Der BGH hat kürzlich entschieden, dass Mobilfunkbetreiber auch unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten nicht verpflichtet sind, die Nutzung ihrer SIM-Karten in sog. GSM-Gateways zu gestatten. Die Vermittlung von Telefongesprächen über GSM-Wandler zu Endkundenkonditionen und das damit einher gehende Geschäftsmodell sind damit Geschichte.
Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs gingen seit etwa 2004 diverse und durchaus nicht immer nur mit lauteren Mitteln geführte Streitigkeiten zwischen Mobilfunknetzbetreibern, insbesondere E-Plus, und anderen Netzbetreibern voraus, die Telefonate über GSM-Gateways in Mobilfunknetze vermittelt hatten. Das Urteil beendet damit einen jahrelangen Streit, der von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist.
GSM-Gateways (GSM-Wandler) sind Geräte, in die SIM-Karten von Mobilfunkanbieter eingesetzt werden können, um Telefonanrufe aus dem Festnetz in das jeweilige Mobilfunknetz weiterzuleiten. Die Nutzung der GSM-Gateway-Technik wurde insbesondere ab ca. 2004 genutzt, um die relativ hohen Netzentgelte für Telefonanrufe aus dem Festnetz in Mobilfunknetze zu umgehen.
Zu diesem Zweck kauften Telekommunikations (TK)-Unternehmen SIM-Karten (Endkundentarif) an und setzte diese in GSM-Wandler ein. Hierdurch konnte ein Festnetzgespräch unter Umgehung der vordefinierten Netzzusammenschaltungspunkte (Point of Interconnection) in ein netzinternes Gespräch (Mobilfunknetz) umgewandelt werden.
Dies führte zu einer erheblichen Reduktion der Verbindungsentgelte und somit zu einer substantiellen Erhöhung der eigenen Gewinnmarge zu Lasten der Mobilfunkanbieter.
Die Mobilfunkbetreiber machten mobil
Mobilfunkbetreiber gingen deshalb gegen diesen sog. Interconnection-Fraud sowohl technisch als auch rechtlich vor. Die Nutzung von GSM-Gateways zur Vermittlung von Festnetzgesprächen in Mobilfunknetze wurde von der Rechtsprechung regelmäßig als wettbewerbswidrig angesehen und die betroffenen SIM-Karten wurden von den einzelnen Mobilfunkanbietern gesperrt.
In dem vom Bundesgerichtshof (BGH) nun entschiedenen Fall hatte die beklagte Gateway-Betreiberin SIM-Karten des Netzbetreibers E-Plus zu Endnutzerbedingungen erworben und in GSM-Gateways eingesetzt, ohne auf diese Verwendungsabsicht hinzuweisen.
E-Plus, der dadurch Entgelte entgingen, nahm die Beklagte deshalb auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte erhob Widerklage mit dem Ziel, dass E-Plus den Einsatz von SIM-Karten in GSM-Gateways erlaubt und stützte dies auf einen Verstoß gegen Art. 82 EGV.
… und bekommen vom BGH Recht
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf gab der Beklagten noch teilweise Recht und stellte sich auf den Standpunkt, E-Plus missbrauche unter Verstoß gegen Art. 82 EGV (jetzt: Art 102 EGV) ihre marktbeherrschende Stellung im Markt der Zustellung von Anrufen in ihr Mobilfunknetz, wenn sie den Einsatz von GSM-Gateways generell untersage.
E-Plus sei jedoch nicht verpflichtet, die Karten zu Endkunden-Konditionen zur Verfügung zu stellen. Sie dürfe vielmehr ein angemessenes Entgelt verlangen und dem Einsatz von GSM-Gateways angepasste besondere Nutzungsbedingungen vereinbaren.
Nach Auffassung des BGH handelt E-Plus hingegen nicht missbräuchlich im Sinne von Art. 82 EGV, wenn sie sich weigert, SIM-Karten zum Zweck des Einsatzes in GSM-Wandlern zur Verfügung zu stellen ( Urt. v. 29.06.2010, Az. KZR 31/08).
Maßgeblich für diese Wertung des Kartellsenats war, dass der Zugang zu dem Mobilfunknetz von E-Plus durch Verfügung der Bundesnetzagentur nach § 21 TKG dahingehend reguliert worden ist, dass E-Plus die Zusammenschaltung ihres Mobilfunknetzes mit anderen Telefonnetzen an einem festen Übergabepunkt zu einem von der Bundesnetzagentur festgesetzten Verbindungsentgelt gewähren muss.
Wenn ein Unternehmen, das für bestimmte Telekommunikationsdienstleistungen eine marktbeherrschende Stellung hat, Zugang zu dem von ihm beherrschten Markt (nur) unter den von der Regulierungsbehörde nach § 21 TKG festgesetzten Bedingungen gewährt, handelt es aber nicht missbräuchlich.
Recht und Wirtschaft(lichkeit): Das Ende der Endkundenkonditionen über GSM-Wandler
Der BGH hat dem Geschäftsmodell der Vermittlung von Telefongesprächen zu Endkundenkonditionen über GSM-Wandler eine Absage erteilt. Nach der Entscheidung sind Mobilfunknetzbetreiber mit marktbeherrschender Stellung nicht verpflichtet, neben den regulierten Netzzusammenschaltungspunkten – entweder direkter Interconnect zwischen Netzbetreibern oder Interconnect über das Netz der DTAG – weitere Alternativen zur Netzzusammenschaltung anzubieten.
Wirtschaftlich ist auch nicht zu erwarten, dass Mobilfunknetzbetreiber günstige Endkundentarife für Vermittlungszwecke aus Fremdnetzen anbieten werden. Dies würde letztlich zu einem rein wirtschaftlichen Vorteil der Betreiber von Fremdnetzen führen und die Verbindungsentgelte im Bereich Mobilfunk weiter absenken. Gegen einen kartellrechtlichen Missbrauch spricht daher auch das System der Entgeltregulierung.
Der Autor Guido Aßhoff, LL.M. (gewerblicher Rechtsschutz) ist Rechtsanwalt im Bereich Gewerblicher Rechtsschutz in einer überörtlichen Rechtsanwalts-Boutique am Standort Düsseldorf
Guido Aßhoff, Mobilfunk und Kartellrecht: . In: Legal Tribune Online, 08.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/912 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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