Neuer Staatsschutzsenat in Stuttgart nimmt Arbeit auf: Ter­r­or­ver­fahren in der JVA Stamm­heim

von Dr. Eike Fesefeldt

08.12.2015

2/2: 130 neue Stellen für Polizei, Justiz und Verfassungsschutz in Baden-Württemberg

Auch das Land Baden-Württemberg hat auf den internationalen Terror reagiert. Im Rahmen eines ersten Antiterrorpakets hat die grün-rote Landesregierung angesichts der Gefahr durch Islamisten im März 2015 130 neue Stellen für Polizei, Justiz und Verfassungsschutz beschlossen. Mit eingeschlossen waren neue Richterstellen am OLG Stuttgart und den Landgerichten (LG) Stuttgart und Karlsruhe, um entsprechende Staatsschutzsenate und -Kammern einzurichten.

Jetzt beginnt am 8. Dezember 2015 der neu geschaffene Dritte Staatsschutzsenat des OLG Stuttgart sein erstes Verfahren. Für Januar 2016 ist zudem eine weitere Anklage mit Hintergrund Syrienkonflikt am OLG Stuttgart angekündigt. Das OLG Stuttgart dürfte in Deutschland zu den dafür prädestiniertesten Gerichten in Deutschland gehören, da es seine Terrorprozesse im Gerichtsgebäude der JVA Stammheim abhalten wird; der Ort, an dem die RAF-Prozesse stattfanden. Die dort vorhandene Infra- und Sicherheitsstruktur ist gerade für derartige Verfahren besonders geeignet.

Die Anklage gegen Unterstützer der Miliz "Ahrar al-Sham"

Auch der Dritte Staatsschutzsenat wird gemäß § 129 a StGB vor der Frage stehen, ob es sich bei der Miliz "Ahrar al-Sham" (zu Deutsch: "Islamische Bewegung der Freien Männer Großsyriens") um eine Terrorvereinigung handelt. Geklärt ist diese Frage bislang nicht höchstrichterlich, da sich die Staatsschutzverfahren vor den anderen OLG auf die Terrormiliz des "Islamischen Staats" konzentrierten. Wie brisant diese Frage im Verfahren werden wird, zeigt schon die entsprechende Pressemitteilung des Generalbundesanwalts vom 25. Juni 2015. Darin heißt es, dass die "'Ahrar al-Sham' zumindest bis Mitte 2014 eine der größten und einflussreichsten salafistisch-jihadistischen Gruppierungen der syrischen Aufstandsbewegung gewesen" sei und sie es sich zum Ziel gesetzt habe, "das Regime des syrischen Machthabers Assad zu stürzen und einen allein auf der Scharia gegründeten Gottesstaat zu errichten".

Seit Mitte 2014 ist allerdings im Syrienkonflikt viel passiert, größtenteils zum Negativen: Fronten haben sich verschoben, Allianzen haben sich gebildet und sind wieder zusammengefallen, der Terror hat längst Europa erreicht und Deutschland befindet sich in einem Kriegszustand mit dem "Islamischen Staat". Und während die "Ahrar al-Sham" vormals noch eine Art Bündnispartner des IS war, wurde ihre gesamte Führungsspitze laut Pressemitteilung des Generalbundesanwalts bei einem Anschlag Anfang September 2014 getötet.

Es deutet sich allerdings mittlerweile eine Art Wiedergeburt von "Ahrar al-Sham" an. Die getöteten Anführer und Kommandeure wurden anscheinend ersetzt, die Rebellen schlossen sich mit anderen Gruppierungen zusammen und eroberten bereits mehrere Gebiete. Mittlerweile sieht es sogar danach aus, als gäbe es handfeste Verhandlungen oder fast schon Kooperationen westlicher Staaten mit "Ahrar al-Sham", etwa durch die USA oder die Türkei.

Staatsschutz als aktiver Bestandteil nationaler Strafrechtsrechtspflege

Für das OLG Stuttgart wird es in erster Linie nur relevant sein, ob "Ahrar al-Sham" zum Zeitpunkt der Taten der Angeklagten eine terroristische Vereinigung im Sinne der § 129a i.V.m. § 129b StGB gewesen ist, wenn eine ex ante Betrachtung sicher auch eine indizielle Wirkung mit sich bringt.

Dennoch zeigt diese kurze vorstehende Betrachtung der aktuellen Entwicklungen, vor welche schwierigen juristischen und tatsächlichen Fragestellungen die deutsche Strafrechtspflege durch den internationalen Terrorismus gestellt wird. Genauso wie die Politik, die deutschen Sicherheitsbehörden und die Landesverteidigung wird die deutsche Justiz den internationalen Terror im zunehmenden Maße auf der Agenda haben müssen.

Der Autor Dr. Eike Fesefeldt ist Richter in einer Großen Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Stuttgart.

Zitiervorschlag

Neuer Staatsschutzsenat in Stuttgart nimmt Arbeit auf: . In: Legal Tribune Online, 08.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17780 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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