In NRW dürfen Gemeinden künftig blitzen, wo sie wollen. Das sorgt nicht nur bei Autofahrern für Unmut, auch die Gewerkschaft der Polizei wehrt sich – sie fürchtet um die Akzeptanz ihrer Verkehrsüberwachung. Adolf Rebler befürchtet, dass die Kommunen Blitzer dort aufstellen, wo sie am meisten Geld in die klammen Kassen spülen. Fiskalischen Interessen aber dürften die Kontrollen nicht dienen.
Raser sind nicht nur für die meisten Unfälle im Straßenverkehr verantwortlich, auch die Unfallfolgen sind in der Regel gravierend. Besonders betroffen sind nicht nur die schwächeren Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Kinder oder Radfahrer, auch der Raser selbst lebt gefährlich: Ein Gurt schützt ihn nur begrenzt, ab 70 Stundenkilometern hilft auch ein Airbag nicht mehr.
Appelle an die Vernunft verhallen meist ungehört. Erfahrungen zeigen, dass nur der Griff in den Geldbeutel wirkt. Die Bußgeldkatalog-Verordnung sieht deshalb bei leichten Überschreitungen von Geschwindigkeitsbegrenzungen ein Bußgeld von zehn Euro vor, bei schwereren Verstößen kann sich dieses aber durchaus auf bis zu 680 Euro belaufen und mit einem Fahrverbot von drei Monaten kombiniert werden.
Kommunen als Verkehrsüberwacher
Eigentlich ist die Verkehrsüberwachung eine Aufgabe der Polizei. Seit 1986 dürfen aber auch Gemeinden Blitzer installieren, in Nordrhein-Westfalen (NRW) sogar schon seit 1980. Damit sollten die Kommunen besser auf Beeinträchtigungen des innerstädtischen Wohn- und Lebensraums durch ein gestiegenes Verkehrsaufkommen reagieren können.
Die Gemeinden hatten sich dabei zunächst auf die Überwachung des ruhenden Verkehrs, also auf die Ahndung von Verstößen gegen Halt- und Parkverbote konzentriert.
Seit einigen Jahren geht der Trend bei den Kommunen – wohl auch auf Druck von Anwohnern – verstärkt dahin, auch den fließenden Verkehr zu überwachen. Möglich macht dies § 26 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit einer landesrechtlichen Zuständigkeitsnorm: Bei Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr ist Verfolgungs- und Ahndungsbehörde die "Dienststelle der Polizei", die von der Landesregierung durch Rechtsverordnung näher bestimmt wird – das kann auch eine Kommune sein.
Kontrollen dürfen nicht rein fiskalischen Interessen dienen
Die Einnahmen aus der kommunalen Verkehrsüberwachung fließen in die Gemeindekasse und sollen zumindest die Kosten decken. Nach Erhebungen des ADAC aus dem Jahr 2010 beziffern sich die Einnahmen aus der Verkehrsüberwachung jährlich auf rund 1,5 Milliarden Euro. Einen Teil kassiert die Polizei, den Löwenanteil schlucken aber die Kommunen. Allein die 15 größten Städte und Gemeinden Deutschlands können über 100 Millionen Euro an ihre Stadtkassen abführen.
Dass dabei Begehrlichkeiten bei klammen Kommunen entstehen können, die Gelder für andere Zwecke zu verwenden, ist auch den Innenministern der Länder klar.
In Bayern gibt es deshalb eine Richtlinie, die vorsorglich bestimmt: "Die Verfolgung rein fiskalischer Interessen ist unzulässig." Denn dies kann zu einem Vertrauensverlust bei den Verkehrsteilnehmern in die Objektivität von Überwachungsmaßnahmen und zu einer Aushöhlung des Opportunitätsprinzips bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten führen.
Ein probates Mittel: Fuß vom Gaspedal
Dass auch abseits von Unfallschwerpunkten geblitzt wird, ist nichts revolutionär Neues: Auch die erwähnte bayerische Richtlinie sieht beispielsweise vor, dass "abweichend von den Richtlinien über die polizeiliche Verkehrsüberwachung die Gemeinden Zonen und Strecken mit einer durch Verkehrszeichen angeordneten Höchstgeschwindigkeit sowie verkehrsberuhigte Bereiche auch dann primär überwachen dürfen, wenn es sich weder um einen Unfallbrennpunkt noch um einen Unfallschwerpunkt handelt".
Das müssen die Gemeinden in Bayern allerdings mit der Polizei abstimmen. Völlig freie Hand – wie nun in NRW geplant – haben sie nicht. Auch in NRW unterliegen die Gemeinde aber zumindest mittelbar verkehrsrechtlichen Schranken: Tempolimits dürfen nicht "mausefallenartig" dort angeordnet werden, wo bei Verstößen das meiste Geld zu holen ist. Bereits Verkehrsschildern dürfen nach § 45 Abs. 9 S. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO) nur dort aufgestellt werden, wo es zu besonders gefährlichen Situationen kommen kann.
Die Praxis zeigt im Übrigen, dass die Kommunen meist nicht autonom den Standort der Blitzer bestimmen, sondern auf Hinweise ihrer Bürger reagieren. Nicht selten sind es aber dann auch die Anwohner, die in "ihrer" Tempo-30-Zone zuerst ein Knöllchen abkriegen. Ein probates Mittel, um den Kommunen das Geschäft zu verderben, bleibt dabei immer: Fuß vom Gaspedal.
Der Autor Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat in Regensburg und Autor zahlreicher Publikationen zum Straßenverkehrsrecht.
Adolf Rebler, NRWs Kommunen dürfen überall blitzen: . In: Legal Tribune Online, 23.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9197 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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