In Spanien liegt ein Gesetzentwurf zur Arbeitsfreistellung bei Menstruationsbeschwerden auf dem Tisch. Es wäre die erste Regelung dieser Art in Europa. Deutschland sollte sich daran ein Beispiel nehmen, findet Tatjana Volk.
Ein Gesetzentwurf der spanischen Regierung sieht vor, dass Frauen künftig bei heftigen Regelbeschwerden per Gesetz von der Arbeit befreit werden. Die Gehaltsfortzahlung soll der Staat übernehmen. Spanien würde mit diesem Gesetz zum Vorreiter: In Russland und Italien konnten sich ähnliche Gesetzesentwürfe nicht durchsetzen. Bekannt ist die Thematik meist unter der Begrifflichkeit "Menstruationsurlaub". Doch um diese irreführende Bezeichnung zu vermeiden, bietet es sich an, von Menstruationsfreistellung zu sprechen. Denn mit Urlaub hat das Ganze nun wirklich nichts zu tun.
Nachdem die Entwicklung in Spanien bekannt wurde, wird die Thematik auch in Deutschland diskutiert. In den Beiträgen wird dabei vor allem auf die gesetzlichen Differenzen des deutschen und des spanischen Rechtssystems hingewiesen. Gegenüber LTO hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erklärt, dass ihm keine politischen Forderungen nach einer Menstruationsfreistellung bekannt seien. Im Übrigen könnten sich Arbeitnehmer:innen in Deutschland bereits krankmelden, wenn die Menstruationsbeschwerden einen Krankheitswert erreichten. Es bestehe ab dem ersten Tag der Krankheit ein gesetzlicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen die Arbeitgeber:in.
Doch ist damit die Diskussion um eine Menstruationsfreistellung in Deutschland beendet? Mitnichten. Es gibt bereits seit längerem entsprechende Forderungen, sie sind nur noch nicht bis in die hohen Riegen der Politik vorgedrungen. So hatte die SPD-Baden-Württemberg 2021 einen Beschluss verabschiedet, der die Möglichkeit einer dreitägigen Menstruationsfreistellung pro Monat mit einem jährlichen Attest vorsieht.
"Frauen sehen sich nicht als 'krank' an"
Der "gelbe Zettel", der sprachlich neutral als Arbeitsunfähigkeit bezeichnet wird, knüpft gesetzlich in § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) an das Vorliegen einer Krankheit an. Eine Krankmeldung ist jedoch keine gleichwertige Alternative. Es handelt sich für viele menstruierende Personen gerade nicht um einen "regelwidrigen Körper- und Gesundheitszustand". Laut einer Studie des Unternehmens Womanizer würden sich zwei von drei Menstruierenden bei starken Schmerzen gern krankmelden – aber nur ein Drittel tut es tatsächlich. Denn die befragten Frauen sahen sich nicht als "krank" an. Arbeitsfähig fühlten sie sich trotzdem nicht. Gestützt wird dieses Ergebnis auch von einer niederländischen Studie (Schoep u.a.), wo nach Frauen, die während ihrer Menstruation bei der Arbeit anwesend waren, eine Produktivitätseinbuße von über 30 Prozent verzeichneten.
Dieser Problematik könnte mit Hilfe eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung infolge von Menstruationsbeschwerden für bis zu drei Tage Rechnung getragen werden. Durch die Forderung eines jährlichen Attestes, das die Menstruation und die Menstruationsbeschwerden belegt, wird dem Einwand einer möglichen Diskriminierung von Männern Rechnung getragen. Schließlich würde nicht an das Geschlecht, sondern an die Menstruation und die Menstruationsbeschwerden angeknüpft. Frauen, die nicht (mehr) menstruieren, werden von dem Anspruch demnach ausgenommen.
Gestaltet man den Anspruch so aus, dass er unabhängig vom Anspruch auf Entgeltfortzahlung infolge Krankheit steht, beispielsweise als § 3 Abs. 1a EFZG, droht auch keine Einbuße des Schutzes aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Es muss nicht befürchtet werden, dass Arbeitnehmer:innen bei Krankmeldungen künftig einen Grund angeben müssten. Denn der Anspruch auf Entgeltfortzahlung infolge Menstruationsbeschwerden stünde als weitere Wahlmöglichkeit neben der Krankmeldung. Außerdem ließe sich so vermeiden, dass Tage mit Menstruationsbeschwerden im Rahmen einer krankheitsbedingten Kündigung Berücksichtigung finden.
Droht die berufliche Benachteiligung junger Frauen?
Als weitere Kritikpunkte an einer derartigen Regelung werden die drohende Benachteiligung von Frauen und Sexismus am Arbeitsplatz angeführt. Frauen würden damit zu unattraktiveren Arbeitnehmerinnen gemacht, da sich die Chefin oder der Chef überlegen müsse, ob er bzw. sie eine Frau mit einem möglichen Anspruch auf Menstruationsfreistellung oder nicht doch lieber einen Mann einstellt.
Allerdings: Dieses Argument könnte auch für die Regelungen zu Mutterschutz, Elternzeit und Pflegezeit angeführt werden. Frauen im gebärfähigen Alter sind bereits jetzt die unattraktivste Zielgruppe für Arbeitgeber:innen, sofern diese ihr Personal ausschließlich nach möglichen Ausfallzeiten auswählen. Statistisch sind sie es, die in Mutterschutz gehen, längere Elternzeit beantragen, von der Arbeit fernbleiben, wenn die Kinder krank sind oder ihre Angehörigen pflegen. Und dennoch werden junge Frauen eingestellt, sie gelten in der Arbeitswelt als besonders fleißig und engagiert. Zusätzlich könnte dem Anspruch ein Recht zur Lüge bei Fragen nach Menstruationsbeschwerden im Bewerbungsverfahren beiseitegestellt werden, wie wir es beispielsweise für Fragen nach Schwangerschaft oder Gewerkschaftszugehörigkeit kennen.
"Periode ist kein Makel"
Der Anspruch auf Menstruationsfreistellung stärkt auch keine weiblichen Stereotype und erklärt Frauen zum schwachen Geschlecht. Im Gegenteil: Er schafft einen Weg, Nachteile im Beruf aufgrund von natürlichen Beschwerden des Körpers aufzufangen, lässt aber auch die Möglichkeit offen, davon keinen Gebrauch zu machen. Die Periode ist kein Makel, kann aber eben zur Arbeitsunfähigkeit und Ausfallzeiten führen, die es auszugleichen gilt. Das ist nicht gleichbedeutend mit Schwäche, sondern mit mehr Gerechtigkeit in der Arbeitswelt.
Die Menstruation ist nach wie vor ein Tabuthema in der Gesellschaft. Ein Menstruationsfreistellungsanspruch auch in Deutschland könnte nicht nur Betroffenen helfen, sondern darüber hinaus zu einer Enttabuisierung des Themas beitragen. Der Gesetzesentwurf in Spanien jedenfalls bietet die Möglichkeit, sich mit dem Thema nun auch in Deutschland intensiver zu befassen. Am Ende eines Diskussionsprozesses könnte dann der Vorschlag für eine Gesetzesänderung stehen.
Die Autorin Tatjana Volk ist Doktorandin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht von Frau Prof. Christiane Brors an der Universität Oldenburg. Zuvor war sie im Bereich Arbeitsrecht als Rechtsanwältin tätig.
Freistellung wegen Menstruationsschmerzen: . In: Legal Tribune Online, 19.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48501 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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