der Datenweitergabe würde zwangsläufig die Existenzberechtigung der Nachrichtendienste in Frage stellen.
Deshalb erinnern die Verfassungsrichter an die besondere Schwere des Grundrechtseingriffs, wenn Daten von Verfassungsschützern an die Polizei fließen – und fordern für Ausnahmen vom Verbot entsprechend hohe Hürden, namentlich ein herausragendes öffentliches Interesse.
Das verfassungsgerichtliche Arrangement soll abfedern, dass etwa der Verfassungsschutz schon sehr weit im Vorfeld durch Beobachtung Informationen erheben darf, also zu einem Zeitpunkt, der weit vor den Ansatzpunkten "Gefahr" oder "Anfangsverdacht" der Polizeiarbeit liegt. Schließt man die Arbeit der Sicherheitsbehörden über den Datenaustausch allzu sehr zusammen, untergräbt man diese Trennung, argumentieren Kritiker.
Rechtswissenschaftler beobachten eine "Verpolizeilichung des Nachrichtendienstes" und eine "Vernachrichtendienstlichung der Polizei", also ein Verwischen der Grenzen. Letzteres lässt sich im neuen Bayerischen Polizeigesetz aus 2018 erkennen, wenn dort die Polizei ein ganzes Arsenal an Überwachungsmaßnahmen schon bei "drohender Gefahr", also im Vorfeld der klassischen Eingriffsschwelle, einsetzen darf. Und mit einer Klage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof kritisieren die Grünen in Bayern umgekehrt polizeiliche Befugnisse für den Verfassungsschutz, zum Beispiel die Zugriffsmöglichkeit auf die Vorratsdatenspeicherung.
Kritiker des Trennungsgebots dagegen fragen, ob das Prinzip heute noch die zeitgemäße Antwort auf komplexe terroristische Bedrohungen sein kann. Also ob Daten, die eine Behörde zu einer extremistischen Gruppe gesammelt hat, nicht auch allen anderen Sicherheitsbehörden zugänglich sein müssten. Das beschäftigt auch die Innenminister der Länder, die sich diese Woche in Lübeck treffen. "Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutz ist kein Kooperationsverbot", heißt es in der Beschlussvorlage der Länderinnenminister, die LTO vorliegt. Und weiter: "Im Interesse einer wirksamen Gefahrenabwehr ist die Stärkung des Wirkverbundes zwischen Polizei und Verfassungsschutz notwendig."
Das GTAZ: Gemeinsame Austauschplattform für Sicherheitsbehörden ohne Regeln?
In Deutschland gibt es indes schon eine über Jahre eingeübte Praxis, die verschiedenen Sicherheitsbehörden kommen in eher informellen Runden zusammen. Die bekannteste ist das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ). Seit 2004 tauschen sich dort 40 Behörden aus, vom Zoll über das LKA bis zum Bundesamt für Verfassungsschutz.
Auch für diese Plattform gibt es keine gesetzliche Grundlage. Auch das will die FDP-Fraktion ändern. "Es macht einen himmelweiten Unterschied, ob sie im Einzelfall Daten übermitteln oder eine dauerhafte Struktur mit Arbeitsgruppen und Geschäftsordnung schaffen", so Rechtspolitiker Thomae gegenüber LTO. "Das GTAZ ist und kann mehr als die Summe seiner Teile." Weiter forderte der Rechtspolitiker: "Es muss klar geregelt sein, wer zu welchem Zeitpunkt für was verantwortlich ist. Sonst ist am Ende - wie im Fall des Attentäters vom Breitscheidplatz - niemand verantwortlich."
Verteidiger des GTAZ sagen, weil die Kooperation nur eine lose Austauschplattform sei und keine der beteiligten Sicherheitsbehörden dafür neue Befugnisse erhielt oder eigene abgeben musste, brauche es auch keine gesetzliche Grundlage.
LTO exklusiv zu Plänen der FDP-Fraktion: . In: Legal Tribune Online, 05.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39093 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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