Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes: Staatlich verbotene Leistungssteigerung

17.11.2014

2/2: Nur Spitzensportler erfasst

Nicht jeder kann allerdings Täter des "Eigendopings" sein. Darunter sollen nur Spitzensportler fallen, die ihren Sport organisiert ausüben. Als ein solcher gilt, wer als Mitglied eines Testpools Trainingskontrollen des Dopingkontrollsystems unterliegt oder wer aus seiner sportlichen Betätigung Einnahmen von erheblichem Umfang erzielt (§ 4 Abs. 6 AntiDopG). Die Verfasser des Entwurfs nehmen an, dass nur solche Sportler die Integrität des Sports in strafwürdigem Maß erschüttern können, weil nur ihre Form des Leistungssports von der Öffentlichkeit derart stark wahrgenommen wird.

Mit dem Verweis auf die Zugehörigkeit eines Spitzensportlers zu einem Testpool des Dopingkontrollsystems schlägt das AntiDopG die Brücke zum Recht der Sportverbände und Anti-Doping-Agenturen. Federführend in der Bekämpfung ist seit 2002 neben der WADA die deutsche Nationale-Anti-Doping Agentur (NADA), beides privatrechtliche Stiftungen. Die NADA ist als nationaler Ableger zur Umsetzung der WADA-Regularien und zur Einrichtung eines effektiven Dopingkontrollsystems verpflichtet.

Als Teil ihres Kontrollsystems hat die NADA drei Testpools definiert, denen jeder Profisportler zugeteilt wird, je nachdem, wie risikoreich, also dopinganfällig seine Sportart ist und auf welchem Niveau er sie ausübt. Die Pools unterscheiden sich vor allem in der Kontrollhäufigkeit und in der Meldepflicht, der die Sportler gegenüber der NADA unterliegen. Alle Sportler in dem System müssen sich ohne Einschränkungen jederzeit für Dopingkontrollen bereithalten. In der höchsten Kategorie, der zum Beispiel die Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft angehören, müssen sie sogar im Voraus Angaben zu ihrem täglichen Aufenthaltsort machen, an dem sie für eine Dopingkontrolle zur Verfügung stehen. Wird ein Sportler beim Eigendoping "erwischt", wird ihm nach Art. 10 NADA-Code regelmäßig eine Wettkampfsperre von zwei Jahren auferlegt, 2015 soll sie gar auf vier Jahre erhöht werden.

Im Strafrecht gibt es keine "indirekte Beweisführung" 

Eine Besonderheit des NADA-Dopingrechts ist die Möglichkeit der sogenannten indirekten Beweisführung. Demnach sind Sanktionen wegen Dopings nicht nur dann möglich, wenn dem Athleten konkret nachgewiesen wurde, dass er bei seiner Leistung "nachgeholfen" hat, sondern auch schon bei Indizien, die den Rückschluss darauf zulassen.

Dafür können etwa schon anormale Blutwerte eines Athleten in der A- und B-Probe herangezogen werden. Nach Art. 2.1 NADA-Code ist nicht erforderlich, dass dem Sportler Vorsatz, Verschulden, Fahrlässigkeit oder bewusster Gebrauch nachgewiesen wird, um einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen zu begründen. Praktisch kommt die Anwendung dieses Maßstabes eher einer Beweislastumkehr gleich, so dass der Sportler bei Auftreten von Blutanomalien selbst substantiiert dazu vortragen muss, wieso dies nicht auf der Einnahme von Dopingmitteln beruht. 

Mit Blick auf diesen Beweismaßstab ergibt sich ein Konflikt des autonomen Doping-Verbandsrechts mit dem geplanten staatlichen Doping-Strafrecht. Eine Beweislastumkehr oder eine solche Vermutung ist dem von der Unschuldsvermutung geprägten deutschen Strafrecht fremd. Im Strafprozess muss dem Sportler vielmehr die Erfüllung sämtlicher Tatbestandsmerkmale von den Strafverfolgungsbehörden nachgewiesen werden. Allein vom Vorliegen einer positiven Dopingprobe dürfte beispielsweise nicht auf ein objektiv und subjektiv tatbestandsmäßiges Verhalten im Sinne des Selbstdopings nach § 3 AntiDopG geschlossen werden. Allerdings ist es wohl berechtigt, den Beweismaßstab im Sportgerichtsverfahren zu senken, weil den Sportverbänden nicht die gleichen Ermittlungsmethoden zur Verfügung stehen können wie den Behörden.

Kollision von Sport- und Strafgerichtsbarkeit

Obwohl die Entwurfsbegründung ein Nebeneinander von strafrechtlichen Sanktionen und sportverbandsrechtlichen Möglichkeiten propagiert und das Strafverfahren als Ergänzung des Sportgerichtsverfahrens ansieht, könnte es in der Praxis daher zu divergierenden Entscheidungen kommen. Sollte ein Sportler zwar vom Sportgericht freigesprochen, aber im Strafverfahren wegen Selbstdopings verurteilt werden, könnten seine Konkurrenten den Wettkampf wohl im Nachhinein noch anfechten. In der umgekehrten Situation könnten die zu unrecht gesperrten Athleten Schadenersatzansprüche gegen den Sportverband erheben. Anstelle eines "Hand in Hand" von Sport- und Strafgerichtsbarkeit käme es dabei eher zur Kollision der Verfahren, die sich der Gesetzentwurf als Parallele vorstellt.

Dennoch könnte ein anderer Aspekt das AntiDopG zu einer Arbeitserleichterung bei der Doping-Bekämpfung für Sportverbände und Anti-Doping-Agenturen führen. Der in § 8 AntiDopG neu eröffnete Informationsaustausch über personenbezogene Daten zwischen Staatsanwaltschaften, Gerichten und NADA ermöglicht den Sportgerichten, ihre Verfahren auf strafprozessuale Ermittlungsergebnisse zu stützen und ein Auseinanderfallen der Urteile zu vermeiden.

Allerdings müssten diese dazu ihre Verfahren bis zum Abschluss des Strafprozesses aussetzen und hinnehmen, dass mutmaßliche Dopingsünder solange weiter an Wettkämpfen teilnehmen. Ob indes eine ausgebremste Sportgerichtsbarkeit das Vertrauen in die Sauberkeit des Sports stärken wird, kann man bezweifeln.

Ohnehin scheint das Anti-Doping-Gesetz nur der erste Schritt der staatlichen Novellierung des Sportrechts zu sein. In Justiz- und Innenministerium laufen bereits Planungen für ein Gesetz gegen Spielmanipulationen und Sportbetrug.

Der Autor Alexander Hettel ist Doktorand an der Universität Mannheim und forscht zu Rechtsfragen bei internationalen und nationalen Spielertransfers im Profifußball. Ehrenamtlich ist er als Sportrichter im Südbadischen Fußball-Verband tätig.

Zitiervorschlag

Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes: . In: Legal Tribune Online, 17.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13831 (abgerufen am: 04.11.2024 )

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