Mehr Beamte in der Hauptstadt: Berlin schert sich nicht um Verpflichtung gegenüber Bonn

von Prof. Dr. Joachim Wieland

09.11.2012

Die Bundesregierung verletzt seit Jahren ständig das Berlin/Bonn-Gesetz, weil sie den größeren Teil ihrer Beamten in Berlin und nicht in Bonn beschäftigt. Diese Kernaussage eines der Stadt Bonn erstatteten Rechtsgutachten ist zwar plausibel begründet, hilft Bonn aber nicht weiter. Stattdessen sollten Hauptstadt und Bundesstadt einen neuen Interessenausgleich finden, meint Joachim Wieland.

Deutschland ist ein Rechtsstaat. Deshalb wähnte sich die Bundesstadt Bonn auf der sicheren Seite, als der Bundesgesetzgeber 1994 in § 4 Abs. 4 Berlin/Bonn-Gesetz der Bundesregierung die Vorgabe machte, dass "insgesamt der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien in der Bundesstadt Bonn erhalten bleibt." Doch das Vertrauen auf die Steuerungskraft eines Bundesgesetzes erwies sich als übertrieben.

Die "Ansiedlung des Kernbereichs der Regierungsfunktionen in der Bundeshauptstadt Berlin“ (so § 1 Abs. 2 Nr. 2 Berlin/Bonn-Gesetz) und die Organisationsgewalt der Regierung erwiesen sich als stärker. Waren 2000 noch mehr als 60 Prozent der Arbeitsplätze der Bundesministerien in Bonn angesiedelt, betrug diese Zahl 2011 nur noch etwas mehr als 45 Prozent. Vor allem Angehörige des höheren Dienstes arbeiten längst überwiegend in Berlin. Leibhaftige Bundesminister besuchen ihre Bonner Dienstsitze nur noch äußerst selten. Regiert wird in Berlin.

Berlin/Bonn-Gesetz verpflichtet Berlin, berechtigt aber nicht Bonn

Die Verlagerung von ministeriellen Arbeitsplätzen nach Berlin wird noch größere Dimensionen annehmen, wenn im Rahmen der Bundeswehrstrukturreform die Zahl der Arbeitsplätze im Bundesverteidigungsministerium auf der Hardthöhe in Bonn auf 750 reduziert wird und 1.250 Mitarbeiter in Berlin ansässig sein werden.

Diese Pläne haben Bonn veranlasst, ein Rechtsgutachten des Berliner Staatsrechtslehrers Markus Heintzen einzuholen. Dessen Ergebnis vermag angesichts des eindeutigen Wortlauts des Berlin/Bonn-Gesetzes kaum zu überraschen: Die gegenwärtige Organisation der Bundesregierung ist gesetzeswidrig.

Was hilft aber eine Rechtsposition, die man nicht durchsetzen kann? Insoweit muss Heintzen Bonn enttäuschen: Das Berlin/Bonn-Gesetz verpflichtet zwar die Bundesregierung, berechtigt aber nicht Bonn. Mangels eines subjektiven Rechtes kann die Bundesstadt die Einhaltung des Gesetzes nicht vor Gericht durchsetzen. Ein Gesetz, das vom Verpflichteten ungestraft gebrochen werden kann und auch wird, wird zum letztlich wirkungslosen law in the books. Das hat die Bundesregierung schnell, die Bundesstadt erst jetzt erkannt.

Jobs bei Bundesoberbehörden als Ausgleich

Bonn wäre in einer besseren Verhandlungsposition gewesen, wenn es vor dem Verlust der Mehrheit der Ministerialarbeitsplätze gehandelt hätte. Jetzt sollte die Stadt schnell das Gespräch mit der Bundesregierung suchen und nicht zuwarten, bis zwei Drittel oder drei Viertel der Arbeitsplätze in den Bundesministerien nach Berlin abgewandert sind oder sich die Position der Linkspartei durchgesetzt hat, die bis 2017 alle ministeriellen Arbeitsplätze in Berlin ansiedeln wollen.

Bonns Verhandlungsposition wird ungeachtet des Rechtsgutachtens nicht stärker sondern immer schwächer. Gegenwärtig bestehen noch Chancen, dass zum Ausgleich für ministerielle Arbeitsplätze und Dienstsitze in Bonn neue Jobs in Bundesoberbehörden oder andere Ausgleichsmaßnahmen ausgehandelt werden können.

Bonns Wohlergehen hängt nicht davon ab, dass am Rhein mitregiert wird. Im Sinne der Stadt und seiner Bürger wäre es aber, wenn die Zahl der Arbeitsplätze beim Bund in Bonn gleich bliebe. Dafür lohnt es sich zu kämpfen, nicht jedoch für eine bloß noch formale Rechtsposition.

Der Autor Prof. Dr. Joachim Wieland, LL.M., ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.

Zitiervorschlag

Joachim Wieland, Mehr Beamte in der Hauptstadt: . In: Legal Tribune Online, 09.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7508 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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