Interview mit Hans-Joachim Eckert: "Ich beneide die beiden neuen Vor­sit­zenden nicht"

2/2: "Grindels Erklärung überzeugt mich faktisch nicht"

LTO: Die Entscheidung zu Ihrer Absetzung wurde einstimmig getroffen. Wie beurteilen Sie die Argumentation z.B. von DFB-Chef Grindel, der sich zwar im Vorfeld gegen Ihre Absetzung ausgesprochen, aber nicht gegen diese gestimmt hat, weil er es für "unfair und nicht respektvoll" gehalten hätte, auch gegen die anderen vorgeschlagenen Personalien zu stimmen, "nur" weil er gegen eine Ablösung von Ihnen und Herrn Borbély war? 

Eckert: Rein formal-logisch könnte man der Begründung etwas abgewinnen, faktisch überzeugt sie mich aber nicht.

LTO: Wie ist Ihre Einschätzung Ihrer designierten Nachfolger, der kolumbianischen Verwaltungsrichterin María Claudia Rojas als neuer Chef-Ermittlerin und des Ex-EGMR-Präsidenten Vassilios Skouris als Chef der rechtsprechenden Kammer, deren Bestätigung durch den Kongress nur noch reine Formsache sein dürfte?

Eckert: Ich kenne die beiden nicht und kann daher nichts darüber sagen.

LTO: Lässt sich das Amt angesichts der Umstände Ihrer Absetzung überhaupt noch glaubwürdig ausfüllen?

Eckert: Vor dem Hintergrund des Medienechos, welches noch eine Weile anhalten wird, wird dies sicherlich eine schwierige Aufgabe. Ich beneide die beiden neugewählten Vorsitzenden nicht um ihre Situation.

"Der Reformprozess wird erheblich leiden"

LTO: Halten Sie es für eine gute Idee, den Posten – erneut – mit Juristen zu besetzen?

Eckert: Juristen sind für (fast) alles geeignet. Im Ernst: Die Tätigkeit ist hochjuristisch, von daher ist das nur folgerichtig.

LTO: In welchen Aspekten Ihrer Arbeit bei der FIFA hat Ihnen Ihr juristischer Hintergrund geholfen? Hat er ihnen auch geschadet?

Eckert: Ich habe 30 Jahre lang als Staatsanwalt und Richter im Bereich der Wirtschaftskriminalität gearbeitet. Dazu gehören  u.a. Korruption, die Geldwäsche und die Organisierte Kriminalität. Diese Erfahrung hat mir sicherlich bei der Arbeit in der Ethikkommission bei der FIFA geholfen.

LTO: Welche Auswirkungen wird der Wechsel auf den Reformprozess haben? Rein praktisch betrachtet: Wie viele Fälle sind offen, wie viele in Bearbeitung, in wie viele müssen Ihre Nachfolger sich neu einarbeiten? Kann es zum Beispiel Verjährungsfälle geben, die durch den Wechsel gar nicht mehr bearbeitet werden?

Eckert: Der Reformprozess wird sicherlich erheblich unter dieser Entscheidung leiden. Eine gelungene Reform ist es ja erst dann, wenn man wieder Vertrauen zurückgewonnen hat. Und in dieser Hinsicht war Bahrain sicherlich ein herber Rückschlag. Wie viele Fälle offen sind, kann ich Ihnen nicht sagen, da wir bislang eine strikte Trennung zwischen Untersuchungs- und rechtsprechender Kammer eingehalten haben. Laut Cornel Borbély sind es aber über 100.

Hans-Joachim Eckert war zwölf Jahre als Staatsanwalt (später Oberstaatsanwalt) und 25 Jahre als Richter (später Vorsitzender Richter) in Bayern tätig. Seit dem 17. Juli 2012 war er Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer der FIFA-Ethikkommission.

Zitiervorschlag

Constantin Baron van Lijnden und Pia Lorenz, Interview mit Hans-Joachim Eckert: . In: Legal Tribune Online, 17.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22955 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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