Donald Trumps Supreme-Court-Kandidat Gorsuch: "You're hired"

von Ass. iur. Michael Meier, LL.B.

02.02.2017

Donald Trump hat Neil Gorsuch für den freien Posten am Supreme Court vorgeschlagen. Welchen Einfluss seine Ernennung auf die Rechtsprechung des Gerichts haben wird und wie Trump dessen Kurs auf Jahrzehnte prägen könnte, beleuchtet Michael Meier.

Auch bei dieser Personalie konnte sich Donald Trump nicht völlig vom Stil des Castingshow-Moderators lösen: Für seine bereits vor Tagen auf Twitter angekündigte Wahl eines Nachfolgekandidaten für die vakante Richterstelle am Supreme Court ließ er neben dem 49-jährigen Bundesrichter Neil Gorsuch auch den ebenfalls in der engeren Auswahl stehenden Thomas Hardiman anreisen – um dann öffentlichkeitswirksam und zur besten Live-Sendezeit Gorsuch als seinen Favoriten zu küren.

Der Nominierung war eine monatelange und erbitterte politische Auseinandersetzung vorangegangen: Nach dem Tod des Supreme Court Richters Antonin Scalia im Februar 2016 stand zunächst dem damaligen demokratischen Präsidenten Barack Obama das Vorschlagsrecht für die Nachfolge zu. Die Ernennung muss aber vom Senat bestätigt werden, den seit 2015 die Republikaner beherrschen. In der Hoffnung, den Nachfolger nach einem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen selbst vorschlagen zu können, verlegten sich die Republikaner auf eine Blockadestrategie. Dem von Obama vorgeschlagenen und über Parteigrenzen hinweg fachlich anerkannten moderaten Bundesrichter Merrick Garland verweigerten sie nicht nur eine Abstimmung im Senat. Sie gewährten ihm nicht einmal die sonst übliche Anhörung – ein Novum in der jüngeren Geschichte der USA und eine neue Eskalationsstufe in der ohnehin stark politisierten Richterwahl.

Supreme Court tief gespalten

Dafür gibt es handfeste Gründe: Der Supreme Court ist ein erheblicher Machtfaktor im amerikanischen Verfassungsleben. Die Richter fungieren gleichzeitig als Verfassungs- und höchstes Revisionsgericht des Landes. Anders als in Deutschland sind die Aufgaben nicht zwischen verschiedenen Senaten aufgeteilt. Alle Entscheidungen, von Patentstreitigkeiten bis zum Organstreitverfahren, werden von den gleichen neun Richtern gefällt. Sie werden zudem auf Lebenszeit gewählt. Je nach Antrittsalter und gesundheitlicher Konstitution sind deshalb Amtszeiten von mehr als 20 oder gar 30 Jahren keine Seltenheit.

Hinzu kommt, dass die gesellschaftliche und politische Polarisierung in den USA stark in das Obergericht hineinwirkt. Spätestens seit den 1980-er Jahren haben sich die jeweiligen US-Präsidenten verstärkt bemüht, möglichst "linientreue" Richter zu ernennen. Dementsprechend verlaufen die Konfliktlinien in besonders brisanten verfassungsrechtlichen Fragen häufig strikt entlang der ideologischen Gesinnung: vier der Richter lassen sich eindeutig dem liberalen Spektrum zuordnen, vier weitere vertreten entschieden konservative Positionen.

Einzig der noch von Ronald Reagan nominierte Anthony Kennedy passt nicht eindeutig in dieses Schema und gilt deshalb als swing vote. Grundsätzlich als Konservativer angetreten, stimmt er mitunter mit den vier liberalen Richtern. So hat er sich wiederholt für das Recht auf Abtreibung ausgesprochen, 2015 stimmte er für die landesweite Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Andererseits schloss er sich bei der Todesstrafe und dem Waffenbesitzrecht in der Regel dem konservativen Flügel an. 

Gerade das Abtreibungsrecht spaltet die Amerikaner wie kaum ein anderes Thema. Im Jahr 1973 erklärte der Supreme Court in der Leitentscheidung Roe v. Wade die Mehrzahl der bis dahin gültigen restriktiven Abtreibungsgesetze für verfassungswidrig. Besonders die religiöse Rechte hat seitdem nichts unversucht gelassen, auf eine Änderung dieser Rechtsprechung hinzuwirken.

Mit der Ernennung Gorsuchs erfüllt Trump ein Wahlkampfversprechen

Auch der 2016 verstorbene Richter Scalia hatte sich wiederholt für die Änderung von Roe v. Wade eingesetzt. Seit 1986 im Amt, war er einer der streitbarsten und kompromisslosesten Konservativen am Gericht und galt deshalb als Galionsfigur der politischen Rechten.

Hätte Barack Obama (oder, bei einem Wahlerfolg der Demokraten, Hillary Clinton) seine Richterstelle nachbesetzen können, hätten die liberalen Richter erstmals seit Langem wieder über eine eigene Mehrheit verfügt, ohne auf die ungewisse Mitwirkung von Kennedy angewiesen zu sein. Gerade diese Aussicht trieb viele konservative Wähler in die Arme von Donald Trump, der die Nachbesetzung durch einen Richter nach dem Schlage Scalias versprach.

Mit der Ernennung von Neil Gorsuch will Trump nun dieses Wahlversprechen einlösen. Gorsuch verfügt über einen makellosen Lebenslauf, hat u.a. in Harvard und Oxford studiert und anschließend von 1993 bis 1994 einen prestigeträchtigen Posten als Assistent (law clerk) am Supreme Court ausgefüllt – und damals ausgerechnet Anthony Kennedy zugearbeitet. 2006 wurde er von George W. Bush für eine Stelle an einem Bundesberufungsgericht nominiert und im Senat ohne Gegenstimme bestätigt.

Auf diesem Posten hat er sich einen Ruf als eher konservativer Jurist erarbeitet. Wie Scalia ist er ein erklärter Befürworter des originalism,  also der Auslegung der Verfassung nach dem Verständnis der Verfassungsväter von 1789. Er plädiert für richterliche Zurückhaltung und lehnt etwa die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Ehen ab. Zumindest im Ton trat Gorsuch bislang jedoch moderater auf als sein notorisch donnernder Vorgänger Scalia. Anders als dieser ist Gorsuch zudem kein Anhänger der Chevron Doktrin, die besagt, dass Gerichte die Auslegung uneindeutiger Rechtsbegriffe durch die Exekutive nicht hinterfragen dürfen, solang sie mit dem Wortlaut nicht schlechthin unvereinbar ist. Es bleibt also abzuwarten, wo genau sich Gorsuch als Supreme Court Richter im konservativen Spektrum positionieren wird.

Zitiervorschlag

Donald Trumps Supreme-Court-Kandidat Gorsuch: . In: Legal Tribune Online, 02.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21972 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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