Lobby-Kanzleien: "Wir lügen niemals"

von Claudia Kornmeier

23.01.2014

Was ist ein Lobbyist? Laut Duden: "Jemand, der Abgeordnete für seine Interessen zu gewinnen sucht". Was ist dann eine Lobby-Kanzlei? Anwälte, die Abgeordnete für die Interessen ihrer Mandanten zu gewinnen suchen? Einig sind sich die Juristen da selbst nicht. Die einen vermeiden den Begriff gänzlich, die anderen werben offensiv damit. Und in Brüssel ist sowieso alles anders als in Berlin.

In Berlin und Brüssel tritt nur eine Kanzlei prominent auf, die sich ausdrücklich selbst Lobby-Kanzlei nennt und bei dem Begriff keine Berührungsängste hat. Das sind Alber & Geiger. Großkanzleien wie Freshfields und Linklaters, die in Deutschland für Aufregung sorgten, weil sie Ministerien bei der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen unterstützt haben, zucken hingegen bei der bloßen Erwähnung des Wortes zusammen.

Sie wollen nicht mit Lobby-Arbeit assoziiert werden, die in der deutschen Wahrnehmung stets etwas Anrüchiges, Geheimniskrämerisches, tendenziell Negatives an sich hat. Transparenz ist in Mode. Die Verquickung von Politik und Wirtschaft bedeutet schnell einen Skandal – das jüngste Opfer ist der ehemalige Chef des Kanzleramts Ronald Pofalla.

Auf der Suche nach einer vernünftigen Lösung

Aber stimmt die Lobby-Definition von Alber & Geiger überhaupt mit dem herkömmlichen Sprachgebrauch überein? Wohl eher nicht. Die Kanzlei wird in der Regel im Laufe eines Gesetzgebungsverfahrens tätig. Ihre Mandanten sind meist Unternehmen. Schlägt die EU-Kommission eine Richtlinie oder eine Verordnung vor, die ein Unternehmen betrifft und mit der dieses nicht einverstanden ist, wendet dieses sich an die Kanzlei.

Die Anwälte prüfen den Vorschlag dann in rechtlicher, aber auch in wirtschaftlicher, ökologischer oder politischer Hinsicht. In Memos, die nicht länger als eine Seite sind, listen sie Probleme auf, die sie ausmachen, oder entwerfen eine aus ihrer Sicht vernünftige Lösung. "Wir weisen auf Argumente hin, die wir andernfalls erst in einem späteren Prozess vortragen würden", sagt Kanzlei-Mitgründer Andreas Geiger.

Mit dieser Definition des Lobby-Anwalts hat auch Markus Hartung, Vorsitzender des Berufsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins (DAV), kein Problem, der dem Berufsbild grundsätzlich mit vorsichtiger Skepsis begegnet. Denn klassische Aufgabe eines Anwalts sei die Rechtsberatung und nicht die Vertretung wirtschaftlicher Interessen eines Unternehmens gegenüber dem Gesetzgeber.

Was ist noch Rechtsberatung, was bereits Lobbyismus?

Der Vize-Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), Ekkehart Schäfer, hält die Abgrenzung zwischen anwaltlicher Mandatsarbeit und einer Lobby-Tätigkeit von Anwälten für schwierig. Zumal Anwälte per definitionem Interessenvertreter seien. "Wenn man ein Mandat betreut, bei dem es um eine umstrittene Rechtsfrage geht, über die der Bundesgerichtshof demnächst entscheidet, kann es auch zur Mandatsarbeit gehören, jemanden einen Fachaufsatz schreiben zu lassen, in dem die Rechtsfrage im Sinne des Mandanten beurteilt wird", sagt Schäfer. "Auch das könnte man Lobby-Arbeit nennen, weil man damit versucht, auf die Rechtsprechung Einfluss zu nehmen." Auch Anfragen bei Mitarbeitern der EU-Kommission, in welche Richtung sich ein Gesetzgebungsverfahren entwickelt, können Teil der Mandatsarbeit sein.

Ausschlaggebend sei am Ende, ob es um Rechtsfragen eines konkreten Einzelfalls gehe. Die Vertretung wirtschaftlicher Interessen fernab von rechtlichen Problemen sei jedenfalls keine anwaltliche Tätigkeit mehr. "Was nicht heißt, dass Anwälte einer solchen Tätigkeit nicht im Zweitberuf nachgehen dürfen", so Schäfer. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei das wegen Art. 12 Grundgesetz nur dann ein Problem, wenn der Zweitberuf die Unabhängigkeit des Anwalts gefährde, etwa die ernsthafte Gefahr von Interessenkonflikten bestehe (Urt. v. 04.11.1992, Az. 1 BvR 79/85 u.a.). So dürfen Anwälte zum Beispiel nicht als Makler oder Versicherungsvertreter arbeiten.

"Auf die Anwaltsprivilegien können sie sich in ihrem Zweitberuf allerdings nicht berufen", sagt der BRAK-Vize. Genau dort setzt die Kritik der Initiative Lobby-Control an, die sich für Transparenz und Demokratie einsetzt. Timo Lange aus dem Berliner Büro des Vereins beanstandet, dass Kanzleien klassischen Lobby-Agenturen Konkurrenz machen und dabei ihre anwaltlichen Privilegien wie die Verschwiegenheitspflicht zu ihrem Vorteil ausnutzen. "Das führt zu weniger Transparenz im Lobby-Geschäft." Für einen Anwalt sei Lobbyarbeit ein lukratives Geschäft, ein Zusatzangebot an die Mandanten, um sie so länger zu binden.

Zitiervorschlag

Claudia Kornmeier, Lobby-Kanzleien: . In: Legal Tribune Online, 23.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10760 (abgerufen am: 01.11.2024 )

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