2/2: Untersuchungsausschuss derzeit nur über Umwege
Gegenwärtig regiert allerdings eine große Koalition in Deutschland. Sie ist so groß, dass selbst eine Opposition, die alle Kräfte vereint, deutlich unterhalb des Quorums von einem Viertel der Abgeordneten bleibt. Zurzeit ergibt sich das Recht von Linksfraktion und Grünen, einen Untersuchungsausschuss zu initiieren, aus § 126 a GO BT, in dem die Mehrheit verpflichtet wird, bereits auf Antrag von 120 Abgeordneten einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Dass Grüne und Linke demnach kooperieren müssten, macht Untersuchungsausschüsse aktuell zu einer seltenen Erscheinung, obwohl die Vorgänge rund um netzpolitik.org nach einem Ausschuss geradezu rufen.
Immerhin ist die Antwort der Bundesregierung auf die Anfang August 2015 gestellte Kleine Anfrage der Grünen zu dieser Affäre bei normalem Gang der Dinge bald zu erwarten.
Zuvor ist aber bereits der Rechtsausschuss des Bundestages tätig geworden und hat für den 19. August 2015 den Innen- und den Justizminister sowie den Präsidenten des Verfassungsschutzes und den scheidenden Generalbundesanwalt zu einem Gespräch über die Ermittlungen gegen netzpolitik.org eingeladen. Gekommen sind nur der Justizminister und sein Noch-Mitarbeiter Generalbundesanwalt Range. Amtlich werden wir den Inhalt der Unterredung, die wie die meisten Sitzungen der Ausschüsse des Bundestages unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, nicht erfahren. Die Unterhaltung soll nach Berichten von Teilnehmern aber ziemlich lebhaft gewesen sein.
Für den Ausschuss wäre es auch interessant gewesen, zu hören, was de Maizière und Maaßen, die die Sitzung geschwänzt haben, zur Aufklärung beitragen können. Wenigstens den Bundesinnenminister als Mitglied der Bundesregierung hätte der Ausschuss auch rechtsverbindlich laden können, Art. 43 Abs. 1 GG. Dieses sogenannte Zitierungsrecht ist aber ein Recht der Mehrheit des Plenums oder des jeweiligen Ausschusses. Damit spielt es als Kontrollinstrument der Opposition im Parlament faktisch kaum eine Rolle.
Insgesamt verfügt der Bundestag über einen Satz an wirksamen Werkzeugen, um Informationen zu gewinnen. In der Praxis des parlamentarischen Regierungssystems, in der Regierung und Mehrheitsfraktionen eng verzahnt sind, bewähren sich allerdings vor allem die Instrumente, die auch einer Minderheit zu Gebote stehen.
Der Autor Dr. Sebastian Roßner M.A. ist Habilitand am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtstheorie und Rechtssoziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Sebastian Roßner, Grüne wollen Vorgänge um netzpolitik.org aufklären: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16685 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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