Lobby-Kanzleien: "Wir lügen niemals"

von Claudia Kornmeier

23.01.2014

2/2: Berlin hinkt hinterher

In Berlin regieren noch die Verbände das Lobby-Geschäft. Kein guter Zustand, meint Geiger. Ein Beispiel für gescheitertes Lobbying – wenngleich auf EU-Ebene – sei die erste Tabakwerberichtlinie. Da habe sich die Branche ganz auf die Arbeit ihres Verbandes verlassen. Am Ende landete die Richtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), der sie für nichtig erklärte (Urt. v. 05.10.2010, Az. C-376/98), und die Kommission musste ein neues Gesetzgebungsverfahren einleiten. "Dieses Gerichtsverfahren hätte vermieden werden können", so Geiger.

Alber & Geiger pflegt in der deutschen Hauptstadt dennoch keinen anderen Stil als in Brüssel. Geiger nennt es den Washington-Standard. In den USA gibt es reine Lobby-Firms schon seit den 70-ern. Nach und nach kommt das Geschäftsmodell auch in Brüssel an. Berlin hinkt noch hinterher.

Dort zielt der Lobby-Vorwurf eher auf eine umgekehrte Tätigkeit der Kanzleien. Darauf nämlich, dass diese neben ihrem üblichen Geschäft – der Beratung von Wirtschaftsunternehmen – plötzlich Mandate von Ministerien annehmen und diese bei der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen beraten. So arbeitete Freshfields am Finanzmarkstabilisierungsgesetz aus dem Hause Steinbrück mit, und zu Guttenberg beauftragte Linklaters mit einem Entwurf für eine Ergänzung des Kreditwesengesetzes. Gesetzgebungsoutsourcing nennen Kritiker das.

Freshfields: "Gesetze macht das Volk, nicht wir"

Markus Hartung war bis Anfang 2008 Managing Partner bei Linklaters in Deutschland. Er hält es nicht für problematisch, wenn eine Kanzlei im Auftrag eines Ministeriums ihr Know-How in den Gesetzgebungsprozess einbringt. Auch BRAK-Vize Schäfer sieht darin kein Problem: "Das ist Erfahrungswissen, das die Ministerialverwaltung gar nicht haben kann."

Für Wolf Spieth, Partner im Berliner Büro von Freshfields, ist es grundsätzlich ehrenvoll, für den Staat tätig zu werden. Immerhin gehe es um das Gemeinwohl. Lange von Lobby-Control mag allerdings nicht glauben, dass sich Großkanzleien dem öffentlichen Interesse verpflichtet fühlen. Ministerien müssten den Sachverstand schon selbst haben, auch um durchschauen zu können, was ihnen eine Kanzlei im Interesse der Wirtschaft möglicherweise unterschiebt. "Kanzleien sind deshalb nicht der richtige Ort für ein Gesetzgebungsverfahren." Da stimmt ihm Spieth im Grundsatz sogar zu: "Die Gesetze macht am Ende das Volk. Nicht ein Ministerium oder seine Berater."

Schäfer hält den Lobby-Vorwurf an Freshfields und Linklaters für ein großes Missverständnis, wenn nicht gar für eine unhaltbare Unterstellung. Er vergleicht die Tätigkeit der beiden Großkanzleien mit der eines Anwalts, der zunächst für einen Mieter und später für dessen Vermieter tätig wird. "Wenn die konkreten Fälle nichts miteinander zu tun haben, ist das überhaupt kein Problem." Außerdem hätte wohl niemand etwas einzuwenden, wenn ein Anwalt für einen Verein eine Satzung entwirft.

Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kanzleien bei ihrer Arbeit für die Ministerien Interessen ihrer Wirtschaftsmandanten verfolgt hätten. "Das wäre Parteiverrat." Gegen eine spätere Nutzung des erlangten Wissens sei nichts einzuwenden, solange es sich nicht um geheime Informationen handele.

Mit Transparenz gegen schwarze Schafe

Ob mehr Transparenz gegen den schlechten Ruf auf Dauer helfen wird? Geiger ist sich sicher: "Je transparenter, desto höher die Akzeptanz." Der Brüsseler Anwalt befürwortet auf nationaler wie auf europäischer Ebene ein verpflichtendes Lobby-Register, in das sich auch Anwälte eintragen müssen, soweit sie nicht rein gutachterlich tätig werden, und in dem detailliert nachgewiesen ist, wer wessen Interessen für welche Bezahlung vertritt.

Das dränge schwarze Schafe automatisch aus dem Markt. Die Verschwiegenheitspflicht nutzten heute viele Kanzleien als Ausrede, um sich nicht an einem Lobby-Register zu beteiligen. Das ist auch der Grund, warum Lobby-Control nicht viel von dem Transparenz-Register auf EU-Ebene hält.

Der DAV hat sich zu den Registern noch keine abschließende Meinung gebildet. Sicherlich sei dies eine Möglichkeit zu mehr Transparenz, meint Hartung. Aber ob es auch mit Blick auf das Vertraulichkeitsverhältnis zwischen Mandant und Anwalt die beste Idee ist? Die BRAK lehnt es ab, dass Anwälte ihre Mandatsarbeit veröffentlichen müssen, auch wenn im Einzelfall Lobby-Tätigkeit davon umfasst ist. "Das ist mit der Verschwiegenheitspflicht nicht vereinbar", meint Schäfer.

Geiger geht dagegen sogar noch weiter. Er schlägt vor, dass Abgeordnete Listen führen sollen, in denen verzeichnet ist, wer sich wann wozu bei ihnen gemeldet hat. Am Ende glaubt er aber, dass die Gefahr der Korruption zu hoch eingeschätzt wird. "Heute fliegt im Internet doch eh irgendwann alles auf." Deshalb würden er und seine Kollegen auch nie lügen. Das würde sich nicht bezahlt machen. Der Gesprächspartner müsse ja nur die Gegenseite befragen.

Der Brüsseler Anwalt ist von seiner Arbeit überzeugt. Er hält sie für in der Sache richtig, meint sogar, sie würde dazu beitragen, die Politik weniger demokratiefern zu machen. Das sieht Lobby-Control anders. Am Ende gehe es doch um Einzelinteressen eines Unternehmens, und zwar des zahlungskräftigsten.

Zitiervorschlag

Claudia Kornmeier, Lobby-Kanzleien: . In: Legal Tribune Online, 23.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10760 (abgerufen am: 31.10.2024 )

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