Gar nicht einfach, mit den Attributen geschieden oder gar konfessionslos bisher einen Job bei einem kirchlichen Arbeitgeber zu bekommen. Wie weit die Anforderungen an Loyalität gehen dürfen, beschäftigt bald den EuGH, erklärt Ulrich Hammer.
Scheidung, Wiederheirat, Kirchenaustritt: In kirchlichen Arbeitsverhältnissen gelten besondere Regeln für Kündigungen. Weniger auffällig als die Aufsehen und Diskussionen entfachenden Kündigungen sind diese Pflichten im Bewerbungsverfahren und bei Einstellungen. Diese speziellen Anforderungen, die kirchliche Arbeitgeber an ihre Mitarbeiter stellen dürften, fallen unter den Begriff der besonderen Loyalitätspflichten.
Tatsächlich gelten die Loyalitätspflichten nicht erst vom Zeitpunkt der tatsächlichen Beschäftigung kirchlicher Mitarbeiter an, sondern schon bei der Bewerbung um eine Stelle. Während die evangelischen Kirchen im laufenden Arbeitsverhältnis liberaler sind, sind es im Vorfeld der Anstellung die katholischen.
Lügen über Kirchenzugehörigkeit verboten
Die Kirchen und ihre Einrichtungen in Deutschland dürfen aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechts aus Art. 140 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung (WRV) bei der Einstellung wahrheitsgemäß zu beantwortende Fragen stellen, die anderen, säkularen Arbeitgebern verboten wären. Das folgt aus § 9 Allgemeines Gleichstellungsgesetz (AGG), wonach Kirchen und ihre Einrichtungen "von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses" verlangen können.
Zudem dürften sie Bewerber und Beschäftigte wegen ihrer Religion oder Weltanschauung unterschiedlich behandeln. Das zumindest dann, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. § 9 AGG macht also für kirchliche Einrichtungen eine Ausnahme vom Diskriminierungsverbot aufgrund der Religion oder Weltanschauung, europarechtlich beruht sie auf Art. 4 der Richtlinie des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RiLi v. 27.11.2000, 2000/78 EG).
Theoretisch darf nach der Kirchenzugehörigkeit, der Wiederheirat Geschiedener oder der sexuellen Identität beziehungsweise gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft gefragt werden. Werden die Fragen wahrheitswidrig beantwortet, könnte sich hieraus ein Grund für die fristlose Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder ein Kündigungsrecht ergeben.
Loyalitätspflicht unterliegt Abwägung
In jüngster Zeit gerät nun die Kirchenzugehörigkeit als besondere Loyalitätspflicht in die Diskussion. Dabei zeichnen sich widersprüchliche Positionen in der Rechtsprechung ab (EGMR, Urt. v. 23.09.2010, Az. 425/03 u. 1620/03; u. v. 03.02.2011, Az. 18136/02; BVerfG, Urt. v. 22.10.2014, Az. 2 BvR 661/12; BAG, v. 17.03.2016, Az. 8 AZR 501/14). Kirchliche Dienstgeber können derzeit nur vermuten, welche Fragen noch rechtmäßig sind.
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Kündigungsfall Abwägungskriterien aufgestellt (BVerfG, Beschl. v. 22.10.2014, Az. 2 BvR 661/12). Dem Selbstverständnis der Kirche sei ein besonderes Gewicht beizumessen. Zu berücksichtigen seien aber auch "prinzipiell" gleichgewichtig die Verfassungspositionen von Beschäftigten wie etwa ihr durch Art. 6 GG geschütztes Recht auf eine zweite Ehe, das Bewusstsein für die begangene Loyalitätspflichtverletzung sowie ihre sozialen Belange wie das Interesse an der Wahrung des Arbeitsplatzes, das Alter, die Beschäftigungsdauer, die Aussichten auf eine neue Beschäftigung und Unterhaltspflichten.
Ulrich Hammer, Konfessionsfrage bei Einstellung kirchlicher Mitarbeiter: . In: Legal Tribune Online, 20.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19144 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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