Erfolg für die Umweltschutzorganisationen: Das OVG NRW in Münster hat einen vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst verfügt. Die Richter entsprechen damit in einem Eilverfahren dem Antrag des Umweltverbandes BUND.
Im Streit um die geplanten Rodungen im Hambacher Forst hat der Energiekonzern RWE eine Niederlage erlitten: Nach Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) in Münster hat der Energiekonzern die Notwendigkeit für die Versorgungssicherheit nicht bewiesen (Beschl. v. 05.10.2018, Az.11 B 1129/18). RWE und die Bezirksregierung Arnsberg als zuständige Behörde hätten nicht durch Tatsachen oder Unterlagen belegt, dass bei einem Rodungsstopp die Energieversorgung bundes- oder landesweit gefährdet sei, hieß es am Freitag in der Begründung der OVG-Entscheidung.
RWE hatte die Rodungen zuvor stets als notwendig bezeichnet, um den Braunkohle-Tagebau fortzusetzen und die Energieversorgung sicherzustellen. Daher sei es nicht gerechtfertigt, durch die Rodung vollendete Tatsachen zu schaffen, die zudem Belange des Gebiets- und Artenschutzes unwiderruflich beeinträchtigen könnten, stellte das Gericht fest.
Umweltschutzorganisationen äußerten sich hocherfreut über den vom OVG NRW verfügten Rodungsstopp im Hambacher Forst. "Das ist ein großer Erfolg unserer langjährigen juristischen Bemühungen und ist wirklich eine Zäsur hier in Nordrhein-Westfalen", sagte Dirk Jansen, Geschäftsführer des BUND Nordrhein-Westfalen, am Freitag bei einer Pressekonferenz mehrerer Umweltschutzorganisationen in Köln. "Wir sind sehr froh", sagte Jansen. Vor einigen Wochen waren Umweltaktivisten, die im Hambacher Forst für die Bewahrung ihrer Baumhäuser eintreten wollten, noch vor dem OVG NRW gescheitert.
Müssen Bechsteinfledermaus oder das große Mausohr geschützt werden?
Nach der Entscheidung des OVG NRW darf RWE den Hambacher Forst so lange nicht roden, bis über die Klage des BUND gegen den Hauptbetriebsplan 2018 bis 2020 für den Braunkohletagebau Hambach entschieden ist. Im Übrigen kann RWE im Tagebau Hambach weiter Braunkohle fördern, solange sie nicht die bewaldeten Flächen des Hambacher Forsts in Anspruch nimmt.
Die Bezirksregierung Arnsberg hatte als zuständige Bergbehörde die sofortige Vollziehung des für den Zeitraum vom 1. April 2018 bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Hauptbetriebsplans angeordnet. Die RWE hätte deshalb den Hambacher Forst weiter roden dürfen. Um dies zu verhindern, hatte der BUND NRW, der gegen den Hauptbetriebsplan Klage erhoben hat, die Gewährung von Eilrechtsschutz beantragt. Diesen hatte das Verwaltungsgericht (VG) Köln noch mit Beschluss vom 31. Juli 2018 abgelehnt (Az. 14 L 1440/18). Auf die Beschwerde des BUND stellte das OVG NRW nun die aufschiebende Wirkung der beim VG Köln anhängigen Klage wieder her - soweit der Hauptbetriebsplan in seinem südöstlichen bzw. südlichen Geltungsbereich Abgrabungen und die Anlegung einer ersten Sohle unter Inanspruchnahme des Hambacher Forsts zulässt.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte der 11. Senat in Münster aus, dass der Ausgang des Klageverfahrens, in dem die Rechtmäßigkeit des Hauptbetriebsplans und damit auch die darin zugelassene Rodung des Hambacher Forsts zu prüfen ist, offen sei. Es müsse geklärt werden, ob der Hambacher Forst, obwohl er der EU-Kommission bisher nicht nach der Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Richtlinie als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung gemeldet worden sei, wegen der Vorkommen der Bechsteinfledermaus oder des großen Mausohrs oder des Lebensraumtyps des dortigen Waldes dem Schutzregime für "potentielle FFH-Gebiete" unterfalle.
Am Zuge ist jetzt wieder das VG Köln. Dieses rechnet nicht mit einer kurzfristigen Entscheidung über die Klage des BUND. Eine Sprecherin des Gerichts sagte am Freitag: "Wir können nicht davon ausgehen, dass wir in wenigen Wochen eine Entscheidung in diesem Verfahren bekommen werden." Der Fortgang hänge sehr von dem Verhalten der Prozessbeteiligten ab und ob noch weitere Beweise erhoben werden müssten. Das sei nicht abschätzbar. RWE hatte im September in einem Gespräch mit mehreren Umweltverbänden eine Prüfung angeboten, ob der Rodungsbeginn auf Mitte Dezember verlegt werden könnte. Dies sei der spätestmögliche Termin, um noch einen Abschluss der Arbeiten bis Ende Februar 2019 zu ermöglichen.*
Zulässigkeit der Demonstration am Samstag noch offen
Ob unterdessen die für das Wochenende angemeldete Großdemonstration am Hambacher Forst stattfinden kann, wird im Laufe des Freitags vom Verwaltungsgericht (VG) Aachen entschieden. Die Polizei hatte die Großdemonstration wegen Sicherheitsbedenken verboten. Gegen die Untersagung haben die "NaturFreunde Deutschlands e.V." Klage und Eilantrag eingereicht, wie das VG Aachen gegenüber LTO bestätigte. Das Polizeipräsidium Aachen hatte dem VG bereits prophylaktisch eine "Schutzschrift" zukommen lassen, in der es noch einmal die Gründe für das Demo-Verbot schilderte. Die Polizei hatte die Untersagung unter anderem damit begründet, dass sich die Versammlungsfläche in den vergangenen Tagen immer wieder geändert habe, weil sich keiner der privaten Grundstückseigentümer ¬– darunter auch RWE – bereit erklärt habe, eine Fläche zur Verfügung zu stellen. "Damit konnte auch die erforderliche Sicherheitskonzeption nicht zeitgerecht erstellt werden", erklärte die Polizei.
Politiker kritisierten in diesem Zusammenhang RWE: "Rund um den Hambacher Wald gibt es riesige Flächen, auf denen jede noch so große Demonstration stattfinden kann. Doch alle diese Flächen gehören RWE", erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer. "Es ist ein Hohn, wenn RWE-Chef Rolf-Martin Schmitz friedlichen Protest gegen die Braunkohle ausdrücklich gutheißt, diesen dann aber im konkreten verhindert." Auch die Linke im Bundestag kritisierte die Entscheidung der Aachener Polizei. "Das Demonstrationsverbot ist eine undemokratische Schikane der Polizei Aachen, die Gründe sind vorgeschoben und werden einer richterlichen Prüfung nicht standhalten", sagte Lorenz Gösta Beutin, Energie- und Klimapolitiker der Linken im Bundestag.
Mit einer Entscheidung in der Sache ist im Laufe des Nachmittags zu rechnen.
Mit Material von dpa
*Anm. d.Redaktion: Hinweis des VG Köln wurde am 5.10.18 um 14.25 Uhr nachträglich ergänzt.
OVG Münster zum Hambacher Forst: . In: Legal Tribune Online, 05.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31335 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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