Interview mit dem rechtspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: SPD will das Ver­b­rennen von Israel-Flaggen unter Strafe stellen

Interview von Hasso Suliak

14.03.2018

Die SPD will rechtspolitisch selbstbewusster auftreten. Über ihren Alleingang zum § 219a StGB, erleichterte Durchsuchungen in Wirtschaftskanzleien und Änderungen am NetzDG sprachen wir mit ihrem rechtspolitischen Sprecher Johannes Fechner.

LTO: Herr Dr. Fechner, die SPD-Fraktion hat einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des § 219a (Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft) vorgelegt. Teile der Union waren darüber empört. Trotzdem ist die Kanzlerin der SPD am Dienstag entgegengekommen. Will die SPD in der Rechtspolitik künftig selbstbewusster auftreten?

Dr. Johannes Fechner: Ja, wir werden im Vergleich zur letzten Wahlperiode auch rechtspolitisch selbstbewusster agieren.

Allerdings eignet sich das Thema 219a StGB gar nicht für Parteipolitik, dafür ist es zu wichtig.  Mit der Union ist vereinbart, dass die neue Bundesregierung einen Änderungsvorschlag vorlegen wird. Bundeskanzlerin Merkel hat am Dienstag in der Sitzung der SPD-Fraktion ihre ausdrückliche Zusage für einen Vorschlag der Bundesregierung gegeben. Wegen der zunehmenden Zahl von Strafanzeigen gegen Ärzte sollte die Gesetzesänderung noch vor der Sommerpause in Kraft treten.

Dr. Johannes Fechner

Ziel muss es sein, zu verhindern, dass Ärzte, die sachliche Informationen weitergeben, bestraft werden. Zum anderen wollen wir es Frauen in ihrer schwierigen Situation ermöglichen, einfacher an diese Informationen zu gelangen. Reißerische Werbung für den Schwangerschaftsabbruch soll hingegen auch weiterhin verboten bleiben. Unser liberales Recht zum Schwangerschaftsabbruch darf jedoch nicht dadurch indirekt ausgehebelt werden, indem wir den Zugang zu Ärzten verhindern.

"Druck auf Unternehmen erhöhen"

LTO: Im Koalitionsvertrag nimmt das Thema "Unternehmenssanktionen" einen relativ breiten Raum ein. Allerdings bleibt vieles im Allgemeinen. Welche detaillierten Änderungen soll es geben?

Fechner: Nicht zuletzt die Wirtschaftsskandale der letzten Jahre haben gezeigt: Bei den schwarzen Schafen, die sich mit ihrem Verhalten gegenüber den anderen, fair agierenden Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, brauchen wir schärfere und vor allem spürbare Sanktionen.

Wir wollen nicht, dass Unternehmen bei Fehlverhalten das Bußgeld quasi aus der Portokasse zahlen. Die geltende Bußgeldobergrenze von bis zu zehn Millionen Euro ist für große Konzerne mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz zu niedrig. Künftig können bei diesen Unternehmen bis zu zehn Prozent des Umsatzes als Bußgeld fällig werden.

LTO: Soll es ein Unternehmensstrafrecht geben, wie es seinerzeit einmal NRW vorgeschlagen hatte?

Fechner: Nein. Das Gesetz, das wir vorlegen werden, wird nicht rein strafrechtlich sein, aber es wird strafrechtliche Elemente enthalten. Unter anderem wollen wir das Legalitätsprinzip verankern: Gerichte – und nicht Behörden – müssen am Ende über das Fehlverhalten der Unternehmen entscheiden. Weitere Sanktionen werden wir in der Koalition noch im Detail beraten. Wichtig ist für uns, dass diese dann auch veröffentlicht werden, um den Druck auf die Unternehmen zu erhöhen.

Durchsuchungen in Anwaltskanzleien gesetzlich regeln 

LTO: Die Koalition plant auch gesetzliche Vorgaben für sogenannte Internal Investigations. Wirtschaftsanwälte befürchten Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis zum Mandanten, wenn bei Ihnen künftig leichter durchsucht werden kann. Zu Recht?

Fechner: Nun, es kann nicht angehen, dass strafrechtlich relevante Unterlagen eines Unternehmens in die beauftragten Anwaltskanzleien ausgelagert werden, um sie dort vor dem Zugriff der Ermittlungsbehörden in Sicherheit zu bringen. Hier brauchen wir eine klare Rechtsgrundlage in der StPO. Bevor es aber an die konkrete Umsetzung geht, wollen wir noch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Fall Jones Day abwarten.   

Ein weiterer Themenkomplex in diesem Zusammenhang, an den wir heranmüssen, ist die Befragung von Mitarbeitern durch externe Ermittler oder Anwälte. Arbeitsrechtlich gesehen ist der Mitarbeiter in diesem Fall zwar zur Aussage verpflichtet, nach der StPO muss er sich jedoch nicht selbst belasten. Dieses Spannungsverhältnis müssen wir auflösen, also eine Regelung finden, die verhindert, dass sich Arbeitnehmer selbst belasten, gleichwohl aber Fehlverhalten im Unternehmen aufgeklärt werden kann.

Wiederherstellungsanspruch im NetzDG

LTO: Die neue Staatssekretärin für Digitalisierung im Kanzleramt, Dorothee Bär, hält eine komplette Neufassung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) für nicht ausgeschlossen. Wollen Sie das auch?

Fechner: Nein, diese Position hat Frau Bär ganz exklusiv. Das NetzDG war eines der wichtigsten Gesetze der letzten Wahlperiode. Wichtig deshalb, weil es in Deutschland nunmehr eine Zustellperson gibt, an die sich Staatsanwaltschaft oder Polizei bei Hetze oder Terror-Propaganda wenden können oder an die auch zivilrechtliche Unterlassungsklagen gerichtet werden können. Am Gesetz wollen wir nichts ändern.

Prüfen müssen wir jedoch, ob wir einen Wiederherstellungsanspruch einführen sollten, der es Nutzern ermöglicht, zu Unrecht gelöschte Beiträge wieder zu veröffentlichen – gegebenenfalls auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Eine solche Regelung sehen die AGBen der sozialen Netzwerke in der Regel nicht vor.

LTO: Bürgerrechtler können einer GroKo nicht viel abgewinnen. Der Koalitionsvertrag setze ausnahmslos auf den "Starken Staat". Andere beklagen auch generell die zunehmende Bedeutungslosigkeit der Rechtspolitik. Können Sie das nachvollziehen?

Fechner: Nein, das ist zu negativ. Für uns sind Bürgerrechte und innere Sicherheit wichtig. Und wir haben Beides auch gut in Einklang gebracht. Als Rechtspolitiker haben wir starke Impulse gesetzt, etwa im sozialen Bereich oder im Mietrecht. Auch beim Einbruchschutz setzen wir nicht auf schärfere Gesetze, sondern auf Prävention, indem wir die Bürger noch besser finanziell unterstützen, wenn sie sich technisch besser schützen wollen.

Aber eines ist auch klar: Mit der Union ist in puncto Bürgerrechte auch nicht der ganz große Wurf zu schaffen. Ich hätte mir zum Beispiel im Mietrecht wesentlich weitergehende Verbesserungen für die Mieter vorstellen können.

Im Übrigen aber hat die SPD auch einiges verhindert, was der CDU/CSU in den Koalitionsverhandlungen vorschwebte und aus unserer Sicht mit den Bürgerrechten nicht mehr zu vereinbaren war. Um Ihnen ein Beispiel zu nennen: Die Union wollte den Einsatz der Bundeswehr im Innern umfangreicher ermöglichen. 

"Videoüberwachung nur an Kriminalitätsschwerpunkten"

LTO: Der neue Bundesinnenminister Seehofer hat angekündigt, die Videoüberwachung auf alle "Brennpunkte" dieser Republik auszudehnen. Geht die SPD da mit?

Fechner: Soweit Herr Seehofer unter "Brennpunkten" polizeilich nachgewiesene Kriminalitätsschwerpunkte versteht, ja. Videoüberwachung kann ein geeignetes Mittel sein, um Straftaten aufzuklären und von ihrer Begehung abzuhalten.

LTO: Welche weiteren rechtspolitischen Projekte wird die SPD vorantreiben?

Fechner: Geeinigt haben wir uns auf diverse Änderungen in der StPO. Bei Verfahren mit vielen Nebenklägern – etwa dem Duisburger Loveparade-Fall – wollen wir es Gerichten ermöglichen, dass sie einer Vielzahl von Nebenklägern nur einen, für alle zuständigen anwaltlichen Vertreter zuweisen kann. Das wird dem Gebot der Prozessbeschleunigung gerecht. Die aktuelle Regelung führt dazu, dass Verfahren unnötig in die Länge gezogen werden.

Weiter wollen wir, dass bei unverjährbaren Straftaten wie Mord und Völkermord später gewonnene Erkenntnisse aus DNA-Proben zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens führen können. Auch dann, wenn der Täter damals freigesprochen wurde.

Und schließlich möchte ich noch ein weiteres Vorhaben gerne vorantreiben: Ich halte einen Tatbestand für sinnvoll, der das Verbrennen von israelischen Flaggen in der Öffentlichkeit unter Strafe stellt. Aktuell lasse ich juristisch prüfen, ob ein Straftatbestand verfassungskonform wäre, der ausschließlich die israelische Staatsflagge erfasst.

AfD: Beim DAV "rechte AfD-Propaganda verbreitet"    

LTO: Im Bundestag sitzt erstmals eine rechte Partei, deren Protagonisten immer wieder durch rechtsextreme Äußerungen auffallen. Ein Vertreter dieser Partei ist Vorsitzender des Rechtsausschusses. Wie klappt die Zusammenarbeit?

Fechner: Rechtspolitisch hat diese Partei nichts zu sagen, es fehlen schlichtweg Inhalte. Im Ausschuss kommen keine konstruktiven Beiträge. Der Vorsitzende leitete die bisherigen Ausschusssitzungen unauffällig. Aufgefallen ist er aber beim parlamentarischen Abend des Deutschen Anwaltsvereins: Als Vorsitzender hätte er über die Ausschussarbeit berichten sollen, seine Rede missbrauchte er dann aber dazu, nicht zur Ausschussarbeit zu sprechen, sondern rechte AfD-Propaganda zu verbreiten. 

Zitiervorschlag

Hasso Suliak, Interview mit dem rechtspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: . In: Legal Tribune Online, 14.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27509 (abgerufen am: 06.11.2024 )

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