Die Baumhaus-Bewohner im Hambacher Forst haben erste, herbe juristische Niederlagen einstecken müssen. Nun entschied auch das OVG in Münster am Freitag, dass ein vorläufiger Stopp der Räumung nicht in Betracht kommt.
Auch wenn damit über das Fällen der Bäume und teilweise noch nicht einmal über den Abriss der im Hambacher Forst an einigen Stellen errichteten Baumhäuser entscheiden wurde: Die Entscheidungen nordrhein-westfälischer Verwaltungsgerichte vom Donnerstag und Freitag dürften den Braunkohlegegnern nicht in die Karten spielen.
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) bezweifelte in einer sogenannten Zwischenentscheidung am Freitag, ob sich die Baumhausbewohner überhaupt auf das Versammlungsrecht nach Art. 8 Grundgesetz (GG) berufen können. In den zahlreichen Baumhäusern im Hambacher Forst sieht das OVG einen "Rückzugs- und Aufenthaltsorte für gewaltbereite Waldbesetzer, die für die Polizei nur unter erheblicher Gefahr zugänglich seien".
Zunächst hatte schon das Verwaltungsgericht (VG) Köln am späten Donnerstagnachmittag vier Anträge von Baumhausbewohnern auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die mündliche Verfügung der Stadt Kerpen auf Räumung und Nutzungsuntersagung des von ihnen bewohnten Baumhauses abgelehnt. Über weitere, mindestens acht Anträge von Baumhausbewohnern war zumindest bis Freitagnachmittag noch nicht entschieden worden. Auch das VG Aachen bestätigte am Freitag in einem Beschluss die Rechtmäßigkeit der Räumung eines Baumhauses (Beschl. v. 14.9.2018, Az. 5 L 1377/18). In diesem Fall hatte sich ein Baumhausbewohner gegen eine Verfügung des Kreises Düren gerichtet. Aufgrund der geografischen Lage des Hambacher Forstes sind für einige Baumhäuser die Stadt Kerpen, für andere wiederum der Kreis Düren zuständig.
Kerpen hatte auf Weisung des zuständigen Ministeriums die Räumung der bewohnten Baumhäuser verfügt und den Bewohnern die Nutzung untersagt. Beim VG Köln beantragten einige von ihnen daraufhin gegen die Verfügung vorläufigen Rechtsschutz. Ein Antragsteller – mit dessen Fall sich dann am Freitag auch das OVG NRW befasste – machte dabei geltend, dass er das Baumhaus bereits seit sechs Monaten bewohne. Es sei sein Lebensmittelpunkt. Durch die Räumung werde er obdachlos, außerdem sei die gesetzte Räumungsfrist von 30 Minuten zu kurz bemessen.
"Baumhausbewohner müssen vor sich selbst geschützt werden"
Dem folgte das VG Köln jedoch nicht (Beschl. v. 13.09.18, Az. 23 L 2060/18). "Es bleibt beim angeordneten Sofortvollzug der Stadt Kerpen", so die Vorsitzende Richterin des VG Köln, Rita Zimmermann-Rohde, zu LTO. Ein Einschreiten sei zur Gefahrenabwehr für den Bewohner selbst und wegen Waldbrandgefahr gerechtfertigt. Die kurze Räumungsfrist sei insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Gefahrintensivierung wegen einer zu befürchtenden weiteren Eskalation der Situation nicht zu beanstanden.
Auf Nachfrage von LTO, ob die angeführte "Waldbrandgefahr" nicht möglicherweise als Argument vorgeschoben sei, schließlich habe eine intensivere Dürreperiode ja auch schon in den Monaten Juni und Juli bestanden, sagte Zimmermann-Rohde: "Darauf kommt es nicht an. Es handelt sich um bauordnungswidrige Anlagen, von denen Gefahren ausgehen." In gewisser Weise müssten die Bewohner vor sich selbst geschützt werfen, so die Richterin zu LTO. Weiter stellte Zimmermann-Rohde klar, dass die Entscheidungen des VG Köln lediglich die Nutzung untersage sowie eine Räumung erlaube – nicht jedoch einen möglichen Abriss der Baumhäuser.
Gegen die bereits ergangenen Entscheidungen des VG Köln ist die Beschwerde zum OVG NRW statthaft. Ein Baumhausbewohner legte diese auch unverzüglich ein. Und auch wenn das OVG am Freitag noch nicht über die Beschwerde als solche entschied, erließ es jedoch eine Zwischenentscheidung, in der ein vorläufiger Stopp der Räumung und eine weitere Nutzung des Baumhauses abgelehnt wurde.
Die Begründung des OVG hat es in sich und dürfte die Kohlegegner im Hinblick auf weitere Verfahren wenig freuen: So könne sich der Baumhausbewohner auf das Versammlungsrecht nach Art. 8 GG "voraussichtlich nicht berufen". Die Verfassung gewährleiste nur das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Dies treffe auf die "Waldbesetzer" im Hambacher Forst nicht zu. Im Bereich des Waldes sei es, so das Gericht, zu einer Vielzahl auch schwerer Straftaten insbesondere zum Nachteil von Polizisten und Mitarbeitern der RWE gekommen. Es sei davon auszugehen, "dass die "Besetzerszene" durch Gewalttäter oder solche Personen geprägt werde, die Gewaltanwendung billigten".
"Schutz der Polizisten und RWE-Mitarbeiter steht im Vordergrund"
Hiervon ausgehend sprächen für eine sofortige Vollziehung der Räumungsanordnung durch die Stadt Kerpen nicht nur die Gefahren für die Bewohner der Baumhäuser unter Gesichtspunkten des Brandschutzes und einer mangelnden Sicherung vor Stürzen in die Tiefe, die die beteiligten Behörden in den Vordergrund gestellt hätten, sondern vor allem das öffentliche Interesse am Schutz der Polizisten und der RWE-Mitarbeiter vor weiteren gefährlichen Angriffen auf Leib und Leben. Das öffentliche Interesse an einer Räumung überwiege das private Interesse des Antragstellers, in dem Baumhaus verbleiben zu können.
Während es bei den "Kölner Fällen" lediglich um Nutzungsuntersagung und Räumung, also nicht um den Abriss der Baumhäuser geht, ist dies bei den Fällen vor dem VG Aachen anders: Hier stellte das Gericht klar, dass auch eine Beseitigung des Baumhauses – in dem Fall das Baumhaus "Kontiki" – rechtmäßig sei. Der Kontiki-Bewohner verfüge weder über die erforderliche Baugenehmigung noch sei das Baumhaus, das als bauliche Anlage einzustufen sei, genehmigungsfähig. Es genüge auch nicht den maßgeblichen Brandschutzanforderungen. Daran ändere auch ein etwaiges Vorhalten von Feuerlöschern nichts. Zudem sei die Standsicherheit nicht gewährleistet. Zu dieser Aussage war das VG nach Betrachtung von Fotos gelangt.
Wie es nun weitergeht
Es ist davon auszugehen, dass es gegen die Beschlüsse aus Köln und Aachen weitere Beschwerden geben wird. Laut dem für die Pressearbeit zuständigen Richter am OVG, Dirk Rauschenberg, wird über die Beschwerde, zu der am Freitag die Zwischenentscheidung erging, nicht vor nächster Woche entschieden. Indes: Nach den bisherigen Ausführungen des OVG vom Freitag dürfte für die Kohlegegner und Baumhausbewohner wenig zu gewinnen sein.
Gegen die eigentliche Rodung des Hambacher Forstes wendet sich der Naturschutzbund BUND, ebenfalls in einem Verfahren vor dem VG Aachen. Dessen 5. Kammer lehnte jedoch am Freitag per Beschluss einen vom BUND beantragten Erlass einer sog. Zwischenregelung mit dem Ziel, dass der Kreis Düren vorläufig keine Baumfällung betreibt bzw. daran mitwirkt, ab. Derzeit würden keine großflächigen Rodungen durchgeführt, sondern allenfalls einzelne Bäume gefällt, erklärte die Pressestelle des Gerichts.*
Unterdessen bekräftigte am Freitag RWE sein Vorhaben, den Wald komplett abzuholzen. "Der Tagebau steht quasi direkt vor dem Wald und dementsprechend müssen wir auch roden", sagte RWE-Vorstandsmitglied Lars Kulik dem Hörfunksender WDR 2. Es gebe keinen Zeitpuffer mehr, da bereits im vergangenen Jahr nicht gerodet worden sei. Die Abholzung sei unvermeidbar, um die Stromproduktion zu sichern.
*Anmerkung der Red.: Entscheidung des VG Aachen wurde am 17.3.2018 um 17.13 Uhr ergänzt.
OVG NRW zu Baumhäusern im Hambacher Forst: . In: Legal Tribune Online, 14.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30941 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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