Was in einigen Bundesländern schon Realität ist, soll jetzt auch auf Bundesebene umgesetzt werden: Ein TransparenzG für die Offenlegung staatlicher Entscheidungsprozesse, erklären Jonas Kahl und Nikolaus von Bernuth.
Dass ein Bedürfnis danach besteht, staatliche Entscheidungsprozesse nachvollziehen zu können und dazu Einblicke in die Abläufe der Verwaltung zu erhalten, ist in jüngster Vergangenheit immer wieder deutlich geworden. Unerlässlich sind dazu rechtliche Instrumente, die solche Einblicke überhaupt erst möglich machen. Prominentes Beispiel dafür, wie diese Transparenz der breiten Öffentlichkeit dienen kann, ist die jüngst veröffentlichte investigative Recherche der Zeit über Missstände in der Bio-Lebensmittelbranche. Denn den Zugang zu den bis dahin unveröffentlichten Kontrollberichten der Prüfstellen erhielt die Redaktion nur durch die Informationsfreiheitsgesetze (IFG) der Länder.
Die neue Bundesregierung und auch einige Länder wollen allerdings noch weiter gehen. So will die Ampel-Koalition das seit 2006 geltende IFG zu einem Transparenzgesetz (TransparenzG) weiterentwickeln. Dies würde bedeuten, dass nicht mehr nur ein Auskunftsanspruch der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Staat besteht, sondern die Behörden zur aktiven Veröffentlichung bestimmter Informationen verpflichtet würden. Wie konkret diese Pläne aus dem Ampel-Koalitionsvertrag umgesetzt werden, bleibt abzuwarten.
Wie langwierig ein solcher Prozess werden könnte, zeigt das Beispiel Sachsens, das in Sachen Transparenz bisher bundesweit noch zu den Schlusslichtern gehört, sich aber zuletzt aufgemacht hat, ein Gesetzgebungsverfahren für ein Sächsisches TransparenzG zu beginnen. In Anbetracht der Pläne des Bundes lohnt daher ein Blick auf das Gesetzgebungsverfahren in Dresden.
Die Lage in Sachsen
Dass die Transparenz in Sachsen im Bundesvergleich noch ausbaufähig ist, zeigt das Transparenzranking 2021. Hier belegte das Land gemeinsam mit Bayern und Niedersachsen den letzten Platz. Und das nicht ohne Grund: Bewertet wurde, wie offen Bund und Länder mit behördlichen Informationen umgehen und ob sie Bürgerinnen und Bürgern unproblematisch Zugang zu diesen Informationen verschaffen. Für all das erhielt Sachsen exakt null Prozent der Transparenzpunkte - kaum verwunderlich, denn Sachsen hat im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern nicht einmal ein IFG.
Das soll sich nun ändern: Denn die Staatsregierung scheint überzeugt davon, dass auch im Freistaat echte demokratische Teilhabe und Kontrolle nur möglich sind, wenn Informationen über Arbeit und Ergebnisse der Behörden öffentlich verfügbar sind. Es soll also gehandelt werden – so viel ist klar. Allerdings steht dieses Vorhaben schon seit einer Weile auf der Agenda sächsischer Politik.
Schon die schwarz-rote Vorgängerregierung wollte ein IFG einführen, über die konkrete Ausgestaltung konnte man sich aber nicht einigen. Die nun regierende Koalition aus CDU, Grünen und SPD möchte sogar noch einen Schritt weitergehen und hat Ende August den Entwurf eines TransparenzG beschlossen. Federführend war hierbei das grüne Justizministerium unter Staatsministerin Katja Meier. Damit sind nun zumindest die ersten Schritte gemacht.
Mehr Transparenz und weniger Bürokratie
Das Ziel der Einführung von TransparenzG ist also klar: Informationen, die sich in staatlicher Hand befinden, sollen den Bürgerinnen und Bürgern unkompliziert offengelegt werden. Egal ob Bebauungsplan oder behördeninterne Studie – all das soll künftig nicht mehr hinter verschlossenen Türen bleiben. Zwar können diese Informationen zum Teil auch jetzt schon nach den bereits geltenden IFG erfragt werden. Der wesentliche Vorteil eines TransparenzG besteht jedoch darin, dass kein Antrag für die Offenlegung notwendig ist. Stattdessen haben die Behörden von Gesetzes wegen die Pflicht, bestimmte Informationen auch ohne entsprechenden Antrag zu in einem sogenannten Transparenzregister zu veröffentlichen.
Wie das aussehen könnte, zeigt Hamburg schon seit einigen Jahren. Hier gilt bereits seit 2012 ein TransparenzG, das mitsamt seiner Evaluation von 2017 dem sächsischen Entwurf als wesentliche Orientierung dient. Die Evaluation konnte dabei zum Teil auch überraschende Effekte zeigen: Insbesondere stellte man fest, dass auch die Behörden selbst von einem allgemeinen Informationsportal profitieren. Denn auch für sie sind die Informationen darüber leichter und schneller zu erreichen. Dies zeigt, dass so ein Vorhaben demnach Gewinner auf beiden Seiten hervorbringen kann.
Ein "Aber" gibt es trotzdem
Wie ist nun aber der Stand in Sachsen? Eigentlich sollte das TransparenzG bis Ende 2020 verabschiedet werden. Nun liegt ein Jahr später als geplant zumindest ein erster Regierungsentwurf vor, der im Sächsischen Landtag diskutiert wird. Derzeit können auch Bürgerinnen und Bürger auf Sachsens Beteiligungsplattform ihre Ansichten dazu einbringen. Es geht also voran, so scheint es.
Doch schaut man sich den Entwurf im Detail an, zeigt sich durchaus noch Luft nach oben. So verweist Transparency International im Deutschlandfunk darauf, dass die gesamte kommunale Ebene zunächst ausgenommen ist und sich lediglich freiwillig zur Umsetzung des Gesetzes verpflichten kann. Die Hälfte der Anfragen ginge aber an die Kommunen. Auch Valentin Lippmann, Abgeordneter der Grünen im Sächsischen Landtag, stimmt dem zu und räumt ein, dass gerade das kommunale Verwaltungsgeschehen für die Bürger interessant sei.
Aber warum dann diese Einschränkung? Es klingt an, dass der Widerstand auch aus der sächsischen Kommunalverwaltung selbst kommt. Mangels bisheriger Transparenzregeln ist man in diesem Bereich unerfahren und die Sorge um Überforderung und Überlastung ist groß. Zudem sieht auch der sächsische Koalitionsvertrag eine Ausnahme für die Kommunen vor. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass es aber mittelfristig das Ziel sei, die Regelungen auch auf die Kommunen auszuweiten. Ihnen soll ein sanfter Einstieg gewährt werden. Sanft wird er auch deshalb sein, weil die im Zentrum des Vorhabens stehende Online-Plattform planmäßig erst im Jahr 2026 im Netz einsehbar sein wird. Erst dann wird man dort Erlasse und Verfügungen von Behörden, Teilnehmerlisten oder auch Datenbestände, wie Umweltdaten etc. einsehen können.
Verfassungsschutz und Sparkassen bleiben intransparent
Dies ist im geplanten sächsischen TransparenzG aber nicht die einzige Einschränkung. Ganz von der Transparenzpflicht ausgenommen sind beispielsweise der sächsische Verfassungsschutz und die sächsischen Sparkassen. Zudem gibt es Ausnahmetatbestände, auf die sich die betroffenen Stellen unter bestimmten Voraussetzungen berufen können. Es ist davon auszugehen, dass ähnliche Beschränkungen auch in einem TransparenzG auf Bundesebene Niederschlag finden werden. Insofern werden auch diese Gesetze voraussichtlich keine vollumfängliche Transparenz schaffen können.
Zum anderen können sich auch grundsätzlich auskunftspflichtige Stellen auf einen Katalog von 22 Ausnahmetatbeständen berufen. Wünschenswert wäre eine Abwägungsklausel, wonach im Falle des Eingreifens einer Ausnahme zunächst mit dem öffentlichen Informationsinteresse abzuwägen ist, bevor die Auskunft verweigert wird. Lediglich bei betroffenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist eine solche Abwägung vorgesehen. Dies kann dazu führen, dass mit Verweis auf eine der übrigen 21 Einschränkungen ein Auskunftsantrag allzu leichtfertig abgelehnt wird.
Bei allem "Automatismus", soll nach dem TransparenzG eines dennoch möglich bleiben: Die individuelle Antragstellung. Dies bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger für den Fall, dass eine Information nicht einsehbar sein sollte, einen Antrag bei der jeweiligen Behörde stellen und um die Veröffentlichung der begehrten Information bitten können. Organisationen, wie die Open Society Foundation oder Transparency International kritisieren allerdings, dass nach den bisherigen Plänen keine anonyme Antragstellung möglich sein wird. Diese wäre aber gerade für investigativ recherchierende Journalistinnen und Journalisten oder Bürgerinnen und Bürger, die berufliche Nachteile durch eine namentliche Antragstellung befürchten, wichtig.
Hamburg als Vorbild auch für den Bund?
Trotz aller Widerstände ist insgesamt erkennbar, dass sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene der Wille zur staatlichen Öffnung vorhanden ist. Es bleibt zu hoffen, dass die Transparenzbemühungen mit fortschreitenden Erfahrungswerten immer weiter ausgeweitet werden und schließlich auch die kommunale Ebene mit umfassen werden. Dabei scheint es wahrscheinlich, dass der Bund bei der Umsetzung des Koalitionsvertrages – genau wie Sachsen - das Hamburger Modell als Orientierungshilfe nutzen wird.
Insbesondere die politische Beheimatung von Bundeskanzler Olaf Scholz in Hamburg dürfte dafür sorgen, dass das Hamburger TransparenzG auch im Bund im Fokus stehen wird. Wie lange der Weg dauern wird, bleibt abzuwarten. Der Aufbruch in Richtung "gläsernes Rathaus" wird aber Schritt für Schritt weitergehen. Auch wenn es voraussichtlich kleine und langsame Schritte sein werden.
Dr. Jonas Kahl, LL.M. ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht bei Spirit Legal Rechtsanwälte in Leipzig. Er befasst sich seit Jahren mit Rechtsfragen des Informationszugangs von Journalisten. Nikolaus von Bernuth ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Spirit Legal Rechtsanwälte.
Pläne für mehr Transparenz in Bund und Ländern: . In: Legal Tribune Online, 09.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46890 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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