2/2: Vermutlich die letzte Chance
Der 42-jährigen Klägerin bleibt vermutlich nicht mehr viel Zeit, wenn sie ein Kind haben möchte. Ab dem 40. Lebensjahr nimmt die Möglichkeit, schwanger zu werden, rapide ab. "Es ist vermutlich ihre letzte Chance", fasst Klägervertreter Daunderer zusammen.
Beim Inkrafttreten des ESchG im Jahr 1991 dachte noch niemand an die Fragen, die sich heute stellen. Das liegt nicht nur daran, dass es gestreckte Verfahren wie das von der Frau und ihrem deutschen Ex-Freund gewählte damals noch gar nicht gab. Das Erfordernis einer guten und damit in der Regel langen Ausbildung hat ein Bedürfnis geschaffen, mit dem die weibliche Biologie nicht immer mithalten kann.
"Könnte der Mann darüber entscheiden, dass die Frau die gemeinsamen Vorkernstadien vernichten lassen muss, indem er nun den Transfer verweigert, würde das seine Interessen nur unwesentlich beeinträchtigen", erklärt der Münchner Anwalt. Männer können sich schließlich fortpflanzen bis ins hohe Alter. "Für die Frau um die 40 hingegen bedeutet die Vernichtung der behandelten Vorkernstadien oder Embryonen, dass sie keine Chance mehr hat auf ein genetisch eigenes Kind."
Das wäre seines Erachtens, da eine Frau nicht ausweichen könne auf die in Deutschland verbotene Eizellenspende, "eine unerträgliche Einschränkung der Reproduktionsfreiheit und daher verfassungswidrig".
Zeug zum Präzedenzfall?
Daunderer will am Mittwoch nicht nur für seine Mandantin kämpfen, die ebenso wie ihr ehemaliger Lebensgefährte persönlich zum ersten Termin vor das LG Bonn geladen ist. Er will einen Präzedenzfall schaffen. "Entwicklungen im Recht der Fortpflanzungsmedizin entstehen fast immer nur aus solchen Einzelverfahren heraus", so der Münchner Anwalt gegenüber LTO.
Er ist sich bewusst, dass auch der vom Oberlandesgericht Rostock entschiedene Fall aus dem Jahr 2010, auf den er seine Argumentation u.a. stützt (Urt. v. 07.05.2010, Az. 7 U 67/09), einer dieser Einzelfälle ist. Die Eizellen, um die es dort ging, waren zwar ebenso befruchtet wie die der nun vor dem LG Bonn klagenden Frau. Der Mann in dem dortigen Verfahren war aber verstorben, die behandelnden Ärzte hatten Angst vor einem Verstoß gegen das ESchG, wenn sie nach seinem Tod seiner Witwe die Eizellen einsetzten. Die Richter in der Hansestadt haben damals genau jene Differenzierung zwischen befruchteten und unbefruchteten Eizellen vorgenommen, die auch Daunderer und seine Mandantin vertreten, und der klagenden Witwe einen Herausgabeanspruch zuerkannt. Aber kann man die Situation vergleichen, wenn der potenzielle Vater nicht tot ist, sondern seine Meinung geändert hat?
An rechtlich etwas abenteuerliche Argumentationsstrukturen ist Medizinstrafrechtler Daunderer gewöhnt. Ihm ist bewusst, dass das Gericht sich auf den Wortlaut des Vertrags stützen kann, um seine Argumentation zu stürzen. Für wahrscheinlich hält er das nicht, "wenn die Kammer bereit ist, sich mit den Hintergründen des Falles auseinander zu setzen". Die grundrechtlichen Implikationen sind aus seiner Sicht nicht zu ignorieren.
Ob er den Anspruch seiner Mandantin auf Zustimmung zur Weiterkultivierung und Transfer auf deren Eigentum an ihren Eizellen, auf die "gebotene Auslegung des ESchG", auf Treu und Glauben oder eine sittenwidrige Schädigung aus § 826 BGB stützt, ist ihm dagegen am Ende herzlich gleichgültig, wenn das Ergebnis stimmt.
Das sollte im besten Fall die Fortsetzung der Kinderwunschbehandlung in der Düsseldorfer Klinik sein. Wenn die dortigen Ärzte dazu wegen der zwischenzeitlichen Trennung des Paares nicht mehr bereit sein sollten, fordert seine Mandantin die Herausgabe ihrer Eizellen, damit sie sich diese in einer anderen Praxis einsetzen lassen kann. Nur hilfsweise will sie von ihrem Ex-Freund die Kosten der Behandlung zurück. Diese nutzlosen Aufwendungen dürften dann allerdings ihr kleinstes Problem sein.
Pia Lorenz, 42-Jährige verklagt Ex-Freund: . In: Legal Tribune Online, 07.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20498 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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