Die Jugend der Linkspartei erhält kein Geld vom Staat, das entschied das OVG Berlin in dieser Woche – Verlierer allerdings sind weniger die Mitglieder von [´solid], sondern alle anderen parteinahen Jugendverbände. Das OVG erklärte kurzerhand die gesamte Finanzierung parteinaher Jugendverbände für rechtswidrig. Zu Unrecht, meint Winfried Kluth.
Seit 2006 streitet die Jugendorganisation der Partei Die Linke, die sich "[´solid]" als Abkürzung für "sozialistisch, links, demokratisch" nennt, mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Es geht um die gleichberechtigte Gewährung von Mitteln aus dem Kinder- und Jugendplan (KJP) des Bundes. Während die Jugendorganisationen der anderen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien aus diesem im Haushaltsplan des Bundes verankerten „Fördertopf“ jährlich Zuschüsse erhalten, ging [´solid] in der Vergangenheit leer aus.
Die Junge Union (CDU) und die Jusos (SPD) erhalten beispielsweise 300.000 Euro, die Jungen Liberalen (FDP) und die Grüne Jugend (Bündnis 90/Die Grünen) 100.000 Euro im Jahr. Die jungen Linken sind für das Ministerium hingegen nicht förderungswürdig. Kristina Schröder begründet die Ablehnung damit, dass die Organisation vom Verfassungsschutz beobachtet wurde und wird.
Am Mittwoch musste sich das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin Brandenburg mit den Zuwendungen an die Parteijugend beschäftigen. Dabei beantworteten die Berliner Richter aber gar nicht die Frage, ob die Zweifel des Bundesfamilienministeriums an der Verfassungstreue von [´solid] gerechtfertigt sind. Der Senat kippte die Finanzierung der Jugendverbände vielmehr gleich ganz: Diese sei als versteckte Parteienfinanzierung unzulässig (Urt. v. 14.03.2012, Az. OVG 6 B 19.1).
Kein Geld mehr für keinen
Somit wird [´solid] jetzt zwar kein Geld bekommen. Das gleiche gilt aber auch für alle anderen: Die Linksjugend hat bereits angekündigt, ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin anzustreben, um die Zahlung an die anderen Jugendverbände per einstweiliger Anordnung zu unterbinden. Nun droht allen parteinahen Jugendorganisationen ein erhebliches Loch in der Kasse.
Vor dem VG hatte der Streit um die Zuschüsse für Jung-Politiker 2006 auch begonnen. Nachdem [´solid] gegen das Bundesministerium geklagt hatte, entschied das VG Berlin am 20. November 2009 jedenfalls partiell zu Gunsten der linken Jugend. Das Gericht verlangte für einen Ausschluss aus der Förderung eine "umfassende Betrachtung dessen, was für die im Rahmen der Beurteilung relevante Arbeit insgesamt prägend ist". Der Hinweis auf die Beobachtung durch den Verfassungsschutz reiche jedenfalls nicht aus (VG Berlin, Urt. v. 20.11.2009, Az. 20 A 267.06).
Das Bundesfamilienministerium ging gegen diese Entscheidung in Berufung. Diese führte nun zu dem Urteil des OVG Berlin-Brandenburg, das nicht nur [´solid] enttäuschte, sondern gleich das ganze System aus den Angeln hebt. Das OVG kommt nämlich zu dem Ergebnis, dass die linken Nachwuchspolitiker deshalb keinen Anspruch geltend machen können, weil die Fördertätigkeit insgesamt unzulässig ist und es an einer gesetzlichen Grundlage fehlt.
Rechtswidrige Parteienfinanzierung
Die Gründe für die in mancher Hinsicht überraschende Entscheidung werden in der bislang vorliegenden Presseerklärung nur knapp skizziert. Nach Ansicht der Richter sind staatliche Zuwendungen an die Jugendorganisationen der Parteien wegen ihrer grundrechtlichen Auswirkungen und den engen Bezügen zur staatlichen Neutralitätspflicht in diesem Bereich nur auf der Grundlage einer expliziten gesetzlichen Regelung zulässig.
Der in anderen Bereichen staatlicher Leistungen anerkannte Grundsatz, dass eine Aufnahme in das Haushaltsgesetz ausreicht, gelte hier nicht. Die im KJP des Bundes ausgewiesenen Zuschüsse an die Jugendorganisationen der Parteien seien damit insgesamt rechtswidrig.
Zwar wird man die genaue Urteilsbegründung noch abwarten müssen. Die Einschätzung, dass es vollständig an gesetzlichen Grundlagen für diese Zuwendungen fehlt, geht aber zu weit. So sieht § 24 Abs. 12 Parteiengesetz (ParteienG) vor, dass öffentliche Zuschüsse, die den politischen Jugendorganisationen zweckgebunden zugewendet werden, bei der Ermittlung der absoluten Obergrenze der staatlichen Parteienförderung nicht berücksichtigt werden. Sie müssen im Rechenschaftsbericht der jeweiligen Partei nur nachrichtlich ausgewiesen werden.
Ich brauch’ mehr Taschengeld!
Das Gesetz nimmt also nicht nur die Existenz dieser Zuwendungen zur Kenntnis und legitimiert diese, sondern ordnet sie auch zugleich in das Gesamtsystem der Parteienfinanzierung ein. Dieses konkretisiert die Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb. Vor allem aber findet sich in § 5 ParteienG eine Spezialregelung für die Gleichbehandlung der Parteien in Bezug auf öffentliche Leistungen.
Es gibt also einen gesetzlichen Maßstab für die Leistungsgewährung an politische Parteien und ihre Suborganisationen. Die bisherige Zuwendungspraxis dürfte diesen Maßstäben auch entsprochen haben, wenn man die Versagung von Leistungen an [´solid] einmal ausklammert. Das OVG hätte demnach durchaus in der Sache entscheiden können und müssen. Dabei hätten die Berliner Richter, die sich mit ihrer Entscheidung, dass schlicht die gesamte Förderung rechtswidrig sei, weitere Ausführungen gespart haben, auch klären können, ob und wie tragfähig die vom Familienministerium vorgebrachten Ausschlussgründe sind.
So aber gibt es vorläufig kein Taschengeld für den Nachwuchs. Die Parteien sind gezwungen, sich schnell über eine gesetzliche Regelung zu verständigen. Alternativ bliebe nur die Möglichkeit, eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abzuwarten und einstweilen eine Zwischenfinanzierung für den klammen Nachwuchs zu organisieren.
Der Autor Prof. Dr. Winfried Kluth ist Inhaber eines Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Richter des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt.
Junge Linke kämpfen für Finanzierung: . In: Legal Tribune Online, 16.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5800 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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