Japan wird aus der Walfangkonvention austreten, um die Meeressäuger zu kommerziellen Zwecken jagen zu können. Politisch ist das ein Bruch für die internationale Gemeinschaft, rechtlich aber zulässig – und konsequent, meint Valentin Schatz.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag bestätigte die japanische Regierung offiziell, dass das Land aus dem Internationalen Übereinkommen zur Regulierung des Walfangs (Walfangkonvention) von 1946 und damit auch aus der Internationalen Walfangkommission (IWC) austreten wird. Japan plane zudem, in 2019 den kommerziellen Walfang wieder aufzunehmen – allerdings nicht wie bisher in der Antarktis, sondern im Küstenmeer und in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Japans. Diese Entscheidung wurde sowohl von weiten Teilen der internationalen Gemeinschaft als auch von Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace scharf kritisiert.
Der Auslöser für Japans Entscheidung, die IWC zu verlassen, ist der im Herbst 2018 erneut gescheiterte Antrag auf eine teilweise Aufhebung des sogenannten Moratoriums für kommerziellen Walfang. Dieses Moratorium verbietet allen Mitgliedstaaten der IWC seit der Saison 1985/86 küstennahen und seit der Saison 1986 pelagischen, also uferfernen Walfang zu kommerziellen Zwecken. Die IWC hat den Antrag Japans nicht nur abgelehnt: Sie bekräftigte zudem in ihrer Erklärung von Florianópolis zur Rolle der IWC im 21. Jahrhundert ebenfalls im Herbst gleich mit, dass sich hieran auch in Zukunft nichts ändern solle.
Japan hatte bereits mehrfach gedroht, dass es im Falle eines starren Festhaltens an dem Moratorium für alle Arten - unabhängig vom jeweiligen Status der Arten und Bestände - einen Austritt in Erwägung ziehen werde. In der Tat werden einige Walarten, wie etwa der nördliche Zwergwal, von der International Union for Conservation of Nature (IUCN) als "nicht gefährdet" eingestuft, womit eine nachhaltige Bewirtschaftung grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist.
Japans Kampf gegen das Moratorium
Das Moratorium, das in der Anlage der Walfangkonvention verankert ist, kann aber auch für solche Arten nur durch Beschluss der IWC mit einer Zweidrittelmehrheit aufgehoben werden. Die IWC ist allerdings fest in der Hand von Staaten, die Walfang aus ethischen Gründen grundsätzlich ablehnen.
Als die IWC 1982 das Moratorium beschloss, legte Japan hiergegen im Einklang mit Art. V Abs. 3 der Walfangkonvention einen Einspruch ein. Aus diesem Grund trat das Moratorium für Japan zunächst nicht in Kraft. Seinen Einspruch nahm das Land – anders als andere Staaten – 1988 auf Druck der USA hin zurück und war seitdem ebenso an das Moratorium gebunden. Damals hatten die USA Japan gedroht, der japanischen Fangflotte zukünftig keinen Zugang zu ihren Fischgründen mehr zu gewähren. Mittlerweile ist dieses Druckmittel weggefallen, da die USA generell ausländischen Staaten keinen Zugang zu ihren Fischgründen mehr gewähren. Ohnehin ist mit einer starken Einflussnahme der USA wohl eher nicht zu rechnen: Unter dem aktuellen Präsidenten Donald Trump sind die USA weitgehend als Garant multilateraler Institutionen weggefallen.
In der Folgezeit umging Japan das Moratorium, indem es von einer Ausnahme für Walfang zu wissenschaftlichen Zwecken Gebrauch machte (Art. VIII der Walfangkonvention). Die so gefangenen Wale wurden im Einklang mit der Walfangkonvention verwertet und gelangten in den Handel. Das bekannteste Programm der neueren Zeit, JARPA II, erlaubte es der japanischen Fangflotte, in der Antarktis Wale zu fangen. Dieses Vorgehen stieß wiederum auf scharfe Kritik aus Australien und Neuseeland, die schließlich in ein Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) mündete. Im Jahr 2014 entschied der IGH, dass Japans damaliges Walfangprogramm JARPA II in der Antarktis nicht zu wissenschaftlichen Zwecken im Sinne des Art. VIII der Walfangkonvention erfolge und daher unter anderem gegen das Moratorium verstoße.
Japan erkannte das Urteil an und legte ein neues Walfangprogramm (NEWREP-A) auf, das unter anderem geringere Fangzahlen vorsah. Zudem modifizierte Japan 2015 seine Unterwerfungserklärung nach Art. 36 Abs. 2 des IGH-Statuts, sodass Streitigkeiten über Japans Walfangaktivitäten nicht mehr in die Zuständigkeit des IGH fallen.
Legaler Walfang nach zulässigem Austritt
Mit dem Austritt Japans aus der IWC wird das bisherige Versteckspiel hinfällig. Der Austritt selbst ist völkerrechtlich zulässig, da er von der Walfangkonvention vorgesehen ist und bestehende Kooperationsverpflichtungen aus anderen völkerrechtlichen Verträgen (etwa aus Art. 65 und 120 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982) keine Pflicht zur Mitgliedschaft in der IWC begründen. Zudem ist Japan nach dem Austritt nicht mehr an das Moratorium gebunden, weshalb auch der angestrebte kommerzielle Walfang in japanischen Gewässern nicht völkerrechtswidrig ist – jedenfalls, sofern dabei anderweitige Verpflichtungen wie der Bestands- und Artenschutz eingehalten werden.
Japan ist auch nicht der einzige Staat, der derzeit noch Walfang betreibt. Zum einen gibt es eine Ausnahme vom Moratorium der IWC für indigene Völker, die zu Subsistenzzwecken Walfang betreiben. Von dieser Ausnahme machen derzeit Dänemark (Grönland), Russland (Tschukotka), St. Vincent und die Grenadinen (Bequia) und die USA (Alaska) Gebrauch. Zum anderen widersetzen sich mit Norwegen und Island noch zwei weitere Staaten und IWC-Mitglieder dem Moratorium und betreiben kommerziellen Walfang. Norwegen legte im Jahr 1982 rechtzeitig Einspruch gegen das Moratorium ein, so dass in Norwegens AWZ bis heute legal nördliche Zwergwale gefangen werden. Diese Möglichkeit hat Japan nicht mehr, seitdem es seinen Einspruch in den achtziger Jahren zurückgenommen hatte.
Schon anders sieht es beim isländischen Modell aus. Island trat 1992 gänzlich aus der Walfangkonvention aus. Später trat es der Walfangkonvention dann erneut bei – allerdings mit einem Vorbehalt gegen das Moratorium. In der isländischen AWZ werden daher derzeit legal nördliche Zwergwale und Finnwale gefangen. Der Beitritt mit Vorbehalt bedurfte jedoch einer Abstimmung in der IWC, die Island erst nach zwei erfolglosen Versuchen im Jahr 2002 mit einer sehr knappen Mehrheit von 19 zu 18 Stimmen für sich entscheiden konnte. Dass auch Japan in der mittlerweile noch stärker von den Walfanggegnern bestimmten IWC ein Beitritt mit einem Vorbehalt gegen Teile des Moratoriums gelingen könnte, ist unwahrscheinlich, solange es nicht zu einem Umdenken bei den Walfanggegnern kommt.
Konvention schließt Walfang nicht per se aus
Japans angestrebter Austritt aus der IWC und die Wiederaufnahme kommerziellen Walfangs jedenfalls von Arten wie dem nördlichen Zwergwal wären völkerrechtskonform. Japans Weg würde sich aber von denen Norwegens und Islands unterscheiden, solange ihm kein erneuter Beitritt zur IWC mit Vorbehalt nach dem "isländischen Modell" gelingt.
Allerdings birgt der Austritt erhebliche politische Risiken. Dies zeigt sich bereits jetzt in den teilweise sehr scharfen Reaktionen anderer Staaten auf Japans Entscheidung. Insgesamt wäre Japans Austritt aus der IWC ein Rückschlag für die internationale Kooperation bei der Erhaltung der Wale.
Andererseits ist Japans Entscheidung angesichts fehlender Kompromissbereitschaft auf Seiten der Walfanggegner nur konsequent. Sinn und Zweck der Walfangkonvention ist ausweislich ihrer Präambel insbesondere auch die nachhaltige Bewirtschaftung der Walbestände. Hieran hat, wie der IGH in seinem Urteil von 2014 zutreffend festgestellt hat, auch das Moratorium nichts geändert. Japans Wunsch, zumindest in kleinem Rahmen nicht bedrohte Arten zu jagen, ist – unabhängig von möglichen ethischen Einwänden, die nicht einmal in Europa universell geteilt werden –vor dem Hintergrund der Walfangkonvention absolut legitim.
Valentin Schatz ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationales Seerecht und Umweltrecht, Völkerrecht und Öffentliches Recht an der Universität Hamburg.
Walfangkonvention ohne Japan: . In: Legal Tribune Online, 02.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32983 (abgerufen am: 23.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag