Der Druck auf die Wissenschaft ist nach den Promotionsskandalen von Guttenberg und anderen Polit-Promis hoch. Aufgedeckt haben die Plagiate öffentliche Internetforen wie Vroniplag. Das missfällt der HRK. Sie will, dass Unis akademisches Fehlverhalten nichtöffentlich untersuchen. Die DFG distanziert sich jetzt von dieser Forderung. Eine Protestinitiative sieht die Freiheit der Wissenschaft in Gefahr.
Mehr als 600 Wissenschaftler haben seit voriger Woche einen Aufruf unterzeichnet, Plagiatvorwürfe und Datenmanipulationen "allein im fachwissenschaftlichen Diskurs" zu klären statt "durch nichtöffentliche Verfahren eines in keiner Weise dazu legitimierten universitätsinternen Gremiums". Die Unterschriftenaktion richtet sich gegen die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), die Hinweisgeber auf mutmaßlichen Pfusch, sogenannte "Whistleblower", künftig an amtliche Ombudsleute und offizielle Hochschulkommissionen binden und die Vorwürfe nur "höchst vertraulich" prüfen will.
Die in der Öffentlichkeit vielbeachtete Aufklärung auf privaten Internetforen wie Guttenplag oder Vroniplag oder über das naturwissenschaftliche "Laborjournal" soll so zurückgedrängt werden, wie HRK-Präsident Horst Hippler offenherzig einräumt. Er hatte erwartet, dass auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) auf ihrer Jahresversammlung vergangenen Mittwoch die Beschlüsse der Rektoren übernehmen würde. Die DFG fördert die deutschen Hochschulen mit jährlich mehr als zwei Millionen Euro und hat für Missbrauchsfälle eine eigene Verfahrensordnung. Jedoch will sie, anders als die HRK, Whistleblower nicht unbedingt auf Vertraulichkeit und Dienstgeheimnis verpflichten.
Juraprofessor: Schweigepflicht widerspricht wissenschaftlichem Publizitätsgebot
Die HRK-Position dreht sich im Wesentlichen um zwei Sätze: Die erforderliche "Vertraulichkeit ist nicht gegeben, wenn sich der Hinweisgeber mit seinem Verdacht an die Öffentlichkeit wendet. In diesem Fall verstößt er regelmäßig selbst gegen die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis."
Der Berliner Rechtsprofessor Gerhard Dannemann, der selbst kein Hehl daraus macht, bei Vroniplag aktiv zu sein*, etwa hält dagegen: "Wenn das Schweigen zur besagten guten Praxis und damit den Berufspflichten des Forschers gehören soll, dann riskiert er mit dem Gang in die Öffentlichkeit dienst- oder arbeitsrechtliche Nachteile, je nachdem auch sein Antragsrecht auf finanzielle Förderung." Eine solche Schweigepflicht widerspreche dem Publizitätsgebot in der Wissenschaft.
Zwar hält auch die DFG im Ombudsverfahren an der Vertraulichkeit fest. Ein Verstoß dagegen, erläutert ihr Pressesprecher, sei genau genommen ein "prozedurales" Fehlverhalten, aber nicht als Verstoß gegen die eigenen Methoden wissenschaftlicher Praxis zu verfolgen. Anders als die HRK stellt die DFG ferner ausdrücklich klar: Von den speziellen Ombudsregularien "bleiben die übrigen Formen der wissenschaftlichen Qualitätskontrolle und Urteilsbildung unberührt", beispielsweise die Plagiatsdokumentationen auf Internetforen. Deren Autoren sind durchweg anonym. Ob die Hochschulen solche Hinweise selber aufgreifen sollen, sei im Einzelfall "abzuwägen". Nach allen Erfahrungen etwa mit plagiierten Doktorarbeiten können sich die Universitäten öffentlichen Hinweisen aber nicht entziehen.
Internes Ombudsverfahren soll Selbstkontrolle verbessern
Wie der HRK-Präsident spricht auch die Generalsekretärin der DFG, Dorothee Dzwonnek, vom Druck der Medien und Politik, nach den Promotionsskandalen von Guttenberg und anderen Polit-Promis die Selbstkontrolle der Wissenschaften zu verbessern. "Für uns ist klar, dass wir auch weiter selbst das Heft in der Hand halten müssen." Das hochschulinterne Ombudsverfahren gilt als das Instrument dafür. Es ist freilich nur ein Schlichtungsversuch bei freiwilligem Mittun des Betroffenen.
Weitergehende Kritik dürfen Hochschulkommissionen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an einem Forscher erst dann üben, wenn er die grundgesetzlich verbürgte Freiheit der Wissenschaft "zweifelsfrei" missbraucht hat "und seine Arbeit nicht als ernsthafter Versuch zur Ermittlung von Wahrheit angesehen werden kann". Gerade beim statistischen Umgang mit Messdaten und ihrer bildlichen Darstellung ist die rote Linie zwischen dummen Fehlern und vorsätzlicher Täuschung schwer zu ziehen. So waren etwa für eine Tübinger Kommission "auch unter Hinzuziehung fachkundiger Personen" 2011 "die Grenzen zwischen zulässigen Bildbearbeitungen und unzulässigen nicht zu erkennen". Im Falle einer Missbilligung steht jedem Betroffenen der Rechtsweg offen.
Nur eine Minderheit der deutschen Gelehrten wünscht sich ein Office of Research Integrity nach US-amerikanischem Vorbild, das Fehlverhalten unter Klarnamen der Täter öffentlich macht. Die Hoffnung dabei ist: Nichts macht mehr Angst vor einem Karriereknick als der drohende Verlust der Vertraulichkeit.
* Anm. d. Red.: Der Zusatz, dass Professor Dannemann selbst bei Vroniplag aktiv ist, wurde nachträglich eingefügt am 10.07.2013 um 9:30 Uhr. Wir danken für den Hinweis eines Lesers!
Hermann Horstkotte, Wissenschaftsbetrug: . In: Legal Tribune Online, 08.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9097 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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