Interview mit Hans-Joachim Eckert: "Ich beneide die beiden neuen Vor­sit­zenden nicht"

Die FIFA-Ethikkommission hatte begonnen, das Netz aus Korruption und Kriminalität im Weltfußballverband zu entwirren. Nun müssen ihre Chefs abtreten. Der Ex-Vorsitzende der rechtsprechenden Kammer sieht den Reformprozess in Gefahr.

Die Ethikkommission der FIFA hatte sich in den vergangenen  Jahren als wirksame und mächtige Instanz innerhalb des Weltfußballverbandes etabliert. Die Untersuchungskammer unter Cornel Borbély – eine der beiden Hälften der Ethikkommission – übernahm dabei die Ermittlungen und arbeitete teils mit nationalen, insbesondere amerikanischen Strafverfolgungsbehörden zusammen. Die rechtsprechende Kammer unter dem deutschen Richter Hans-Joachim Eckert konnte in der Folge Sperren gegen einige fragwürdige Figuren des notorisch korruptionsanfälligen internationalen Fußballs verhängen – darunter Ex-FIFA-Präsident Sepp Blatter und Ex-UEFA-Präsident Michel Platini.

In der vergangenen Woche beschloss der Council des Fußball-Weltverbands in Bahrain, auch für Eingeweihte überraschend, Borbély und Eckert bei der anstehenden Wiederwahl nicht wieder für ihre Posten vorzuschlagen, so dass sie nicht wieder gewählt werden können. Wir haben mit Hans-Joachim Eckert über die Entscheidung gesprochen.

LTO: Wie wurde Ihre Absetzung Ihnen gegenüber begründet?

Eckert: Bislang hat von Seiten der FIFA niemand offiziell mit uns gesprochen.

LTO: Welche Motive sehen Sie dahinter?

Eckert: Ich kann nur vermuten, dass wir zu genau hingesehen haben und zu unbequem waren, da wir unsere Arbeit ernst genommen haben.

LTO: Wie erklären Sie sich, dass man die damit zwangsläufig einhergehende negative PR, die gegen jeden echten Reformwillen spricht, in Kauf nimmt?

Eckert: Offenbar überwiegt das Bestreben, sich kritischer Geister zu entledigen, die Sorge, negative PR könnte die Situation für die FIFA schlimmer machen. Aber genau das ist eingetreten, wenn sie sich die Reaktionen von Stakeholdern aus Politik und Wirtschaft ansehen.

LTO: Wie setzt sich das Gremium zusammen, das für Ihre Absetzung zuständig ist?

Eckert: Final entschieden hat der FIFA Kongress, also die Vollversammlung aller Mitgliedsverbände. Hier hat jedes Land eine Stimme. Vorentschieden wurde das Ganze im FIFA Rat, quasi dem Vorstand, der aus 37 Mitgliedern besteht, welche durch die sechs Konföderationen entsandt werden, und dem dazu der Präsident und die Generalsekretärin angehören.

"Auswahl der Rechtsorgane müsste unabhängiger erfolgen"

LTO: Ist es nicht paradox, wenn jene Funktionsträger, für deren Kontrolle die Ethikkommission u.a. zuständig ist, zugleich über die Besetzung der Ethikkommission entscheiden können? Sehen Sie hier die Notwendigkeit struktureller Änderungen im (Selbst-)Kontrollregime der FIFA?

Eckert: Das kann man durchaus so sehen. Die Auswahl der Mitglieder der Rechtsorgane der FIFA, zu denen die Ethikkommission gehört, müsste deutlich unabhängiger erfolgen, bspw. durch einen Ombudsmann o.ä..

LTO: Sie haben nach Ihrer Absetzung gesagt, dass die FIFA-Spitzen offenbar größeres Interesse an ihren eigenen hierarchischen Interessen als an den langfristigen Interessen des Weltfußballverbands hätten. Können Sie das näher ausführen? Für welche an der Entscheidung beteiligten Funktionäre stellten Ihre aktuellen Ermittlungen eine konkrete Bedrohung dar?

Eckert: Zu laufenden Ermittlungen habe ich mich in der Vergangenheit nicht geäußert und werde das auch jetzt nicht tun. Das verbietet allein schon Artikel 36 des FIFA Ethikkodex. Aber die Sorge, dass neue Skandale oder Verfahren aufkommen, muss einigermaßen groß sein.

LTO: Wer wird Ethik- und Rechtsverstöße bei der FIFA künftig am wirksamsten bekämpfen können: Die Ethikkomission, nationale Strafverfolgungsbehörden oder die Medien?

Eckert: Wie auch in der Vergangenheit wird es eine Mischung aus diesen Elementen sein. Hinzu kommen sog. Whistleblower, also diejenigen, die Hinweise an die Untersuchungskammer der Ethikkommission geben, auf Basis derer die Ermittler dann tätig werden.

Zitiervorschlag

Constantin Baron van Lijnden und Pia Lorenz, Interview mit Hans-Joachim Eckert: . In: Legal Tribune Online, 17.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22955 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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