OLG Frankfurt zu Altanleihen ausländischer Emittenten: Viel mehr als nur die Pfleiderer- und Q-Cells-Sanierung verhindert

von Dr. Uwe Goetker und Dr. Felix Keinath LL.M. (UConn)

10.05.2012

Pfleiderer und Q-Cells mussten Insolvenz anmelden, nachdem das OLG Frankfurt beschloss, dass die nachträgliche Einführung von Mehrheitsklauseln für Altanleihen ausländischer Emittenten nicht möglich ist. Über diese populären Einzelfälle aber geht die Entscheidung weit hinaus: Unternehmenssanierungen können scheitern, wenn einzelne Anleihegläubiger Rettungsmaßnahmen blockieren, kommentieren Uwe Goetker und Felix Keinath.

Die unterschiedlichen Standards zwischen alten und neuen Anleihebedingungen, die das Oberlandesgericht Frankfurt mit seiner Entscheidung (OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.03.2012, Az. 5 AktG 3/11) zementiert hat, haben nicht nur zum Scheitern der Sanierungspläne von Pfleiderer, der Beschwerdeführerin im Verfahren in Frankfurt, geführt. Wegen des gleichgelagerten Sachverhalts sah auch Q-Cells für seine Beschwerde keine Erfolgsaussicht mehr und warf die Flinte ins Korn. Das Management beider Gesellschaften war gezwungen, Insolvenzantrag zu stellen.

Die Entscheidung der Frankfurter Richter könnte, wenn nicht der Gesetzgeber eingreift, noch viele Jahre lang Sanierungsbemühungen zu Fall bringen, Restrukturierungen aber jedenfalls erheblich verteuern und erschweren. Das neue Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) vom 5. August 2009 regelt in § 5 für nach seinem Inkrafttreten begebene Anleihen ("Neuanleihen"), dass die Bedingungen von nach deutschem Recht begebenen Anleihen mit einer Mehrheitsklausel (so genannte Collective Action Clause – CAC) versehen werden können. Ist das geschehen, kann die Gläubigerversammlung mit einer Mehrheit von 75 Prozent die Anleihebedingungen auch nachträglich ändern, so dass zum Beispiel ein Debt-Equity-Swap für alle Anleihegläubiger verbindlich gemacht werden kann.

Auch die Gläubiger von vor Inkrafttreten des neuen SchVG begebenen "Altanleihen" können sich mit qualifizierter Mehrheit von 75 Prozent für die Einführung einer solchen Mehrheitsklausel entscheiden. Diese so genannte Opt-in-Möglichkeit regelt § 24 Abs. 2 SchVG.

OLG Frankfurt: Kein Opt-in für ausländische Emittenten

In den Fällen Pfleiderer und Q-Cells ging es um nach deutschem Recht begebene Altanleihen ausländischer Emittenten. Die jeweiligen Anleihegläubiger hatten im Rahmen der Sanierungsbemühungen beschlossen, von dieser Opt-in-Möglichkeit Gebrauch zu machen. Den Beschluss über die Einführung der Mehrheitsklausel haben jedoch einige der überstimmten Anleihegläubiger mit Erfolg gerichtlich angefochten. Die Beschwerde von Pfleiderer beim OLG Frankfurt, das in diesen Fällen das letzte Wort hat, blieb ohne Erfolg.

Mit seiner Entscheidung hat das OLG Frankfurt für Altanleihen den Anwendungsbereich der neuen Fassung des SchVG zu stark eingeschränkt. Die hessischen Richter sind der Auffassung, dass die Opt-in-Möglichkeit des § 24 Abs. 2 SchVG Emittenten mit Sitz im Ausland nicht offen stehe. Vielmehr könnten nur solche Emittenten eine Mehrheitsklausel einführen, für die schon das alte Schuldverschreibungsgesetz aus dem Jahr 1899 eine nachträgliche Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss zugelassen habe. Das SchVG 1899 war aber nur auf Emittenten mit Sitz im Inland anwendbar.

Die Frankfurter Entscheidung führt zu großen praktischen Problemen. Wegen gewerbesteuerlicher und emissionstechnischer Vorteile ist es bei deutschen Aktiengesellschaften weithin üblich, dass eine im Ausland ansässige Finanzierungsgesellschaft als Emittentin auftritt, deren Emissionen von der deutschen AG garantiert werden. So geschehen auch bei Pfleiderer und Q-Cells, die sich für die Begebung der Anleihe jeweils einer niederländischen Tochtergesellschaft bedienten.

Die sehr enge Auslegung des OLG Frankfurt verhindert nun, dass sich die Altanleihegläubiger von Auslandsemittenten mit qualifizierter Mehrheit dem sanierungsfreundlicheren neuen SchVG unterwerfen können. Weder dieses Ergebnis noch die im Wesentlichen auf das verfassungsrechtliche Verbot der Rückwirkung gestützte Entscheidung überzeugen.

Die Konsequenzen: Raus aus Deutschland oder Insolvenz

Ein Vertrauen der Gläubiger von Altanleihen darauf, nicht durch neue gesetzliche Regelungen mit Mehrheitsentscheidungen konfrontiert zu werden, ist nicht schutzwürdig. Denn letztlich geht es bei der nachträglichen Einführung der Mehrheitsklausel nicht um eine Verschlechterung ihrer Rechtsposition. Vielmehr dient eine Koordinierung gerade den Interessen der Gläubiger, die bei Sanierungsbedarf überhaupt erst handlungsfähig sein müssen.

Dies gilt insbesondere auch, weil die von Q-Cells und Pfleiderer begebenen Hybridanleihen wegen ihres Nachrangs im Insolvenzverfahren wohl wertlos sein dürften. Außerdem unterläuft die Auslegung des OLG die Zielsetzung der Neufassung des SchVG, Sanierungsoptionen bei nach deutschem Recht begebenen Anleihen unabhängig vom Emittentensitz zu erleichtern.

Als Ausweg kommt deshalb derzeit wohl nur eine Verlagerung ins Ausland mit anschließender außergerichtlicher Restrukturierung nach ausländischem Recht oder eine Restrukturierung durch ein Insolvenzverfahren in Betracht. Beide Varianten haben aber den Nachteil, dass die Sanierung erschwert, verzögert und verteuert wird. Es wäre daher wünschenswert, wenn der Gesetzgeber eine Klarstellung in das SchVG aufnähme, dass ein Opt-in nach § 24 Abs. 2 SchVG auch dann möglich ist, wenn die Emittentin ihren Sitz im Ausland hat.

Der Autor Dr. Uwe Goetker ist Rechtsanwalt und Partner, der Autor Dr. Felix Keinath, LL.M. (UConn) ist Rechtsanwalt bei McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP am Standort Düsseldorf. Beide sind im Bereich Gesellschaftsrecht tätig, ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit sind Sanierung und Insolvenz.

Zitiervorschlag

OLG Frankfurt zu Altanleihen ausländischer Emittenten: . In: Legal Tribune Online, 10.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6173 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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