Das Gefühl hat viele Internetnutzer also nicht getrogen: Die Verbindung ist langsamer als vom Provider versprochen. Das stellte die Bundesnetzagentur fest, die die Geschwindigkeit von Internetzugängen testen ließ. Helfen wird das den Kunden jedoch nicht, meint Ulf Müller, aus dem Vertrag heraus kommen sie nur mit einer ordentlichen Kündigung und bei einem anderen Anbieter wird es nicht besser sein.
Das Ergebnis der Studie der Bundesnetzagentur ist niederschmetternd: Bei über 225.000 Messungen kam heraus, dass den Kunden unabhängig von Provider und eingesetzter Technologie häufig nicht die vom Anbieter versprochene Bandbreite zur Verfügung steht.
Das hat überwiegend technische Gründe. Der Ausbau des Breitbandnetzes, ohne den ein High-Speed-Internet gar nicht möglich ist, hinkt in Deutschland hinterher: Nach einer Studie des TÜV Rheinland von März 2013 verfügen etwa 55 Prozent der Deutschen über eine Datenübertragungsrate von mindestens 50 Megabits die Sekunde, der Rest weniger. Das wäre unproblematisch, wenn die Provider nicht seit Jahren vollmundig höhere Geschwindigkeiten versprechen würden.
Konkurrenten werden nicht gegen die Werbung vorgehen
Solange die Internetprovider diese Versprechen aber lediglich in ihrer Werbung machen, können die Verbraucher daraus keine Rechte ableiten. Zwar ist es irreführend und unlauter, mit nicht einhaltbaren Qualitäten eines Produkts zu werben. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gibt dem einzelnen Verbraucher aber keine eigenen Ansprüche auf Unterlassung; er kann lediglich Verbraucherschutzverbände auf Missstände aufmerksam machen in der Hoffnung, dass diese tätig werden.
Die Konkurrenten eines Providers, der zu viel verspricht, könnten zwar gegen eine solche Werbung vorgehen; da aber alle Anbieter einheitlich mangelhaft leisten, wird wohl keiner den ersten Stein werfen wollen. Zudem eröffnet die typische Bewerbung einer "bis zu"-Bandbreite genügend Spielraum, um gegen die Annahme einer Irreführung zu argumentieren.
Übertragungsrate schwankt je nach Netzauslastung
Der einzelne Verbraucher kann gegenüber seinem Provider nur die Rechte aus dem jeweiligen Vertrag geltend machen. Dabei spielt dessen Rechtsnatur eine wesentliche Rolle: Handelt es sich um einen Dienst- oder um einen Miet- bzw. Werkvertrag?
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied sich bereits 2005 in einem erstaunlich vorsichtig formulierten Urteil für den Dienstvertrag (Beschl. v. 23.5.2005, Az. III ZR 338/04). Wissenschaftler tendierten bis dahin eher zu einer Einordnung als Miet- oder Werkvertrag mit dann klar geregelten gesetzlichen Gewährleistungsrechten. Der BGH vertrat bewusst die andere Ansicht und bestätigte in der Folge dieses Urteil auch.
Zur Begründung heißt es in der Entscheidung, die Leistungskapazitäten des Providers seien begrenzt und die Übertragungsrate schwanke je nach Netzauslastung. Der Anbieter könne dem Kunden daher nicht versprechen, dass die Internetverbindung jederzeit eine bestimmte Geschwindigkeit habe und der Kunde könne dies auch nicht erwarten.
Die Studie der Bundesnetzagentur bestätigt die technischen Argumente des BGH zwar; angesichts der Werbeaussagen der Provider müssen die Kunden dennoch die versprochenen Übertragungsgeschwindigkeiten erwarten können.
"bis zu"-Versprechen könnte gegen Transparenzgebot verstoßen
Die Qualifizierung als Dienstvertrag rächt sich jetzt: Die Kunden haben damit nämlich keine Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten oder zu mindern. Eine sofortige Kündigung aus wichtigem Grund wird kaum in Frage kommen, weil es regelmäßig zumutbar sein wird, bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin abzuwarten. Ein Anspruch auf Schadensersatz wird meistens daran scheitern, dass der Kunde einen wirtschaftlichen Schaden wegen zu langsamen Internets kaum wird nachweisen können. Der einzige Weg, aus dem Vertrag herauszukommen, ist also die ordentliche Kündigung.
Allerdings hätte es den Kunden nicht wirklich geholfen, wenn der BGH den Vertrag als Miet- oder Werkvertrag eingeordnet hätte. Die Provider versprechen ja regelmäßig nur eine "bis zu"-Bandbreite. Um vom Vertrag zurücktreten zu können oder das Entgelt zu mindern, müsste der Kunde eine länger andauernde wesentliche Unterschreitung der versprochenen Bandbreite nachweisen. Wegen des schwammigen Versprechens könnten die Gerichte auch noch eine 20-prozentige Unterschreitung für vertragsgemäß halten. Möglich ist aber auch, dass diese flexiblen Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen das Transparenzgebot verstoßen.
Die Bundesnetzagentur wird zum Schutz der Kunden nichts weiter tun können, als Standardverträge über Telekommunikationsdienstleistungen zu kontrollieren. So hat sie angesichts der unklaren Regelungen zur Leistung der Provider auch bereits angekündigt, einen konstruktiven Dialog mit den Unternehmen führen zu wollen, um die Transparenz zum Wohle des Endkunden zu erhöhen. Konkrete Aussichten auf schnelleres Internet sehen anders aus.
Der Autor Prof. Dr. Ulf Müller ist Professor für Wirtschaftsprivatrecht an der Fachhochschule Schmalkalden.
Internetverbindung zu langsam: . In: Legal Tribune Online, 22.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8576 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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