Länder kritisieren das BMJV: "Bun­des­re­gie­rung hat die Jus­ti­z­ent­las­tung ver­schlafen"

von Hasso Suliak

18.05.2018

Die Justizminister von Berlin, Hamburg und Thüringen drücken in Sachen Entlastung der Justiz aufs Tempo: Die Bundesregierung solle endlich ihre Pläne für mehr Stellen konkretisieren, Asylverfahren könnten längst schneller laufen.

Deutliche Worte der Landesjustizminister aus Berlin, Hamburg und Thüringen: In einer Erklärung, die LTO vorliegt, werfen die Minister der Bundesregierung vor, den Zeitpunkt zur Entlastung der Justiz verschlafen zu haben. "Die Bundesregierung hinkt den Ländern hinterher. Dabei verursachen gerade Bundesagenturen wie das BAMF oder die Agentur für Arbeit einen enormen Arbeitsaufwand an den Verwaltungs- und Sozialgerichten", heißt es in der Erklärung, die von den Ministern Dirk Behrendt, Till Steffen und Dieter Lauinger unterzeichnet ist.

Berlins Justizsenator Behrendt (Grüne) kritisierte gegenüber LTO den bisherigen Sachstand des im Koalitionsvertrag ausgehandelten "Pakt für den Rechtsstaat". Dieser sieht die Schaffung von 2.000 zusätzlichen Stellen plus Folgepersonal für die Justiz vor. "Wenn die Bundesregierung jetzt großsprecherisch einen 'Pakt für den Rechtsstaat' verspricht, frage ich mich: Wann geht es los? Wo bleibt ein konkreter Plan für die versprochene Stellenverstärkung in den Ländern, ihre Finanzierung und für eine finanzielle Beteiligung an der dringend benötigten einheitlichen digitalen Infrastruktur der Justiz?", so Behrendt.

Die drei Justizminister regten an, dass im Rahmen der Verantwortung des Bundes "insbesondere bei der Generalbundesanwaltschaft eine erhebliche personelle Aufstockung" Sinn mache: "Heute übergibt der Generalbundesanwalt viele Verfahren an die Generalstaatsanwaltschaften der Länder. Hier könnte die Bundesregierung die Justiz der Länder also direkt entlasten", heißt es in der Erklärung.

BMJV verspricht "deutliche Aufstockung" bei der Bundesanwaltschaft

Aus dem Bundesjustizministerium (BMJV) waren dagegen keine näheren Angaben zum Zeitplan des Paktes für den Rechtsstaat zu erfahren: Eine Sprecherin des Ministeriums verwies jedoch gegenüber LTO darauf, dass sich das BMJV in den laufenden Haushaltsverhandlungen dafür einsetze, "die Planstellen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bei der Bundesanwaltschaft deutlich aufzustocken". Zudem hätten sich die Koalitionäre auf eine Verbesserung der Qualität im gerichtlichen, insbesondere im familiengerichtlichen Verfahren, geeinigt.

Auch beim Thema Asylverfahren pochen die Landesminister auf zügiges Handeln: Sie mahnen Änderungen in der Asylprozessordnung an, die gerichtliche Verfahren effizienter machen sollen. "Seit Sommer 2015, als hunderttausende Geflüchtete nach Deutschland kamen, hätte die Große Koalition längst die notwendigen Änderungen in der Asylprozessordnung angehen können. Beispielsweise, um obergerichtliche Leitentscheidungen zu ermöglichen und damit Gerichtsverfahren zu beschleunigen. Doch stattdessen lässt die Bundesregierung die Verwaltungsgerichte allein," so Behrendt zu LTO.

Konkret kritisieren die Minister, dass in vielen Verfahren Einzelrichter über Sachlagen entscheiden, die in tausenden weiteren Fällen ebenfalls auf Klärung warteten. Da es zu wenige Möglichkeit für eine obergerichtliche Leitentscheidung gebe, führe dies zu einer "Rechtslotterie", in der gleich gelagerte Fälle unterschiedlich entschieden werden.

"Union blockiert effizienten Asylprozess"

Richter und Bundesländer fordern seit längerem eine Entlastung der Verwaltungsgerichte. Im vergangenen November hatten die Justizminister der Länder das BMJV um Prüfung gebeten, ob den Verwaltungsgerichten die Möglichkeit gegeben werden soll, bei grundsätzlicher Bedeutung der Asylsache sowie bei uneinheitlicher Rechtsprechung die Berufung zuzulassen.

Durch die Schaffung einer Berufungsmöglichkeit im Hauptverfahren und einer Beschwerdemöglichkeit im vorläufigen Rechtsschutz erhofft man sich die Etablierung einer obergerichtlichen Rechtsprechung, die für viele erstinstanzliche Gerichte wegweisend wäre. Gleichgelagerte Fälle könnten so zügiger und einheitlich entschieden werden. Grundsatzentscheidungen würden außerdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entlasten, die diese bei ihren Prüfungsmaßstäben bei Asylanträgen einfließen lassen und damit verhindern, dass eine Vielzahl von Fällen erst gar nicht vor den Gerichten landen.

Was den schleppenden Verlauf einer Reform im Asylprozessrecht angeht, stecken die Landesjustizminister den Schwarzen Peter nicht dem SPD-geführten BMJV, sondern dem Bundesinnenministerium (BMI) unter der Leitung von Horst Seehofer zu:

"Die Union blockiert eine Änderung, die auch die Präsidenten der Verwaltungsgerichte seit langem fordern. Wenn die CSU nun lange Verfahrensdauern kritisiert, die sie durch Untätigkeit seit 2015 mitverschuldet, ist das ein Bärendienst für den Rechtsstaat", heißt es in der Erklärung.

Das BMI äußerte sich zu den Vorwürfen der Landesminister nicht. Gegenüber LTO verwies es jedoch darauf, dass es in den letzten Jahren zahlreiche Verbesserungen im BAMF gegeben habe. Das Personal sei "massiv ausgebaut" worden. Außerdem sei eine "Informationsplattform für die Gerichte" geschaffen worden und die Kommunikation mit den Gerichten seit Anfang 2017 "schrittweise digitalisiert worden", teilte eine Sprecherin mit.

Zitiervorschlag

Hasso Suliak, Länder kritisieren das BMJV: . In: Legal Tribune Online, 18.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28723 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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