Im Februar hat das BVerwG entschieden, dass Journalisten ihre Auskunftsansprüche gegen Bundesbehörden nicht mehr auf die Landespressegesetze stützen können. Eine Neuregelung durch den Bundesgesetzgeber sei notwendig. Bis dahin können Ansprüche nur aus Art. 5 GG hergeleitet werden. Was das in der Praxis bedeutet, zeigt eine neue Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg, die Martin W. Huff erläutert.
Für Medienvertreter war es lange eine Selbstverständlichkeit, dass sie Auskunftsansprüche gegenüber Bundesbehörden auf das Pressegesetz des Landes stützen konnten, in dem die jeweilige Behörde ihren Sitz hatte. Auch die Behörden wandten bei der Prüfung dieser Ansprüche jahrelang das entsprechende Landesgesetz an. Doch mit seinem Urteil vom 20. Februar 2013 (Az. 6 A 2/12) hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) dieser Praxis ein Ende bereitet.
Das Gericht entschied, dass die Landespressegesetze keine Rechtsgrundlage für Ansprüche gegen den Bund enthielten. Aufgrund der föderalen Regelungskompetenz seien sie nur auf Behörden des jeweiligen Landes anwendbar. Dem Bund stehe es jederzeit frei, ein Pressegesetz für seine Behörden zu schaffen. In der Übergangszeit könnten Auskunftsansprüche nur direkt auf Art. 5 Grundgesetz (GG) gestützt werden.
Die Entscheidung des BVerwG ist in der Literatur zum Teil heftig kritisiert worden, da die Autoren den verfassungsrechtlichen Ansatz nicht teilen. Ein rasch von der SPD-Bundestagsfraktion auf den Weg gebrachter Entwurf eines Presseauskunftsgesetzes wurde in der laufenden Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet und fiel der Diskontinuität zum Opfer.
Entscheidung des Gesetzgebers darf nicht vorweggenommen werden
Entsprechend bedeutsam ist die Frage nach der Handhabung des Auskunftsrechts aus Art. 5 GG. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat jetzt in einem einstweiligen Anordnungsverfahren erste Grundsätze aufgestellt (Beschl. v. 12.09.2013, Az. 6 S 43/13). Im entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob die Bundestagsverwaltung einem Journalisten Auskunft über den Erwerb von Smartphones und Tablet-PCs durch einzelne Abgeordnete im Rahmen der ihnen zustehenden "Sachleistungspauschale" erteilen muss. Das VG Berlin hatte einen solchen Anspruch noch bejaht, dass OVG Brandenburg weist ihn jetzt ab.
Die Begründung ist beachtlich: Durch den Verweis des BVerwG darauf, dass bis zu einer – möglichen, aber natürlich nicht notwendigen – gesetzlichen Regelung des Bundes, Ansprüche nur auf Art. 5 GG gestützt werden können, sei der Auskunftsanspruch auf einen "Minimalstandard" begrenzt. Eine weitergehende Abwägung und Gewichtung der widerstreitenden Interessen sei dem Gesetzgeber vorbehalten und dürfe durch die Gerichte nicht über den Umweg des verfassungsunmittelbaren Anspruchs unterlaufen werden.
In den Landespressegesetzen wurde eine entsprechende Abwägung bereits vorgenommen, und zwar meist in § 4 Abs. 2, demzufolge verschiedene Interessen, auch solche von Dritten, zu berücksichtigen sind. Fehlt aber eine derartige gesetzliche Abwägung, dann kann die Auskunft verweigert werden, so lang es überhaupt schützenswerte private oder öffentliche Interessen gibt. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch endet dort, so das Fazit des OVG, wo er berechtigte schützenswerte Interessen beeinträchtigt.
Auskunftsanspruch gegen Bundesbehörden nur noch in Ausnahmefällen gegeben
Im konkreten Fall wurden solche entgegenstehenden Interessen von den Richtern bejaht. Denn die Bundestagsabgeordneten seien bei der Verwendung der Sachleistungspauschale frei, sie müssten keinen bestimmten Zweck nachweisen. Würde man die Verwaltung des Bundestags jetzt verpflichten, Auskünfte zu erteilen, könnte darin ein Eingriff in die Stellung des Abgeordneten liegen. Daher bestehe kein Auskunftsanspruch aus Art. 5 GG. Mit derselben Begründung wird auch ein Anspruch aus dem Informationsfreiheitsgesetz abgelehnt.
Mit seiner Entscheidung hat das OVG Berlin-Brandenburg das Urteil des BVerwG sehr konsequent umgesetzt und die Auskunftsansprüche der Medienvertreter, die direkt aus der Verfassung abgeleitet werden, drastisch reduziert. Nur dann, wenn es keinerlei entgegenstehende private oder öffentliche Interessen gibt, müssen Bundesbehörden noch Auskunft erteilen. In der Praxis dürfte dies sehr selten der Fall sein. Denn Fälle, in denen keine Interessen abzuwägen sind, kommen kaum vor. Bisher waren Gerichtsentscheidungen nach § 4 der Landespressegesetze meist ein Ergebnis genau dieser Abwägung.
Daher werden bis zu einer gesetzlichen Regelung nur noch wenige Auskunftsklagen gegen Bundesbehörden Erfolg haben. Ob und wie eine Neuregelung erfolgt, ist nach der Bundestagswahl vom 22. September 2013 völlig offen. Befriedigend ist das Ergebnis für die Medien nicht, verfassungsrechtlich aber in sich stimmig. Man wird sehen, ob andere Gerichte der Ansicht der Berliner Richter, die bisher sehr pressefreundlich waren, folgen werden.
Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen. Er ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und hat u.a. einen Lehrauftrag für Berufsrecht an der German Graduate School of Management and Law (GGS) in Heilbronn.
Martin W. Huff, Auskunftsansprüche gegen Bundesbehörden: . In: Legal Tribune Online, 27.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9690 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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